Seit der Wiedervereinigung haben die deutschen Verlage an Leserschaft verloren. Noch nicht einmal während der großen Streaming-Offensive, in denen Nutzer erstmals bereit waren im großen Stil monatliche Gebühren an Netflix und Spotify zu bezahlen, konnten neue Abonnenten geworden werden. Zum einigermaßen großen Start des Internets um die Jahrtausendwende publizierten Zeitungen und Nachrichtenmagazine wie ‚Der Spiegel‘ noch ihre Top-Themen völlig kostenfrei im Internet. Jahrelang wollten Verleger ihre Inhalte mit Online-Werbung finanzieren, doch dieses Unterfangen ging schief. Die jungen Generationen haben sich nämlich kein klassisches Abonnement zugelegt, sondern waren mit den kostenfreien Nachrichten völlig zufrieden.
Mit dieser Konkurrenz haben die Verlage auch weiterhin Probleme. Tagesschau.de, n-tv oder Focus Online plus die Special-Interest-Portale graben den überregionalen Tageszeitungen weiterhin viel Wasser ab. Allerdings haben die Verlagsunternehmen darauf regiert und entsprechend hochwertige Inhalte hinter der Bezahlschranke platziert. Vorreiter dieser Entwicklung war der Axel-Springer-Verlag, der vor knapp zehn Jahren ‚Bild Plus‘ und die kostenpflichtige ‚Welt‘ startete. Inzwischen sind große Teile der Tageszeitung ‚Die Welt‘ im Bezahlbereich verschwunden.
Ein Sprecher von Axel Springer teilte Quotenmeter mit, dass man mit der Entwicklung der Digital-First-Strategie sehr zufrieden sei. Weiteres Wachstum sei natürlich gewünscht, doch die Horrormeldungen vieler Medienportale, dass die Auflagen sinken, haben nur einen kleinen Teil der Wahrheit erzählt. Die meisten Menschen unterhalb der 40 Jahre nutzen mit ihren mobilen Geräten die Nachrichten-Apps auf dem Smartphone oder surfen die Internetseiten an. Es ist bei vielen Menschen einfach nicht mehr zeitgemäß, dass man auf eine Auslieferung einer Tageszeitung am Morgen wartet.
‚Die Welt‘ hat in den vergangenen Jahren über drei Viertel ihrer gedruckten Auflage abgelöst. Noch im 4. Quartal 2014 wurden über 200.000 Tageszeitungen zwischen Montag und Samstag ausgeliefert, im ersten Quartal 2023 wurden nur noch 35.878 Abos bedient. Doch das Angebot der Springer-Gruppe legte online massiv zu. Im März 2018 bediente man knapp 80.000 Abonnenten, inzwischen zahlen 213.406 Menschen für das Angebot. Bei der ‚Bild‘-Zeitungen ist der Aborückfluss noch nicht eingetreten. Die Auflage ging in den vergangenen fünf Jahren um etwa 600.000 Haushalte zurück, in der gleichen Zeit kamen 300.000 digitale Abschlüsse hinzu. Unklar ist allerdings, wie viel sich Axel Springer an Papierkosten und Zusteller spart.
Die Südwestdeutsche Medienholding teilte mit, dass man den Print-Vertrieb für die ‚Süddeutsche Zeitung‘ in absehbarer Zeit nicht einstellen werde. Das sei eine wichtige wirtschaftliche Säule. In der Tat ist die ‚SZ‘ im gedruckten Bereich noch sehr gefragt. Über 240.000 Zeitungen werden jeden Morgen verteilt. Der jährliche Rückgang ist durchaus moderat und mit dem digitalen Angebot habe man die Auflage sogar verstärkt. Innerhalb von drei Jahren haben sich 161.331 Abonnenten für den digitalen Anschluss entschieden. Man kann also der Münchener Zeitung durchaus attestieren, dass sie ihre Auflagenzahl vergrößert hat.
Ein ähnliches Bild liefert auch die ‚Frankfurter Allgemeine Zeitung‘ ab, die innerhalb von drei Jahren 114.305 digitale Abos verkaufen konnte. Zwar spiele man weder im Print- noch im digitalen Bereich auf ‚Süddeutsche Zeitung‘-Level, aber die Zahlen haben sich verbessert. Rund 160.000 Zeitungen werden aktuell ausgeliefert, das bedeutet einen jährlichen Rückgang zwischen 5.000 und 10.000 Abonnenten. Das Wachstum im digitalen Bereich lag in den vergangenen Jahren bei etwa 20.000 bis 30.000 Anschlüsse. Der Verlag ist mit der aktuellen Entwicklung sehr zufrieden und möchte bis Ende 2025 über 300.000 digitale Abos haben, teilte ein Sprecher mit. Die Einstellung der gedruckten Zeitung wolle man nicht vorantreiben. „Auch wenn es hier große Herausforderungen wie den Anstieg der Papierpreise sowie der Zustellung gibt, ist das aktuell kein Thema für uns und die F.A.Z.“, heißt es aus Frankfurt am Main.
In der Branche zeigen sich auch andere Verlage mehr als zufrieden. ‚Der Spiegel‘ hat vor knapp drei Jahren seine Erscheinungsweise umgestellt, die gedruckte Ausgabe ist ein „Best-Of“ der veröffentlichten Artikel. Die großen Themen werden in der Regel zwischen Donnerstag und Freitag online gestellt. Im März 2023 hatte man 326.800 digitale Abos, das war ein Anstieg um etwa 40.000 Leser binnen eines Jahres. 554.983 Magazine wurden vom Spiegel im ersten Quartal 2023 verkauft. Für viele Abnehmer von ‚Spiegel Offline‘ zählt immer noch die Berichterstattung von Themen. Im Gegensatz zum gedruckten Spiegel können online Passagen gestrichen und verändert werden. Vorwürfe, die Schlagzeilen machen und teilweise weggeklagt werden, sind im Heft weiterhin verfügbar. „Wir planen keine Reduzierung der gedruckten Auflage – nicht im Abonnement, im Einzelverkauf oder in einer anderen Sparte. Wir sind in der glücklichen Lage, dass viele Leserinnen und Leser gern noch Gedrucktes von uns in den Händen halten wollen. Wir erzielen mit den Heften trotz der gestiegenen Preise gute Deckungsbeiträge und investieren auch weiter in Print“, übermittelte Spiegel aus Hamburg.
Etwas besser schlägt sich ‚Die Zeit‘. Die Wochenzeitschrift, die sich in den vergangenen Jahrzehnten gegen Abo-Kündigungen durchsetzen konnte, verkauft wöchentlich 525.809 Ausgaben. Paid-Chef Sascha Bossen sagte ‚kress‘ im vergangenen Dezember, dass man binnen eines Jahres die Digital-Abos um ein Fünftel auf 280.000 Abnehmer erhöhen konnte. Ein wesentlicher Bestand, so Bossen, sind die eigenen Apps. Durch die App-Benachrichtigung und der guten Usability bleiben die Kunden an Bord. Auch weitere Features wie Rezepte und Spiele machen den Usern Freude.
Der Markt der überregionalen Tageszeitungen und wöchentlichen Magazine ist aktuell im Wandel. Doch die Katastrophen-Meldungen, dass große Tageszeitungen vor der Bedeutungslosigkeit stehen, gehören der Vergangenheit an. Das Digital-Geschäft hat in den vergangenen Jahren massiv an Schwung bekommen und wurden zu einer guten Einnahme-Quelle. Dies spüren auch die Verlage und haben in den vergangenen Monaten viel Geld in gute Inhalte gesteckt.
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