Hingeschaut

Was von Corona übrig bleibt, ist Enttäuschung

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Hätte Das Erste die Dokumentation vor zwei Jahren produziert, hätte man es wohl als Schwurbler-Fernsehen bezeichnet. Jetzt kommt eine packende und informierenden Dokumentation.

„Komm Eckert, noch einmal Corona“ – „Corona interessiert doch keinen mehr“, heißt es zum Start der vierten «Hirschhausen»-Dokumentation, die Das Erste am Wochenende in die Mediathek stellte und am Montag, den 12. Juni, um 20.15 Uhr im Ersten ausstrahlt. Man kann sich noch gut zurückerinnern, wie im März 2020 die Schotten dicht gemacht wurden. Fitnessstudios wurden geschlossen, Restaurants zur Abholstationen und selbst Spielplätze im Freien mit Absperrbändern verhängt.

«Hirschhausen – was von Corona übrig bleibt» handelt nicht von den ersten Tagen, bereits zum fünften Mal macht sich der ehemalige Arzt und TV-Komiker auf, um seine früheren Gesichter wie die 14-jährige Olivia zu besuchen. Dabei kommen auch Menschen zu Wort, die die man noch vor zwei Jahren vermeintlich als Schwurbler bezeichnet hätte. Eine Krankenschwester darf erzählen, dass sie aufgrund der berufsverpflichtenden Corona-Impfung gekündigt habe und für ihren Job in den Verkauf wechselte. Es gab sie, diese Zeit, in der Ungeimpfte von der Allgemeinheit ausgeschlossen wurden.

Aber auch das ist zeitlich gut getimt: Nur wenige Sekunden später erzählt Dr. Eckart von Hirschhausen, dass ein Bekannter von ihm auf der Intensivstation lag und ohne Impfung an der Krankheit starb. Storytelling: Fünf von fünf Sternen. Hier soll natürlich das Bild gestreut werden, dass die Impfung Leben rettete – was sie auch tat. Die Aussage von Hirschhausen ist mit vielen Fragezeichen verbunden: War sein bekannter alt, krank und vor allem: Ist er an Corona verstorben oder an den zahlreichen Begleiterscheinungen?

Eckart von Hirschhausen zeigt in diesem 45-minütlichen Film, wie es beispielsweise der Physiotherapeutin Andrea geht, die an Long Covid erkrankte. Hirschhausen besuchte sie schon bei der Reha im Heiligendamm, die wenig Besserung brachte. Heute müssen diese Menschen dafür kämpfen, um überhaupt mehr als 400 Euro monatlich zu bekommen. Neben dem Leid, das den Zuschauern gezeigt wird, wird auch ein Schuldiger gesucht: Die Krankenkassen, die in vielen Fällen weiterhin die Patienten im Regen stehen lassen. Diese verweigern sämtliche Zuzahlungen und Behandlungen, wenn man mit alternativen Möglichkeiten heilen möchte. So bleiben die Patienten auf den Kosten von Blutwäsche oder anderen Behandlungsmethoden sitzen – und das kostet sie nicht nur Nerven, sondern auch tausende von Euro.

Die Behörden sind bis heute ebenfalls nicht gewillt, Long Covid als Krankheit wirklich anzuerkennen. Hausärzte nahmen die Symptome nicht ernst und attestierten stattdessen Panikstörungen. Mit einem F-Syndrom wurde zum Beispiel Patrick in eine psychosomatische Klinik überwiesen. Mit Professor Bernard Schieffer, der Leiter der Post-Covid-Ambulanz der Uniklinik Marburg, hat man einen prominenten Fürsprecher, dass diese Diagnosen weitgehest Unsinn sind. Rund ein Jahr dauert es, so erzählt es Schieffer, dass seine Patienten seit einem Jahr für eine vernünftige Behandlung kämpfen.

In den überwiegenden Fällen heißt es dann: Ohne Kraft im Bett liegen. «Hirschhausen – was von Corona übrig bleibt» zeigt die irren Wege der deutschen Politik: Ehe eine Arzt überhaupt richtig gegen Long Covid heilen kann, muss überhaupt erst einmal eine klinische Studie abgeschlossen werden. Eine halbe Million Menschen leiden an ME/CMS, sind also dauerhaft bettlägerig. Es ist auch ein wenig ironisch, wenn eine Ärztin der Charité kommentiert, dass die Pandemie vor zehn Jahren einfacher behandelbarer gewesen wäre. Schließlich haben der Datenschutz und das Bürokratiemonster zahlreiche einfache Wege zunichte gemacht.

Hirschhausen ist sich sicher: Gesundheitsminister Lauterbach hat früh von der neuen Volkskrankheit Long Covid gewarnt – aber unterm Strich sei von der Politik zu wenig gehandelt worden. „Bis heute gibt es keine zugelassenen, anerkannten Therapien“, fasst der Mediziner zusammen. „Auch wenn weh tut, wir müssen dort hinschauen“, sagt Hirschhausen zum Ende seiner fesselnden Dokumentation.

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