Hallo Frau Nesytowa. Sie spielen die Hauptrolle in dem neuen Thriller «Die Whistleblowerin». Worauf müssen sich die Zuschauer einstellen?
In meinen Augen ist «Die Whistleblowerin» feinstes TV-Kino, das sowohl mit einer großartigen Bildsprache aufwartet als auch mit zum Teil schonungslosen Figurenzeichnungen und einer Mischung aus kalten Verhandlungen und einer großen Emotionalität. Und natürlich einem tollen Schauspielensemble!
Sie spielen die Russin Galina, die Kontakt zu Toms Schwester sucht. Wie würden Sie den Charakter von Galina definieren?
Galina ist eine sehr starke und komplexe Persönlichkeit. Sie hat ein großes Herz und eine hohe Sensibilität, bewegt sich aber in einer zu diesen Qualitäten stark konträren Welt. In einer Welt, in der Vertrauen das Risiko bedeutet, sein Leben zu verlieren. Und Vertrauenswürdigkeit zur einzigen letzten Chance wird.
Sie sind in Ost-Berlin geboren und verbrachten die ersten fünf Jahre in Moskau. Welche Verbindungen haben Sie noch nach Russland?
Ich habe eine starke emotionale Verbindung zu meinen russischen Wurzeln und verbringe immer wieder Zeit in Moskau und Sankt Petersburg. Die russische Kunst und Kultur inspiriert mich sehr. Die russische Sprache zu sprechen und mit meinen Wurzeln in Kontakt zu sein bedeutet mir sehr viel - es ist ein Teil von mir, ein Tor zu meiner Seele. Das zu verneinen wäre unehrlich. Es zu leben ist ein Prozess der ständigen Auseinandersetzung mit mir selbst sowie den äußeren Umständen - nicht immer einfach und oft schmerzvoll. Gerne würde ich auch mehr in meiner Muttersprache drehen, mich kreativ ausdrücken, mit anderen kreativen Menschen in Dialog treten. Es ist unklar, ob und wann das möglich sein wird.
Im Hier und Jetzt bin ich sehr froh, viele spannende russischsprachige KünstlerInnen in Berlin kennen zu lernen und hoffe, dass ihre Stimmen hier Gehör, Raum, Bühnen finden. In der Kunst wie auch im Zwischenmenschlichen ist die Sprachbarriere mit Leichtigkeit behoben, sobald man sich dem öffnet. Aus gedachter Barriere wird erlebte Bereicherung. Das ist so ein wertvoller Prozess, der mich bewegt und inspiriert und an dem ich gerne beteiligt wäre.
Seit über eineinhalb Jahren versucht der russische Machthaber Teile der Ukraine zu besetzen. Die Medien in Russland werden vom Staat gesteuert. Haben Sie noch Freunde, die diese Propaganda glauben?
Nein, nicht dass ich wüsste. In den Gesprächen, die ich geführt habe, ging es um den Wunsch nach Frieden.
Zahlreiche Rollen, die Sie übernahmen, ordnen Sie als Russin ein. Stört Sie das oder ist das teilweise ein Vorteil?
Ich spiele gerne Figuren die nach ihrer Zugehörigkeit suchen. Eine oder zwei davon waren auch Russinnen. Abgesehen davon liebe ich es, in verschiedenen Sprachen zu spielen. Das ist eine ganz besondere Freude für mich! Je nachdem in welcher Sprache ich spreche, verändert sich das Erleben der Rolle und auch die Stimme. Besonders nah sind mir da Englisch, Russisch und Deutsch. Aber ich hätte auch irrsinnige Lust zB. auf Französisch und Italienisch zu spielen… und immer wieder auf Englisch. Ich liebe diese Sprache!
Sie gehörten sechs Jahre lang dem Ensemble von «In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte» an. Warum haben Sie das Team verlassen?
Die sechs Jahre bei den «Jungen Ärzten» waren in vielerlei Hinsicht eine tolle Schule mit einem herzlichen Team und wunderbar engagierten, inspirierenden KollegInnen. Es war für mich jedoch immer klar, dass ich nicht langfristig Serie machen will, sondern mich künstlerisch weiterentwickeln. Und es war der richtige Zeitpunkt für den Aufbruch in etwas Neues.
Eines der größten Projekte in ihrem Leben war «Im Angesichts des Verbrechens» von Dominik Graf.
Sehr gerne blicke ich auf die Drehzeit zurück - es war ein guter Einstieg. Und natürlich so aufregend, direkt von der Schauspielschule an so ein großes, fantastisch professionelles Set zu kommen. Ich weiß noch genau, dass ich vor dem StudioTheater der HMTMH stand, in einer Probenpause, als der Anruf meiner Agentin Anja Joos kam (die nebenbei bemerkt bis heute meine Agentin ist!) mit der Zusage für die Rolle Swetlana. Was habe ich gejubelt. Ein Moment puren Glücks, den ich bis heute schmecken kann. Die schauspielerische Arbeit mit Dominik war ein künstlerischer Genuss. Ich hatte vom ersten Augenblick an und über die ganze Drehzeit hinweg das Gefühl, dass wir künstlerisch auf derselben Wellenlänge sind. Im Gespräch über die Rolle haben wir buchstäblich gegenseitig unsere Sätze beenden können. Seinen hohen Anspruch und die Aufmerksamkeit und maximale Konzentration, die er in den Dialog mit uns Schauspielenden investiert, empfinde ich als höchst motivierend. Diese Arbeit war wahrlich ein Fest!
Vor drei Jahren drehten Sie für die schwedischen Serie «Hamilton». Was machen die Schweden anders?
Ich kann Ihnen auf Anhieb nicht benennen, was sie beim Drehen anders machen. Aber es war ein sehr respektvolles wertschätzendes Miteinander zwischen Schauspielern und Team - eine sehr gute Erfahrung! Und Stockholm empfinde ich als eine wunderschöne Mischung aus wohltuend und inspirierend. Und dann ist da wieder der sprachliche Aspekt: das Schwedisch um mich herum hat mich verzaubert und irgendwie entspannt und beflügelt… während ich es sehr genossen habe, auf Englisch zu performen und recht viele actionreiche Szenen zu haben. Dass ich Schwierigkeiten mit dem Tauchen hatte, nahm ich damals übrigens zum Anlass in der Vorbereitung einen Freediving-Kurs zu machen. Ich hatte das Glück, in Moskau eine wundervolle Trainerin zu finden: Olga Davydova. Sie gibt Workshops in verschiedenen Ländern. Das ist eine Erfahrung, die ich sehr empfehlen kann.
4,3 Millionen Menschen verfolgten «Ein Sommer auf Malta». Waren Sie mit dem Ergebnis zufrieden?
Das ist ein tolles Ergebnis und wie ich finde verdient! Es war eine Arbeit mit einem tollen passionierten Team (auf einer malerischen Insel) und ich freue mich, dass das Resultat so gut ankam. Und dass man gar nicht sieht, wie kalt es eigentlich war!
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Die Whistleblowerin» ist am Montag, den 20. November, im ZDF zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel