Hintergrund

Der Quiz Boom - Was Deutschlands beliebte Quizshows so erfolgreich macht

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Quizshows sind seit Jahrzehnten in der deutschen Fernsehlandschaft verankert. Wenige Jahre nach offizieller Betriebsaufnahme, flimmerten Ende der 1950er Jahre mit «Hätten Sie’s gwusst?» oder «Was bin ich?» die ersten Ratesendungen über die Mattscheibe.

Urbane Fernsehgesichter wie Hans Rosenthal oder Dieter Thomas Heck konnten mit erfolgreichen Formaten ihre Reputation stärken und gelten bis heute als Show- und Unterhaltungslegenden. Heute scheint sich ein neuer Hype um Sendungen zu ergeben, bei denen Kandidat:innen mit opulenten Wissensvorräten glänzen können. Während manch erfolgsbringendes Konzept noch heute funktioniert, versuchen einige Sender verzweifelt, mit Reaktivierung legendärer Sendungen die Vergangenheit zurückzuholen. Dass der Erfolg zunehmend mit zeitgenössischer Anpassung und Mut zur großen Unterhaltung erfolgt, zeigen andere Quizshows, die sich in den letzten Jahren etablieren konnten.

Die Macht des Moderators


Seit mehr als 20 Jahren begleitet den treuen Couchpotato und Gelegenheitsschauer mit «Wer wird Millionär?» die Mutter aller Quizshows. Dass sich diese Adaption des global expandierenden Originals aus Großbritannien über einen derartigen Zeitraum halten kann, ist trotz des weltweiten Erfolges nicht selbstverständlich. Denn der konzeptionelle Aufbau von «Wer wird Millionär?» kennt keine Ländergrenzen: Mit dem purpur-blauen Design, der markanten Lichtsetzung und dem prägnanten Jingle hat sich das Quiz über das Medium Fernsehen hinaus in die kulturelle Wirksamkeit eingebrannt. Wer an Quizfragen denkt, hat eine Auswahlmöglichkeit von vier Antworten im Kopf. Wer an Joker denkt, überlegt, seinen alten Physiklehrer anzurufen. Und wer an Fragensteller denkt, denkt an diesen Mann im Anzug.

Dass die von Endemol Shine produzierte Sendung auch nach über 1500 Sendungen und weiteren zahlreichen Specials noch kein Ende findet, liegt maßgeblich an dem Gesicht der Sendung. Günther Jauch gehört seit mehr als drei Jahrzehnten zum Inventar der deutschsprachigen Abendunterhaltung. Angefangen als junger Radiomoderator schaffte er den Sprung über Stationen als Außenreporter in «Rätselflug» und Moderator von «Das aktuelle Sportstudio» zu der privaten Senderlandschaft. Während er die Führung bei dem früher gestarteten Nachrichtenmagazin «Stern TV» 2010 an Steffen Hallaschka abgab, blieb er seiner großen Liebe mit «Wer wird Millionär?» bis heute treu. Der gebürtige Münsteraner wird bei jährlichen Umfragen nach den beliebtesten Moderator:innen stets und überdeutlich auf den ersten Platz gewählt. Dass die männliche Dominanz im medialen Betrieb auch heute noch, und gerade bei Sendungen und Shows zur Primetime, die überhand hat, mag auch ein Teil der diskursiven Wahrheit sein. «Wer wird Millionär?» und Günther Jauch bedingen sich selbst als jahrelange Konstante für die Zuschauerschaft, doch die qualitative Finesse Jauchs wird durch seine scheinbare Omnipräsenz oftmals verschleiert.

Eine Ode an Günther Jauch


Der 66-jährige Entertainer besitzt eine für das Format notwendige Mixtur aus Ernsthaftigkeit und spielerischem Humor. So lassen schon Jauchs Kleidungsstil und die steife Manier auf eine seriöse Attitüde schließen. Auch hat sich das Siezen des Moderators mittlerweile als Running Gag kristallisiert, indem Kandidat:innen ihre Sätze gerne mit ,,Herr Jauch,…‘‘ eröffnen. Dennoch ist er sich nicht zu schade, um über sich selbst zu lachen, vermag er manchmal eine gewisse Albernheit an den Tag zu legen. Spontane Spielerein und spaßige Auftritte im Studio; sportliche Aktivitäten, bei denen er nicht immer die beste Figur macht oder einen diffusen Platztausch mit einer Kandidatin: Jauch kann seine oberflächliche Spießigkeit mit Leichtigkeit und Authentizität ad absurdum führen, ohne seinen dominanten Stand im Geschehen zu verlieren. (Auch wenn er Besagtes im Unterhaltungsform «Denn Sie wissen nicht, was passiert» manchmal etwas sehr ausreizt…). Während sein Kollege Jörg Pilawa im Ersten mit dem namensgebenden «Das Quiz» ein ähnlich klassisch-orientierte Ratesendung über zwei Intervalle (2001-2010; 2020-2021) leitete, fehlt ihm die nötige Balance, um die Ernsthaftigkeit der Sendung zu wahren. Pilawa, der Anfang 2022 zum Privatsender Sat1 zurückkehrte, ist außer Frage ein solider Showmoderator mit Humor und Verstand. Doch der punktgenaue Blick für die Integrität einer Sendung, welcher durch die Erfahrung gereift sein mag, unterscheidet Jauch von anderen Größen des deutschen Fernsehens.

Günther Jauch versteht «Wer wird Millionär?» und die Mechanismen, die eine Quizsendung zu bedienen hat. Nicht nur ein spannendes Spiel sorgt für die Unterhaltung, sondern auch die entsprechende Atmosphäre, die dieses Spiel umgibt. Der ehemalige Hörfunkmoderator wahrt seine authentische Art, indem er oft durchblicken lässt, wenn er Kandidat:innen mag oder auch überhaupt nicht leiden kann. Gerne hilft er den Leuten bei den frühen Fragen auf der Gewinnleiter, oder lässt sie entsprechend am Anfang in das Messer laufen. Gleichzeitig würde er niemals die Fairness – und die damit verbundene Spannung der Show – aufgrund von Sympathien aufgeben. Die Teilnehmer:innen von «Wer wird Millionär?» müssen sich die Gewinnsummen mit ihrem Wissen verdienen. Eine Quizshow wird nicht zur Unterhaltungssendung, indem die Unterhaltung den Rahmen eines Quiz trotzt, sondern durch das richtige Maß an Aufrichtigkeit zum Quizzen. Eine einfache Leitlinie, die in ähnlichen Formaten durch üppige Hilfestellungen gerne durchbrochen werden (erinnert sei an das fürchterliche QUIZ FÜR DICH, welches mit entsprechend miserablen Einschaltquoten abgespeist wurde). Günther Jauch schafft es, durch gar parenthetisches Auftreten, professionell durch eine Sendung dieser Größe zu führen und dabei – pathetisch ausgedrückt – Mensch zu bleiben. Diese Fähigkeit soll aber nicht über die Fertigkeiten seines Schaffens hinwegtäuschen. Die Benutzung der Stimme kann man als das unsichtbare Handwerk des Moderierens betrachten. Jauchs internalisierte Gespür für kommunikatives Timing, Intonation und emotionale Sprachlichkeit würde nur dann auffallen, wenn er es nicht beherrschen würde.

Denn beim Verlesen einer Frage, dem Auflösen einer richtigen (oder falschen) Antwort oder den privaten Gesprächen abseits der spielerischen Anteile, muss unmittelbar und möglichst intuitiv der richtige Grad an kommunikativen Mitteln gewählt werden. Als stumpfes Beispiel mag man sich kaum vorstellen, wie der Zauber verfliegen würde, wenn Günther Jauch die Millionenfrage nach nur zwei Sekunden auflösen würde (alternativ wäre sowieso eine Werbung entsprechend platziert).

Dass «Wer wird Millionär?» folgerichtig in die Jahre gekommen ist, wissen auch die Produzenten. Bereits 2005 optimierten sie das Spielprinzip, indem sie den vierten Joker hinzufügten, mit denen man einzelne Expert:innen im Saal befragen darf. Auch eine Bandbreite an Spezial-Ausgaben kann die Erfolgssendung mittlerweile verbuchen. Neben den halbjährlich ausgetragen Prominenten-Specials wurden mehrere Jubiläen ausgetragen und das Zocker-Special erfährt große Beliebtheit bei der Zuschauerschaft. Die Liste der Sondersendungen ließe sich endlos fortführen, denn Abwechslung wird auch bei alteingesessenen Fernsehkonstanten gefordert. Umso bemerkenswerter erscheint, dass auch die regulären Sendungen unter der Woche mit formidablen Quoten glänzen. Während andere Quizshows mit unterschiedlichen Konzepten hantieren, wird Günther Jauch wohl in 20 Jahren noch auf dem legendären Stuhl Platz nehmen. Die personenzentrierte Auslegung könnte zumindest einen Grund für die anhaltende Beliebtheit des Entertainers darstellen.

Narration und Charaktere


Das Studio verwandelt sich durch einen einschlägigen Lichtwechsel in ein blutrotes Gewand. Begleitet von einem epochalen Musikstück, tritt eine obskure Person mit sicheren Schritten in die Manege. Die Kamera fährt auf die Bedrohung in menschlicher Gestalt zu. Schnitt auf den Kandidaten. Mit schreckerfüllter Mine blickt das Opfer auf das Podest herauf und symbolisiert so in den ersten Sekunden die bevorstehende Unterlegenheit. Das markante Entree der Jäger und Jägerinnen bei «Gefragt – Gejagt» charakterisiert sowohl Konzept als auch Narration der abendlichen Quizsendung. Anders als bei «Wer wird Millionär?» wird nicht der Moderator der Schlüssel zum Erfolg, sondern es sind die Quizprofis im Wolfspelz. Bei «Gefragt – Gejagt» treten vier Kandidat:innen gegen stetig wechselnde Jäger:innen an, um sich in weitreichendem Allgemeinwissen zu messen. Für die angereisten Personen geht es um eine Menge Geld, für die Profis auf dem Hochsitz um die Quiz-Ehre. Auch die von Alexander Bommes begleitete Sendung gilt als Adaption eines internationalen Erfolgskonzept, in Großbritannien ist sie als «The Chase» bekannt.

Was der Originaltitel in Bezug auf die aktive Handlung der Jäger:innen sprachlich offenbart, geht durch die deutsche Übertragung verloren. Durch das partizipierte Adjektiv ,,gefragt‘‘ werden die Kandidat:innen als das Subjekt begriffen, bei der Jagd gilt logischerweise die jagende Person als Hauptdarsteller. Doch rückt man von der Linguistik ab, bleibt auch inhaltlich der Jagende und der Gejagte, der Täter und das Opfer. «Gefragt – Gejagt» hatte seine Premiere auf dem öffentlich-rechtlichen Lokalsender NDR und avancierte durch große Beliebtheit zu einem Zugpferd der Quiz-Unterhaltung. Seit 2015 ist die Sendung Teil des abendlichen Vorprogrammes vom ARD und wechselt sich dort mit dem artverwandten «Wer weiß denn sowas?» ab. Aufgrund der geringen Laufzeit weichen Tempo und Dynamik von abendfüllenden Spielshows ab. Es scheint also logisch, dass auch die antretenden Kandidat:innen weniger Sendezeit, und damit Aufmerksamkeit, bekommen. Bommes stellt die Gruppierung zwar einleitend vor und auch in den Schnellraterunden entlockt er ihnen private Details, für eine Identifikation reicht dies jedoch nicht aus. Worauf die Zuschauerschaft wartet, ist der Auftritt der Jäger:innen, wobei vorher nicht gewiss ist, wer der zu besiegende Experte sein wird. Bereits durch die räumliche Abwesenheit wird ein Mysterium um die Rolle der Jäger:innen gebildet. Auch das Einführen von Kampfnamen entwickelt den Charakter einer unbekannt-bekannten Macht: Sebastian Jacoby wird ,,Der Quizgott genannt; Klaus Otto Nagorsnik wurde aufgrund seines früheren Berufes ,,Der Bibliothekar‘‘ getauft und Adriane Rickel ist als ,,Die Generalistin‘‘ bekannt. Auch die Alter Egos der anderen Jäger:innen klingen, als wären sie einem Cluedo Spiel entnommen.

Mini-Horror im Quizkosmos


Das suspensvolle Setting passt sich dem Ablauf der Sendung an und lässt sich intermedial mit einem klassischen Horrorfilm vergleichen. Der bereits beschriebene Eintritt samt materieller Erhebung, pompös-orchestralen Thema und der biederen Bekleidung führt die Jagenden als Antagonisten ein. Auf der anderen Seite stehen die Protagonisten, für die man die Daumen drückt, da sie als ,einfache‘ Personen die Möglichkeit bekommen, Geld zu gewinnen und die mächtigen Kontrahenten zu besiegen. Die Jagd an sich wird durch das Studio-Setting visualisiert: Sobald die Jäger:innen eine Stufe auf die Kandidat:innen aufholen, wechselt die Farbe von blau auf rot. Sobald die letzte Stufe der Geld-Leiter rot gefärbt ist, scheidet die Person aus. Metaphorisch ausgedrückt jagt der Serienkiller sein Opfer so lange, bis er es ausgeschaltet hat, wobei die blutrote Visualisierung eine Analogie sowohl für Gefahr als auch das Blut im Slasher darstellt. Natürlich kann man Klussmann, Kinne & Co. nicht als Bond- Bösewichte betrachten, die mit diabolischem Gelächter die Welt brennen sehen wollen. Außer der entsprechenden Aufmachung und der partiellen Rollenfindung der Jäger:innen, findet man wenig Fiktionalisiertes in «Gefragt – Gejagt». Die eigentliche Macht wird durch das enorme Wissensvermögen und den entsprechenden Ehrgeiz geschaffen. Doch im Mikrokosmos einer Fernsehsendung findet die Narration eines Slashers in Bezug auf Darstellung und Wirkung vergleichende Bezüge. Die Chance, als teilnehmendes Panel mit einem Erfolg aus der Show zu gehen, liegt bei weniger als 30% und demonstriert faktisch, dass aus dieser unheilvollen Hütte im Wald kaum ein Entkommen ist. Selbst das charakteristische final girl (in Persona der übrig gebliebenen Kandidat:innen) findet meist im Endspiel der Show sein eiskaltes Ende.

Am ehesten vergleichen lässt sich das Konzept mit dem «Quizduell-Olymp». Die auf der gleichnamigen App basierende Sendung teilt sich mit «Gefragt – Gejagt» den Sender und wird stets freitags im Anschluss ausgestrahlt. Anders als bei «Gefragt – Gejagt» ringt ein prominentes Duo mit den Fragen aus verschiedenen Kategorien, wobei die Gegnerschaft ebenfalls aus Expert:innen, hier ein konstanter Dreierverbund, besteht. Die Riege der Quiz- Veteranen, u.a. der erste «Wer wird Millionär?»-Gewinner Eckhard Freise, werden durch die Bezeichnung Olympionik sprachlich erhöht und auch die Kampfnamen ziehen sich durch diese Show (,,Quizkönigin‘‘, ,,Professor Quiz‘‘ und ,,Quiz-Ass‘‘ zieren die Bauchbinden des Ensembles). Was die Sendung von «Gefragt – Gejagt» unterscheidet, ist die angesprochene fiktionalisierte Aufmachung, die bei «Quizduell-Olymp» gänzlich fehlt. Die Wissensleistung lässt sich zwar kaum von dem der Jäger:innen unterscheiden, doch narrative Elemente, die «Gefragt – Gejagt» in ihrer Lakonie auszeichnen, gehen bei diesem Ableger (auch aufgrund des freundschaftlichen Miteinander) verloren. «Quizduell-Olymp» darf dennoch als kurzweiliges, unterhaltsames Format angesehen werden, bei denen die Varianz der Kategorien für den nicht unerheblichen Faktor des Mitratens sorgt. Auch Esther Sedlaczeks Übernahme im Sommer 2022 ist eine willkommene Abwechslung im Alte-Weiße- Männer dominierenden Feld der Quiz- und Unterhaltungssendung. Bei dem Lob für das Erfolgskonzept von «Gefragt – Gejagt» sollte Moderationskollege Alexander Bommes auch nicht zu kurz kommen. Zum einen aus einer pragmatischen Sichtweise, so verfügt der Sportjournalist und Ex-Handballer über die Fähigkeit, sehr schnell zu lesen, was für die Spielleitung obligatorisch ist. Auf der anderen Seite bildet er das ideale Bindeglied zwischen Kandidat:innen, bei denen er Aufrichtigkeit und Menschlichkeit zeigt, und den Jäger:innen, mit denen er eigene, humorvolle Fehden austrägt und dabei nie den Respekt für die Leistung verliert.

Samstagabend im neuen Gewand


Viele Gesichter der angeführten Sendungen haben ihren Ursprung in einem Format bekommen, dass sich selbst als das Härteste Quiz Deutschlands beschreibt: «Der Quiz-Champion» läuft seit 2012 im ZDF (anfangs noch unter dem Titel «Der Super-Champion» von Jörg Pilawa moderiert) und wird in unregelmäßigen Abständen zur Primetime ausgestrahlt. Den selbstbewussten Slogan trägt die Show unter Johannes B. Kerners Leitung, da für die Teilnahme ein ,,sehr gutes Allgemeinwissen‘‘ vorausgesetzt wird. Unter den vergangenen Teilnehmer:innen und Gewinner:innen reiht sich eine Reihe von Quiz- Profis ein, die sich später auch in der Fernsehlandschaft einen Namen machen sollen. Als Beispiel seien hier Holger Waldenberger («Gefragt – Gejagt») und Marie-Louise Finck («Quizduell-Olymp») genannt, die jeweils ihre Runde für sich entscheiden konnten. Durch das Wording und die faktische Auswahl zeigt sich bereits, dass diese Samstagabend-Show ihren Charakter durch wahren Quizkampf definiert. Denn obwohl auf der gegenüberliegenden Seite eine Auswahl von Prominenten sitzt, die es zu bezwingen gilt, kann man das Konzept nicht als einfache Aufgabe für die Veteranen des Wissens abtun. Die Herausforderer:innen muss die fünf prominenten Experten:innen in ihren jeweiligen Spezialgebieten schlagen, um 100.000€ zu gewinnen. So versucht Bastian Pastewka die Kategorie Film und Fernsehen, Marcel Reif Sport oder Anna Thalbach Literatur und Sprache zu verteidigen.

Die teilnehmenden Personen lernt man durch eine kurze Vorstellungs-MAZ kennen, in der das breite Wissen der Kandidat:innen durch einen Schwenk in ihr alltägliches Leben vorgestellt wird. Durch dieses interfilmische Mittel lernt die Zuschauerschaft die Auserwählt:innen kennen und die Säulen für eine erleichterte Identifikation sind gestellt. Der Showcharakter der abendfüllenden Sendung unterscheidet sich von ähnlichen Konsorten wie «Gefragt – Gejagt» oder «Quizduell-Olymp». Die zeitliche Spanne ermöglicht nicht nur eine ganze Riege von Kandidat:innen über den Abend verteilt, sondern auch Talks abseits des Spiels zwischen Teilnehmer:in, Moderator und VIP-Rateteam werden zu einer unterhaltenden Komponente der Show. Das Gefühl von Samstagabend zieht sich wegen Sendungen wie «Wetten, dass..?» oder «Verstehen Sie Spaß?» durch die deutsche Fernsehgeschichte. Mit «Der Quiz-Champion» wird diese üppige Prozedur mit dem anhaltenden Erfolg von Quizwettkämpfen gepaart. Auch wenn die meisten Kandidat:innen wie ,normale‘ Mitbürger präsentiert werden, müssen sie sich den erwähnten Teilnahmebedingungen stellen. Nicht selten sind sie im Quizverein angemeldet und in den Kreisen des Wissens bekannt.

Zelebrieren des Wissens


Das Zelebrieren des Wissens steht bei «Der Quiz-Champion» mehr als in jeder vergleichbaren Sendung im Vordergrund. Es geht weniger darum, dass diese Menschen ein ausgeprägtes Wissen durch verschiedene Interessen aufweisen; ihr Interesse gilt dem Wissen. Angefangen bei harmlosen Sendungen wie «Die Pyramide», bei der sich Bürger in einer ungewohnten Atmosphäre ihr Taschengeld aufbessern konnten, wirkt diese Sendung wie die Krönung der (Quiz-)Schöpfung. Nicht selten preist Kerner das unfassbare Wissensvermögen der Kandidat:innen und hievt damit die Sendung allgemein an die Spitze. Die prominenten Besetzungmitglieder:innen, die sich als Meister in ihrem jeweiligen Fach ausgeben, werden durch eine Macht mit unbändigen Fähigkeiten herausgefordert. Um den Quiz-Kosmos mit Quentin Tarantinos «Kill Bill» zu vergleichen: Der Teilnehmende wird zu dem Äquivalent von Uma Thurmans gespielten Charakter Beatrix Kiddo, die die fünf Mitglieder des Deadly Viper Assassination Squad ausschalten muss, die allesamt gefürchtete Killer sind. Doch am Ende besiegt sie die Gruppe durch ihre angeeigneten Kampfkünste. Auch die Quizzer müssen ihr angeeignetes Wissen, ähnlich hart erlernt wie Die Braut bei Meister Pai Mei, anwenden, um schlussendlich siegreich dazustehen. Ähnlich fiktionalisiert wie die Auswüchse des Kult- Regisseurs wirkt das Konzept von «Der Quiz-Champion» Denn auch wenn die Zuschauerschaft eine theoretische Chance auf eigene Teilnahme hätte, das angeforderte Wissen wird wohl für immer unerreichbar bleiben. Die Identifikation funktioniert so gut, weil sie praktisch nicht erreichbar ist.

«Der Quiz-Champion» ringt sich zu einer tragenden Instanz der Fernsehlandschaft, dagroße Samstagabend-Unterhaltung und unerschütterliches Quizzen vereint wird. Durch die (meist) gut besetzte Runde an prominenten Vertreter:innen und Johannes B. Kerners Liebe für das Konzept wird eine stimmige Atmosphäre erzeugt, die die Kandidat:innen mit ihrem Wissenswillen um die Ernsthaftigkeit ergänzt. Das Format in Spielfilmlänge wird zu einem Epos des Quizzens, das schon einige triumphierende Krieger hervorgebracht hat, die sich nun andere Fernseh-Festungen errichtet haben, um die Macht des Wissens auf ihrem Wappen zu tragen.

Ein neuer Player im Game


Nicht wenig verwunderlich war, dass Florida Entertainment Anfang 2021 mit einer eigenen Quizsendung ins Rennen um Unterhaltungsprestige einstieg. Mit «Wer stiehlt mir die Show?» legte die Produktionsgesellschaft rund um Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt ein Erfolgskonzept hin, das sich als enormer Quotenhit entpuppte und schon fünf Staffeln umfasst. (Aktuell steht schon die nächste Runde in den Startlöchern und soll im Herbst ausgestrahlt werden). In der von Joko moderierten Sendung versuchen ein prominentes, dreiköpfiges Panel und ein Wildcard-Gewinner, dem 44-jährigen Showmaster die Leitung zu entrinnen. Schafft es ein Teilnehmender nach den zahlreichen Spielrunden bis an die Spitze und besiegt zusätzlich den aktuellen Moderator im Finale, darf die Person das vollständige Kommando über die nächste Sendung übernehmen.

Formate der beiden ehemaligen VIVA-Moderatoren und ihrem kreativen Team zeichnen sich optisch durch die filmische Ästhetik aus, die zwar meist schlichte Referenzen an Film und Serien adaptiert, für das Format einer Fernsehsendung qualitativ jedoch das Bestmögliche offenbart. Die Entwicklung von «MTV Home» zu «Neo Paradise» bis hin zu «Circus HalliGalli» war nicht nur inhaltlich, sondern auch inszenatorisch, ermöglicht natürlich u.a. durch finanzielle Anpassungen, eine der prägnantesten in der Fernsehgeschichte der 2000er Jahre. In «Wer stiehlt mir die Show?» wird diese Leistung anhand von Bühnenbild, Licht- und Tonführung, Kostüm und der intermedialen Inszenierung fortgesetzt. Inhaltlich wird die opulente Aufmachung mit unfassbar abwechslungsreichen Spielen garniert, die sich nicht nur strukturell unterscheiden, sondern vor allem Raum für kreative Ausbrüche jeglicher Art lassen. Es fällt schwer, die Fülle an Ideen in kompakter Form darzustellen, da simpel gestrickten Buzzer- oder Ratespielen nicht vorzufinden sind. Besonderes Highlight stellt die Band und Sängerschaft dar, die in einer Runde z.B. jeweils nur ein Wort singt, wobei die Kandidat:innen daraufhin den passenden Songtitel erraten müssen. Negativbeispiel bei der Spielauswahl wäre «Denn Sie wissen nicht, was passiert» auf Konkurrenzsender RTL, bei der sich Jauch, Gottschalk und Schöneberger durch altbackene Quizrunden oder peinliche Spiele im Kostüm kämpfen müssen. Durch die steigende Anzahl an Staffeln scheinen sich die Spiele bei «WSDMS» allmählich (und notgedrungen) zu wiederholen, dem Unterhaltungswert schadet das nur geringfügig.

Mehr als nur Quiz


Darüber hinaus verbindet die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Show alles: Ein stets ausgewogenes und gut aufgelegtes Panel interagiert in einem nicht festgefahrenen und trotzdem bis ins Detail produzierten Format mit Joko als Moderator, der maßgeschneidert wie seine bunten Anzüge in die Show passt. Dass selbst anarchische Momente wie perfekt koordinierte Stränge des Showkonzepts wirken, ist das größte Kompliment, das man den Machern von «Wer stiehlt mir die Show?» machen kann. Wenn Fahri Yardim, Anke Engelke oder Teddy Teclebrhan innerhalb der Sendung das Geschehen mit individuellen Ausbrüchen stören, dann ist das ein erwünschtes Kalkül im besten Sinne. All die erfolgsgebenden Eigenschaften der vorangegangenen Sendungen frühstückt «Wer stiehlt mir die Show?» wie im Autopilot ab: Der Showcharakter begleitet die groß aufgezogenen Sendungen von Florida TV wie ein Muster und bietet ideale, abwechslungsreiche Unterhaltung über den ganzen Abend hinweg. Durch Addition eines Wildcard-Teilnehmers findet die Möglichkeit für Identifikation einen Platz und bietet darüber hinaus Potential für Überraschungen. So kam es in vergangener, fünfter Staffel zum ersten Mal dazu, dass eine Wildcarderin eine Sendung gewann und damit als unerfahrene Normalsterbliche durch den Abend als Moderatorin führen durfte. Ein gewünschter Spannungsbogen wird durch das kontinuierliche Ausscheiden der letztplatzieren Teilnehmer:innen ermöglicht, der in einem Finale – moderiert von der wunderbaren Katrin Bauerfeind – mündet und einen weiteren konzeptuellen Unterschied darbietet. Große Stärke der Produktion(en) stellt zudem das Einbinden digitaler (Sub-)Kulturen dar, bei Twitter haben Joko & Klaas eine absurd große Fanbasis und der Hashtag der Sendung grüßt in den Trends immer von oben. Interaktivität und Intermedialität reichen sich die Hand und äußeren sich in Reaktionen, Kommentaren, Memes. Lediglich die Ernsthaftigkeit des Quizzens lässt sich an manchen Stellen missen, so hilft sich insbesondere das prominente Trio regelmäßig. Da «Wer stiehlt mir die Show?» durch die Fülle an Mechanismen über eine festgefahrene Quizshow hinausgeht, lässt sich dieses Augenzwinkern entschuldigen. Dazu gehört auch, dass die Macher:innen zur Wahrung der idealen Unterhaltung ihr gewünschtes Ausgangsziel gerne herbeizwingen – doch Schluss mit den Verschwörungstheorien.

Pragmatisch, kreativ, überraschend, pointiert. Man kann durchaus kritisch zu einigen Formaten des Fernseh-Duos stehen, doch die Entertainer haben zum idealen Zeitpunkt eine tadellos aufgemachte, perfekt durchdachte und ungezwungen-unterhaltsam besetzte Quizshow aufgezogen, worüber man Austragungssender ProSieben nur beglückwünschen kann. Auszeichnungen wie den Deutschen Fernsehpreis, die Goldene Henne und den renommierten Grimme-Preis konnte «Wer stiehlt mir die Show?» bereits gewinnen, die Meinung der Kritiker:innen deckt sich mit dem enormen Publikumserfolg. Unter dem Titel «Stealing the Show» wurde die Erfolgsidee bereits an Großbritannien und die Niederlande verkauft. Dass deutsche Formate auch im Ausland adaptiert werden, ist zwar kein Novum, aber in der hiesigen Fernsehlandschaft ein viel zu selten auftretendes Phänomen. Anhand der meisten Quizshows lässt sich begutachten, dass der Einkaufsweg die gängigere Erfolgsgarantie darstellt. Zuletzt gab es die Symbiose aus Qualität und Erfolg in dieser Form bei «Schlag den Raab», das auch in zahlreiche Länder verkauft wurde. Und in diese Riege darf sich «Wer stiehlt mir die Show?» durchaus gesellen.

Weniger Quote, mehr Mut!


Dass Quiz- und Rateshows aktuell ein großes TV-Comeback erleben, zeigen Neuauflagen von Retro-Formaten wie «Jeopardy» oder «Die Pyramide». Da die Produktion solcher Inhalte vergleichsweise kostengünstig ausfallen, wird das Risiko so gering wie möglich gehalten. Die Sender scheint es nicht zu tangieren, dass diese Sendungen aus der Zeit gefallen sind und als repetitive Programmfüller dienen. Selbst einstige Kultshows wie «Genial daneben» , die aus der Feder Hugo Egon Balders stammt, werden zeitweise durch Anpassungen in eine monotone Quizsendung transformiert. Innovative Ideen werden entweder aus dem Ausland adaptiert oder finden ihren Platz erst gar nicht in das Programm, da gewünschte Quoten nicht erreicht werden. Kreative Unterhaltungssendungen wie «Wer stiehlt mir die Show?» sind eine luxuriöse Ausnahme und können anscheinend nur mit variabler Reputation realisiert werden. Besonders die öffentlich-rechtlichen Sender stehen für ihr Auswahl an Produktionen als auch ihre nur scheinbare Unabhängigkeit oft in der Kritik. Mehr Mut für ein neues Rate- oder Quizformat abseits der bekannten, konservativen Normen wäre ein gern gesehener Anfang.

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