Sonntagsfragen

Sonntagsfragen an Peter Frey (Teil II)

von
ZDF-Hauptstadtstudioleiter Peter Frey ist auch an diesem Sonntag unser Gesprächspartner: Mit Manuel Weis unterhielt er sich über die große Koalition und die dadurch entstehenden Probleme der Berichterstatter, aber auch über politische Inhalte im Privatfernsehen.

Es heißt, dass es durch die große Koalition noch schwieriger für Politmagazine geworden ist, weil einfach weniger Konfliktpotential vorhanden ist…
…das stimmt.

Liegt es wirklich nur an der kleineren Opposition?
Die Opposition dringt in der Tat mit ihren Konzepten nur schwer durch. Das liegt aber auch an ihr selbst. Die Grünen müssen sich erkennbar noch vom Regierungsverlust erholen – sie müssen sich neu aufstellen. Die Linkspartei kümmert sich vorwiegend um sich selbst, weil sie erstmal schauen muss, was mit der WASG passiert und wie diese Kulturen zusammenpassen. Und die FDP hat schwer damit zu kämpfen, dass sie nach so vielen Jahren Opposition wieder nicht mitregiert. In der dritten Legislaturperiode wieder nicht dabei zu sein, ist für die FDP eine fast schon existenzielle Gefahr. Aber: Große Koalition, das bedeutet eben eine Verminderung von Konflikten. Merkel und Müntefering sind ganz systematisch damit beschäftigt, Differenzen zwischen Union und SPD klein zu halten. Das macht es vor allem dem Fernsehen ganz schwer, Politik zu greifen. Unser Medium ist nun mal eines der Auseinandersetzung von Personen. Und wenn die sich dieser Auseinandersetzung nicht stellen, dann haben wir – vor allem die Talk-Shows - ein Problem. Aber auch die Politik hat ein Problem. Ich kann ja verstehen, dass man eine Erholungsphase nach Schröder und Fischer brauchte, dass das Publikum die Ruhe der ersten Merkel-Monate genoss. Aber Konflikt ist auch eine Methode, die Menschen in Diskussionen mit einzubeziehen, sie zu beteiligen. Deshalb sollte die Koalition nicht alles unter den Teppich kehren. Das Volk muss mitbekommen, worüber diskutiert wird!

Es hieß auch, eine große Koalition würde die politischen Ränder stärken – sowohl links als auch rechts. Gerade auf der rechten Seite hat man, wenn man sich die diversen fremdenfeindlichen Übergriffe anschaut, das Gefühl, dass dies zutrifft.
Ich bin da nicht so pessimistisch. Natürlich sind diese Vorkommnisse besorgniserregend und ärgerlich. Dass damit aber verbunden wird, dass eine große Gruppe von Deutschen rechtsextrem sei, ist falsch. Gott-sei-Dank führen die Wahlerfolge der rechten Parteien – vor allem im Osten – ins politische Nichts. Ich hoffe, dass das auch so bleibt. Es hängt natürlich auch davon ab, dass das etablierte System und die großen Parteien sich als leistungsfähig erweisen. Konkret heißt das: Probleme im Interesse der Mehrheit lösen, Arbeitsplätze schaffen.

Was muss eine gute Politsendung beinhalten?
Sie muss aktuell sein, also das behandeln, was an diesem Tag oder an diesem Wochenende geschieht. Die Mischung muss stimmen. Es sollte nicht nur Parteipolitik darin vorkommen, sondern auch Alltagspolitik. Wie wirkt sich die Politik für Familien aus? Wie für Alleinstehende? Und wir sollten den Blick nach draußen nicht vergessen und auch über unsere Grenzen hinausschauen, vor allem zu unseren Nachbarn im Osten. Die Welt dreht sich unglaublich schnell und Deutschland ist in Gefahr, sich abzukoppeln.

Haben politische Inhalte im Privatfernsehen eine Chance, wenn man von den Nachrichten mal absieht?
Sie haben eine deutlich geringere Chance als bei uns. Das Informations- und Nachrichtenangebot im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen ist ja ein „Rund-um-die-Uhr“-Angebot. Vom «Morgenmagazin» bis «heute-nacht» senden wir fast stündlich Nachrichten, bieten jeden Tag Magazinflächen, wo unterschiedlichste Themen behandelt werden. Ich will die privaten Kollegen nicht schelten, weil sie in ihren Nachrichtensendungen anständige Arbeit leisten. Aber darüber hinaus bieten sie eben kaum Vertiefung. Es ist eine erfreuliche Entwicklung in den vergangenen Jahren, dass derjenige, der sich verlässlich über Tendenzen in der Welt, in der Politik, in der Wirtschaft und der Gesellschaft informieren will, bei ARD und ZDF immer noch am besten aufgehoben ist.

Ihr ehemaliger Kollege Thomas Kausch macht seit fast drei Jahren die Nachrichten bei Sat.1. Mit großen Erfolg – wenn man die Quoten betrachtet. Hat er gute Arbeit geleistet?
Ich kann das nicht wirklich beurteilen. 18.30 Uhr ist für mich keine Nachrichtenzeit und ich glaube, darunter leidet er auch.

Der Papst war im vergangenen August beim Weltjugendtag in Köln, Sie haben davon berichtet. Was ist Ihr Eindruck von ihm? Macht er seine Sache gut?
Er überrascht viele, weil er nicht mehr der strenge Glaubenshüter ist, der er früher einmal war. Er wendet sich spürbar mehr den Menschen zu. In Polen hat er die Herzen regelrecht erobert und zwar durch eine ganz auffällige Bescheidenheit, wenn man an die Bilder denkt, die wir aus Auschwitz gesehen haben, auch von den Gesprächen mit KZ-Überlebenden. Er hat andere Kirchen eingeladen, in diesem Lager mit ihm zu beten. Das sind Zeichen der Demut einer Kirche, die sich über Jahrhunderte hinweg als triumphale Kirche gesehen hat. Ob er am Ende ein großer Papst sein wird, wie Johannes Paul II. es war, oder doch eher ein Übergangspapst, das ist noch offen. Er wird jetzt vor allem ein paar Probleme aus dem Weg räumen, die Johannes Paul II. eben nicht lösen konnte, z.B. die Beziehungen zu China und Russland, aber auch Fragen, wie die Kirche zu Aids und Kondomen steht. Daran arbeitet er, um seinem Nachfolger, womöglich dem ersten Papst aus der dritten Welt, den Weg freizumachen.

Waren Sie ein Befürworter eines Afro-Amerikanischen Papstes?
(lacht) Man wird ja als normaler Gläubiger nicht gefragt, sondern muss sich damit zufrieden geben, was die Kardinäle in der Konklave entscheiden. Ich hätte es spannend gefunden, wenn wir einen schwarzen Papst erlebt hätten oder wahrscheinlicher noch einen Latein-Amerikaner. Aber auch die Kirche ist ein Organismus, der Zeit braucht. Und für diese Übergangszeit ist die Wahl Benedikts ein guter Fingerzeig Gottes gewesen. Vielleicht auch deshalb, weil ausgerechnet ein Deutscher auf einen Polen folgte. Das ist angesichts der engen aber auch schwierigen Geschichte, die unsere Völker verbindet, etwas Überraschendes und Schönes. Wenn man erlebt, wie Hunderttausende in Polen dem Papst zuriefen: „Wir lieben Dich“, - und das auf Deutsch – dann ist das ein Zeichen der Versöhnung gewesen. Es gab nie einen Deutschen, der den Polen näher stand als dieser Papst. Dass die Kirche das am Ende ermöglicht hat, kann unseren beiden Völkern nur gut tun.

Allerdings: Ich hätte mir in seiner Rede in Auschwitz deutlichere Worte über die Mit-Verantwortung der Deutschen am Nationalsozialismus gewünscht. Es war nicht nur eine „Schar von Verbrechern“, die eine Katastrophe über Europa brachte. Wir wissen heute doch, dass viele beteiligt waren, und dass viele wussten, was geschieht. Auch ein kritisches Wort zum kirchlichen Anti-Judaismus wäre – gerade an diesem Ort – angebracht gewesen.

Freuen Sie sich, wenn Benedikt im September nach Bayern kommt?
Als Journalist beobachte ich das und erlebe all das neugierig mit. Ich bin aber etwas verwundert, dass er bei seinem nunmehr schon zweiten Besuch nicht auch in die Hauptstadt kommt. Berlin und den protestantischen Norden oder den atheistischen Osten so links liegen zu lassen, ist schade. Aber Bayern ist seine Heimat und er hat in seinem Alter das Recht, sich auf seine Heimat zu konzentrieren.

Sie arbeiten seit fast 25 Jahren für das ZDF. Sie haben zu Beginn die Reihe «Was nun,…» verantwortet, waren beim «Morgenmagazin» Frühaufsteher und sind jetzt Hauptstadtstudioleiter in Berlin. Was war die schönste Zeit?
Was ich jetzt sage, klingt, als wollte ich einer Antwort ausweichen. Aber das ist nicht der Fall. Alles war auf seine Art und Weise schön. Ich war persönlicher Referent unseres Chefredakteurs Klaus Bresser – und die Zusammenarbeit mit einem so hervorragenden Stilisten war für einen Anfang-Dreißiger eine manchmal harte aber auch sehr, sehr lehrreiche Zeit. Das «Morgenmagazin» war schrecklich, was das frühe Aufstehen angeht. Wenn fünfmal hintereinander der Wecker um Viertel vor vier klingelte, dann ist man am Freitag nicht mehr wirklich von dieser Welt. Aber mit so einer jungen Crew ein solches Magazin aufzubauen, das kam mir damals wie das letzte Abenteuer im deutschen Fernsehen vor. In der Außenpolitik hatte ich das Privileg, rund um den Globus zu reisen. Von San Diego über Bagdad nach St. Petersburg und übers Mittelmeer zurück. Super! Und jetzt beobachte ich hier in Berlin die politische Spitze – ganz aus der Nähe. Gibt es für einen Journalisten eine interessantere Aufgabe? Vielleicht sitze ich mit 67 in einem Lehnstuhl ... und dann sprechen wir wieder miteinander.

Sie haben Anfang der 90er auch über den Golfkrieg berichtet. Das ist jetzt inzwischen etwa 15 Jahre her. Mich würde jetzt interessieren, ob es Bilder gibt, die Sie heute noch verfolgen?
Ja, die gibt es schon. Ich werde nie vergessen, wie dieser Krieg mit einem Tag Verzögerung begann – die Amerikaner haben Saddam Hussein damals noch einen Tag Galgenfrist gewährt. Wir haben also alle gewartet und nichts ist passiert. Ich werde nie vergessen, wie sich diese USA in den folgenden Wochen verwandelt haben – wie plötzlich überall gelbe Schleifen in Erinnerung an die ums Leben gekommenen Soldaten zu sehen waren und es in der Berichterstattung schwierig wurde, Distanz zu wahren. Im 2. Golfkrieg wurde das für die amerikanischen Kollegen noch problematischer. Ich werde aber auch diesen merkwürdigen, ölverschmierten Kormoran nie vergessen. Die Fernsehnachrichten sagten damals, das sei ein Vogel von der kuwaitischen Küste, der wegen der brennenden Ölquellen qualvoll stirbt. Es stellte sich aber heraus, dass der Vogel aus irgendeinem Archiv herausgeschnitten wurde und eigentlich ein Opfer einer Ölpest in Alaska war. Da habe ich gelernt, dass man niemandem trauen darf und immer prüfen muss, woher das Material, das man verwendet, eigentlich stammt.

Zum Abschluss stellen wir unseren Interviewpartnern kurze Fragen um etwas mehr über die Person zu erfahren.
Herr Frey, bei welcher Sendung schalten Sie sofort weiter?

Beim Tele-Shopping.

Beschreiben Sie sich mit drei Worten.
Ich nenne Ihnen drei Eigenschaften: Neugierig, manchmal zu freundlich, beharrlich.

Wo würden Sie jetzt gerne Urlaub machen?
An der Ostsee, auf der Halbinsel Darß.

Hat das einen bestimmten Grund?
Da kenne ich mich aus und weiß: Sobald ich die Koffer ausgepackt habe, fängt die Erholung an. Neues zu erobern und mich in fremden Situationen zurecht zu finden… das mache ich in meinem Beruf häufig genug.

Haben Sie einen Lieblingssong?
Ich bekenne mich schuldig, ein hoffnungsloser Fan von Klaus Hoffmann zu sein.

Welche Eigenschaft mögen Sie an Politikern nicht?
Wenn sie hintenrum anders reden als vorne herum.

Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.

Kurz-URL: qmde.de/15269
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