Interview

‚Es gibt inzwischen mehrere sehr gute Doku-Formate‘

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Der Rettungssanitäter hat mit “Die 8-Minuten-Entscheidungsmethode“ ein Sachbuch über die richtige Rettung geschrieben. Für Quotenmeter schätzt er die Arbeit der Produktionsfirmen in Sachen Hilfeleistungen ein.

Hallo Herr Emrich! In Ihrem Buch „Die 8-Minuten-Entscheidungsmethode“ geben Sie einen Einblick in zahlreiche Methoden Feuerwehren. Was ist in diesen acht Minuten besonders wichtig?
Die Entscheidung in acht Minuten herbeizuführen erfordert Training und vor allem volle Konzentration auf die eine Thematik, die es zu lösen gilt. Die beste Lösung erreicht man mit einem möglichst gemischten Team. Klare Moderation mit Blick auf die Uhr, da man grundsätzlich gegen die Zeit arbeitet. Das gilt im Einsatz, im Beruf wie auch im privaten Alltag. Mit dem bewussten nehmen von Zeit hat man plötzlich sehr viel Zeit und verliert sich nicht in Alltagshektik. Eine rückwärts laufende Uhr, die die Zeit visualisiert (z.B. Time Timer), wirkt hier Wunder und sorgt für Disziplin.

Wie zufrieden sind Sie mit der Darstellung der Feuerwehr in zahlreichen Doku-Formaten? Oftmals wird die Wiederbelegung gezeigt, doch damit ist die Krise meist ja noch nicht überstanden?
Es gibt inzwischen mehrere sehr gute Doku-Formate, die das echte Feuerwehr-Leben zeigen. Dadurch hat die Bevölkerung einen realistischen Einblick in die kritischen wie auch unkritische Momente im Einsatz. Genauso wichtig aber auch ist Zusammenhalt über sozialen Faktoren wie gemeinsames Kochen und Essen, um schwere Situationen durch Gespräche verarbeiten zu können. Die Nachbereitung und Vorbereitung fehlen leider dann, wenn nur der Einsatz gezeigt wird. Dieser ist natürlich der Punkt auf dem I. Jedoch ist die Vorarbeit wie auch die Nacharbeit mindestens so wichtig. Denn ohne Fahrzeugbeschaffung, Ausbildung, Training und Less learn kann kein Einsatz funktionieren. Oder es wird sehr sehr gefährlich.

Wie gut spiegeln die Fernsehsendungen und Filme die tatsächlichen Herausforderungen und Gefahren wider, denen Feuerwehrleute täglich begegnen? Schließlich besteht Ihre Arbeit nicht nur aus Feuer löschen und Notversorgung?
Das ist absolut richtig. Man muss deutlich unterscheiden zwischen Dokumentationen und Filmen. Filme entsprechen meistens recht wenig der Realität und decken meist Klischees ab.

Die Dokumentationen, welche echte Feuerwehrteams im Einsatz begleiten, zeigen den Einsatz. Den Alltag mit den Standardeinsätzen einer Berufsfeuerwehr bringen nur wenige Formate rüber. Denn die große Kunst ist es ja, im Beruf wie privat im Leben, vom Alltag in die kritische Situation einzusteigen. Diese zu erkennen und dann vollen Fokus auf die Gefahrenabwehr zu legen.

Sehr gute Arbeit auch im Sinne der Wissensvermittlung für Bevölkerung und die über 1 Million Feuerwehrfrauen und -männer hat das engagierte Doku-Team um Regisseur Daniel Harrich für die ARD geleistet. Diese haben uns als Feuerwehren zudem eine Kompaktfassung mit fachlichen Themen für die Feuerwehren zur Verfügung gestellt. Da lohnt sich der Aufwand natürlich doppelt für alle Beteiligten.

Welche häufigen Fehler oder Missverständnisse sehen Sie in der Darstellung von Feuerwehrarbeit in den Medien?
Mir geht es weniger um Fehler, sondern viel wichtiger ist die Unterscheidung zwischen Klischee behafteten Filmen und Serien. In der Realität gibt es nicht „den einen Helden“ wie Feuerwehr Sam oder einen braun gebrannten muskelbepackten Helden. In der Realität geht es nur über die Teamleistung. Diese ist im Normalfall so stark wie das schwächste Glied in der Teamkette. Deshalb braucht es das Training und den starken Zusammenhalt. Der echte Alltag steht daher in einem meist großen Gegensatz. Das gilt für die Standard-Einsätze im Alltagsbetrieb, genauso wie für besondere Situationen im Einsatz.

Wie realistisch sind die gezeigten Einsätze und Rettungsaktionen in Bezug auf die verwendeten Techniken und Ausrüstungen?
Die professionellen Dokumentationen zeigen sehr gut die heutige Technik, Kommunikation und Zusammenarbeit von verschiedenen Partnern in der Gefahrenabwehr. Insbesondere, wenn es um die Schnittstelle zwischen Feuerwehr und Rettungsdienst geht. Nur wenn diese funktioniert, kann auch effektiv gerettet werden. Die Rettung endet in der Klinik. Die Kette vom Unfallort bis zur Klinik muss unterbrechungsfrei funktionieren, die kleinen Zeitfenster eingehalten und regelmäßig trainiert sein von allen Beteiligten.

Wird die physische und mentale Belastung, der Feuerwehrleute ausgesetzt sind, im Fernsehen Ihrer Meinung nach adäquat dargestellt?
Die psychische Belastung ist inzwischen normales Thema und auch in der Ausbildung sehr gut integriert. In den TV-Formaten wird durchaus nachgefragt und die Kolleginnen und Kollegen können immer adäquat darauf antworten. Das war vor 20 Jahren noch deutlich anders.

Wie akkurat sind die Szenen, in denen Feuer gelöscht oder Menschen aus brennenden Gebäuden gerettet werden?
In den Dokumentationen wird es dargestellt, wie es auch in echt ist. Die Menschenwürde wird gewahrt und die Verletzten nicht direkt oder nur getrübt gezeigt. Das finde ich gut und richtig so. Denn auch hier ist zu beachten: Jede verletzte oder getötete Person hat Angehörige und entsprechende Betroffenheit. Nicht nur bei uns Einsatzkräften, sondern noch viel mehr bei den Familien.

Haben Sie jemals als Berater an einer Fernsehproduktion mitgewirkt, um die Authentizität zu erhöhen? Wenn ja, wie war diese Erfahrung?
Ich habe selbst einen Teil einer fachlichen Serie produziert und inhaltlich konzipiert, in der es um die Belüftung von Gebäuden geht. Wann kann die Feuerwehr aktiv Rauch und Wärme abführen, um schneller Menschenleben retten zu können. Also eine Rettungsbelüftung einzuleiten. Die Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Team war exzellent. Diese hatten aber auch schon Erfahrung, da es ein Teil einer gesamten, fachlichen Produktion war mit verschiedenen Feuerwehrfachlichen Themen.

Wie gut wird die Ausbildung und das Training von Feuerwehrleuten in Fernsehsendungen und Filmen dargestellt?
Auch hier gibt es immer mehr Formate, die die Grundausbildung verfolgen. Dies ist allerdings noch in den Kinderschuhen. Es ist aber schön zu sehen, dass diese wichtige Grundlagen-Arbeit inzwischen die Wahrnehmung erhält und in den Blickpunkt rückt. Was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in dieser Zeit lernen an fachlichen Themen aber vor allem auch, was sie über sich selbst lernen, ist immer wieder beeindruckend. Insbesondere die Grenzerfahrungen sind für das spätere Einsatzleben überlebenswichtig. Das ist ein großer Teil der Grundausbildung in verschiedenen simulierten wie auch realen Einsatzszenarien.

Welche Aspekte der Arbeit als Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau würden Sie sich wünschen, dass sie in den Medien besser dargestellt werden?
Wenn ich wünschen darf, würde ich die ganzheitliche Darstellung des Prozesses vom Planen von Baugebieten, der Bauplanung und der dort festgelegten „Taktik im Gebäude“ über die einsatzvorbereitenden Maßnahmen inklusive der Ausbildung und der Nachbereitung zeigen. Das ist gelebte kontinuierlichen Verbesserung in allen Bereichen. Hier steckt enormes Potential was die Senkung von Baukosten und Zeitersparnis im Bauprozess angeht. Alles durch frühzeitige gemeinsame Abstimmung von Ideen und Möglichkeiten. Fehler in einer fertigen Planung zu korrigieren kostet enorm viel Geld und meist auch Zeit.

Zudem im Einsatz, das Gesamtsystem, welches die enge Zusammenarbeit von verschiedenen Partnern benötigt, um effektiv und erfolgreich Menschenleben nach schweren Verletzungen retten zu können. Bedeutet vom Notruf über die Maßnahmen vor Ort von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei bis zur Klinik.

Je nach Örtlichkeit und Gefahrensituation gehören dann auch der Energieversorger, die Bahn, der ÖPNV und etwaige Fachberater situativ dazu. Hier würde man sehr gut sehen, wie man auf Fachinformationen von Experten hört, vertraut, aber ganzheitlich je nach Gesamtsituation klar abwägt und priorisiert, um dann die Entscheidungen zu treffen.

Gibt es bestimmte Sendungen oder Filme, die Sie für ihre realistische Darstellung der Feuerwehrarbeit loben würden?
Die Dokumentationsarbeit von Daniel Harrich für die ARD ist herausragend. Ich habe selten Filmemacher bei Interviews oder Dokus erlebt, die so tief fachlich die Zusammenhänge als Laie verstanden haben und für das Thema brennen. Für realistische Darstellung finde ich das Format «Lebenslinien» des BR sehr stark und nachhaltig. Hierzu gibt es zwar nur eine geringe Zahl an Sendungen mit oder über Feuerwehrleute oder Persönlichkeiten, die sich dort engagieren. Die Realitätsnähe und Offenheit sind aber sehr groß. Das Format «Feuer & Flamme» des WDR zeigt realistische Einsatzsituationen von verschiedenen Berufsfeuerwehren im Westen. Vor allem die Interviews zu den gezeigten Einsatzsituationen mit den persönlichen Eindrücken der Einsatzkräfte, welche hierarchieunabhängig ausgewählt sind, ist hier hervorzuheben.

Christian Emrich ist Rettungsingenieur und leitet den Fachbereich Feuerwehr und Rettungsdienst beim Regierungspräsidium Freiburg. Er hat zahlreiche kritische Lagen als Einsatzleiter sowie in der Gefahrenabwehrleitung im Krisenstab der Branddirektion München erlebt und verantwortet.

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