Interview

Harald Schrott: ‚Ich persönlich sehe die Institution Kirche sehr kritisch‘

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Der Schauspieler verkörpert in «Steirerschuld» Pater Gregor und spricht im Quotenmeter-Interview über die Vorbereitung am Set.

Ihre Rolle als Prior Gregor spielt sich hinter den Mauern eines Klosters ab. Wie haben Sie sich auf die Rolle eines Ordensmannes vorbereitet?
Wie immer versuche ich sehr genau zu verstehen, was eine Figur dazu treibt/zwingt, so zu handeln, wie sie es tut. Erst wenn ich das begriffen habe, geht es um die Gestaltung dieser Rolle. Zusammen mit meinem Coach ist der nächste Schritt, persönliche Erfahrungen in diese Arbeit einfließen zu lassen und damit der Rolle möglichst Tiefe und Authentizität zu verleihen. Natürlich habe ich mir auch Filme angesehen, in der geistliche Würdenträger vorkommen und mich davon inspirieren lassen. Kurioserweise habe ich zeitgleich den cholerischen Kopf einer Mafia-Verbindung verkörpert, was im Wechsel zwischen diesen beiden Drehorten doch recht seltsam war.

In «Steirerschuld» lauert das Böse hinter den Klostermauern. Wie haben Sie den inneren Konflikt Ihres Charakters zwischen Glauben und Dunkelheit dargestellt?
Wie meine Figur, teile ich die Ansicht, dass kein Mensch unfehlbar ist und jeder die Anlagen für Gutes und Böses in sich trägt. Es sind oft Kleinigkeiten im Leben, die den Ausschlag geben, wohin sich eine Biografie entwickelt. Es geht darum, nicht vorschnell zu urteilen und jedem Menschen eine Chance zur Rehabilitation/Einsicht zu geben.

Gregor hat Halt und Schutz innerhalb der katholischen Kirche gefunden und versucht, die Verfehlungen, an denen er beteiligt war, auf seine Art wieder gut zu machen. Ich persönlich sehe die Institution Kirche sehr kritisch und vermute, dass die massenweise Abkehr vom Glauben damit zu tun hat, dass dieser Apparat in sich bis zu einem gewissen Grad korrupt ist und nur bedingt an Aufklärung interessiert. Auch bleibt das ganze System zu sehr in der Vergangenheit stecken. Man könnte unseren Film auch als Beitrag zur überfälligen Abschaffung des Zölibates sehen 😉

Die Studentin Lara Babic stirbt im Kloster, und der Fall wird immer mysteriöser. Wie wichtig ist Prior Gregors Rolle bei den Ermittlungen und wie verhält er sich zu den Ermittlern?
Gregor spielt bei den Ermittlungen eine Schlüsselrolle, da er der Letzte war, der das Mordopfer gesprochen hat. Wie sehr er persönlich in den Fall verwickelt ist, erfährt der Zuschauer erst nach und nach. Darüber hinaus gibt es noch ein weiteres Geheimnis, über das nur wenige Personen im Kloster informiert sind. Äußerlich gibt sich Gregor hilfsbereit und offen, aber natürlich versucht er zeitgleich, dass der Mantel des Schweigens, der über die Verfehlungen ausgebreitet wurde, nicht weggerissen wird.

Ein sehr ambivalentes Verhalten, das diese Rolle vielschichtig und undurchschaubar macht!

Das Kloster hat viele dunkle Geheimnisse. Gibt es eine Szene oder einen Moment in der Geschichte, der für Sie besonders intensiv oder herausfordernd war?
Pater Gregor zeichnet sich durch eine ruhige und offene Art aus, mit den Mitmenschen zu kommunizieren. Herausfordernd war es, die Konflikte und seine Schuld unter dieser Oberfläche spürbar zu machen, ohne den Rahmen dieser Figur zu sprengen. Manchmal sind es dann auch Blicke, die mehr erzählen als viele Worte.

Die beiden Verhörszenen mit den Kommissar*innen waren besonders intensiv, da ich selbst Vater einer Tochter bin und deshalb die Notlage, in der sich Gregor befindet, gut nachvollziehen kann.

Wie würden Sie das Zusammenspiel zwischen Prior Gregor und den anderen Klosterbewohnern, wie dem Abt und Pater Willibald, beschreiben?
Gregor ist Prior in diesem Kloster und somit der Stellvertreter des Abtes. Durch seine zurückhaltende, aber auch bestimmende Art gestaltet er das Leben in diesem Orden entscheidend mit. Ich halte ihn für einen ernsthaften und emphatischen Menschen, der mit großer Sorgfalt und Genauigkeit seinen Beruf ausübt. Er ist eine Autorität innerhalb der Glaubensgemeinschaft und fühlt sich für vieles verantwortlich, so z. B. auch den etwas verwirrten Bruder Willibald zu schützen und zu begleiten.

Steirerkrimis sind für ihre dichte Atmosphäre bekannt. Was hat «Steirerschuld» besonders für Sie ausgemacht und warum glauben Sie, zieht dieses Setting so viele Zuschauer an?
Das Besondere an «Steirerschuld» ergibt sich aus dem Drehort und der Tatsache, dass die beiden Polizisten in ein für sie fremdes, in sich geschlossenes Universum eindringen. Das Augustiner Chorherrenstift Vorau, wo wir den Film gedreht haben, ist schon rein optisch ein echter Hingucker und spätestens seit «Der Name der Rose» wissen die Leute, dass hinter solch dicken Mauern oft das ein oder andere Verbrechen verborgen wird.

Wie war die Zusammenarbeit mit Hary Prinz und Anna Unterberger als Ermittlerteam, und wie haben sie die Dynamik zwischen Ermittlern und Klosterbewohnern gestaltet?
Mit Hary habe ich schon des Öfteren gedreht und ich mag ihn als Kollege und Mensch sehr gerne. Auch die Begegnung mit Anna, die ja wie ich aus Tirol stammt, war von Wertschätzung und Humor geprägt.

Die Ermittler*innen tauchen in einen nahezu hermetischen Kosmos ein, daraus ergibt sich eine Situation der Wachsamkeit, des Belauerns, der Vorsicht. Die Beteiligten versuchen, die Schritte der „Gegner“ zu erahnen und keinen Fehler zu machen. Ein unterhaltsames Katz- und Mausspiel unter dem Dach der katholischen Kirche.

Ihre Figur lebt in einer Welt der Enthaltsamkeit und des Glaubens, während der Mordfall das Gegenteil widerspiegelt. Wie haben Sie die moralischen Spannungen in Prior Gregor dargestellt?
Pater Gregor ist vor vielen Jahren schwach geworden und hat sich „versündigt“. Er übernimmt, so gut es ihm möglich ist, die Verantwortung dafür und versucht, den betroffenen Personen zu helfen. Unbewusst wünscht er sich nichts mehr, als Gnade zu erlangen und von dieser Schuld losgesprochen zu werden. Man erfährt aber auch, dass er sich in den Schutz der Kirche geflüchtet hat und seinen Fehltritt ein Stück weit verdrängt.

Für mich steht die Figur für uns alle, die wir versuchen, mit den Fehlern, die wir begangen haben, klar zu kommen. Die daraus resultierenden Handlungen mögen moralisch nicht immer einwandfrei sein, aber das ist eben auch ein Teil unseres Menschseins.

Glauben Sie, dass die Zuschauer Sympathie oder Misstrauen gegenüber Ihrer Figur empfinden werden, und wie beeinflusst dies Ihre Darstellung?
Durch die Enthüllungen in den letzten Jahren schauen viele Zuschauer*innen zurecht mit einer gewissen Skepsis auf das System Kirche. Vermutlich werden deshalb alle geistlichen Figuren in diesem Film besonders unter die Lupe genommen. Als Schauspieler achte ich aber nicht in erster Linie darauf, dass meine Figur sympathisch rüberkommt. Ich versuche, die Motive und Nöte dieser Person glaubhaft zu verkörpern und hoffe, dass die Zuseher*innen die Handlungen meiner Figur nachvollziehen können. Sie müssen sie deshalb nicht unbedingt gutheißen.

«Steirerschuld» ist bereits der zehnte Film der Steirerkrimis. Was, glauben Sie, macht das Format weiterhin erfolgreich und wie hat sich Ihre Rolle in diesem Krimi von früheren Rollen unterschieden?
Die Filme von Wolfgang Murnberger zeichnen sich von jeher durch einen sehr feinen Humor und eine große Menschlichkeit aus. Er sucht in seinen Büchern immer die Nähe zu den Figuren, ohne sie moralisch zu verurteilen. Und natürlich sehen viele Zuschauer*innen einfach gerne Krimis.

Ich persönlich habe nicht zum ersten Mal einen Geistlichen verkörpert, solche Figuren habe ich im Lauf meiner Karriere immer wieder gespielt. Als Schauspieler versucht man dann, trotz der Zurückhaltung, die vielen geistlichen Würdenträgern innewohnt, eine interessante, vielschichtige Figur zu gestalten. Mönche und Priester eignen sich ja wunderbar als Projektionsfläche für die Zuschauer*innen…

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Steirerschuld» ist am Donnerstag, den 24. Oktober 2024, im Ersten zu sehen.

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