Hintergrund

Das Jüngste Quoten-Gericht: Braucht es noch Castingshows?

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Montags blickt Quotenmeter auf aktuelle Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops und ordnet diese ein. Diesmal wird es musikalisch. Zuletzt lieferten sich «DSDS» und «The Voice» sogar ein direktes Duell.

Als Dieter Bohlen im vergangenen Jahr zu RTL zurückkehrte, verlief sein «Deutschland sucht den Superstar»-Comeback triumphal. Der „Mega“-Juror folgte auf Florian Silbereisen, mit dem RTL einen Imagewandel seines einstigen Show-Flaggschiffs anstrebte. Inhaltlich war die Veränderung enorm, allerdings gingen den kuscheligen Wohlfühl-Weg zu wenige Menschen mit. Nachdem die ersten Sendungen Anfang 2022 über zwei Millionen Zuschauer sahen, sank das Interesse auf teilweise nur noch 1,3 Millionen Menschen. Bohlen hingegen lockte bei seinem Comeback 3,05 Millionen Zuschauer an. Während Silbereisen häufig nur einstellige Marktanteile in der Zielgruppe verzeichnete, holte Bohlen mit seinem «DSDS» satte 20,8 Prozent.

Freilich verblieb auch der „Pop-Titan“ nicht auf diesem Niveau, doch unter die 2-Millionen-Marke rutschte die Castingshow im Vorjahr nur zweimal. Nur die letzte Recall-Folge hatte mit 9,0 Prozent eine einstellige Zielgruppen-Quote. Im Schnitt holte «Deutschland sucht den Superstar» mit Bohlen über 300.000 Zuschauer mehr als Silbereisens Edition. Auf dem Gesamtmarkt standen 2022 durchschnittlich 6,9 Prozent Marktanteil zu Buche, ein Jahr später lag der Wert bei 8,6 Prozent. In der Zielgruppe stieg der Marktanteil von 9,4 auf 12,9 Prozent. Dieter Bohlen reichte zwar nicht an die Prä-Silbereisen-Ära heran – die 18. Staffel holte im Jahr 2021 im Schnitt Marktanteile von 10,2 respektive 16,0 Prozent –, dennoch stellte der Ex-Modern-Talking-Star seine Strahlkraft durchaus eindrucksvoll unter Beweis.

Bohlen kann Comeback-Niveau nicht halten
Dies veranlasste RTL nach der 20. Staffel doch nicht den eigentlich angekündigten Schlussstrich hinter das Format zu ziehen, sondern verlängerte die Sendung. Die 21. Season begann jedoch nicht wie gewohnt kurz nach dem Jahreswechsel, der Kölner Sender startete stattdessen die 15-teilige und damit kürzeste Staffel aller Zeiten im September. An die grandiosen Comeback-Quoten reichte «DSDS» bislang aber nicht heran. Keine der bislang neun gezeigten Folgen markierte mehr als zwei Millionen Zuschauer. In der Spitze verbuchte man 1,96 Millionen Seher, das Minimum lag bei 1,57 Millionen. Die beiden Pole kamen in den ersten beiden Folgen zustande. Seither ist «DSDS» recht konstant und bewegt sich meist bei etwas mehr als 1,7 Millionen Zuschauern.

Die Folge aus den gesunkenen Zuschauerzahlen sind sinkende Einschaltquoten. Auf dem Gesamtmarkt liegt die 21. Staffel derzeit bei einem Wert von acht Prozent, vor einem Jahr waren 8,6 Prozent möglich. In der Zielgruppe rutschte die Show von 12,9 auf derzeit 11,6 Prozent – Tendenz fallend, denn die Recall-Sendungen performten meist schwächer als die Casting-Folgen, die am kommenden Samstag abgeschlossen werden. In der vergangenen Woche holten die Mittwoch- und Samstag-Sendung nur noch 10,6 und 10,7 Prozent Marktanteil.

Ende 2023 sagte RTL-Content-Chefin Inga Leschek in einem ‚Welt‘-Interview: „Die Leute, die mit RTL nichts anfangen können, haben uns nach dem Abschied von Dieter Bohlen ja nicht zu ihrem Lieblingssender gemacht. Diejenigen aber, die uns lieben, die haben etwas vermisst.“ Dieses Bedürfnis bedient RTL nun durchaus erfolgreich, an die Glanzzeiten reicht «DSDS» trotzdem nicht heran. Ein innovatives Wagnis ist RTL mit der Bohlens Rückholaktion definitiv nicht eingegangen. Es war einmal mehr ein Bedienen bekannter Strukturen und gewohnter Inhalte. Ähnliches gilt auch für die ProSiebenSat.1-Castingshow «The Voice of Germany».

Kein Risiko bei «The Voice»
Die beiden Unterföhringer Privatsender hatten im vergangenen Jahr einen Neustart gewagt und die roten Drehstühle mit Shirin David, Ronan Keating, Giovanni Zarrella sowie Tom und Bill Kaulitz besetzt. Alle fünf waren vorher noch nicht Teil der deutschen «The Voice»-Version. In diesem Jahr besteht das Coaches-Ensemble aus Samu Haber, Yvonne Caterfeld, Mark Forster und dem einzig neuen Gesicht Kamrad. Wenig Risiko, kaum Innovation.

Die Zuschauer bedanken sich bislang mit steigenden Reichweiten. Während die 19-teilige Staffel des Vorjahres im Schnitt 1,42 Millionen Zuschauer anlockte, steht die durchschnittliche Sehbeteiligung nach den ersten neun Staffeln aktuell bei 1,55 Millionen. Der Marktanteil stieg von 6,2 auf 7,0 Prozent. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob ProSieben und Sat.1 das Niveau halten können, denn die erfolgreichen „Blind-Audition“-Folgen sind vorbei, ab dem kommenden Donnerstag starten die „Battle“-Sendungen, die zuletzt nicht mithalten konnten. Das ist deshalb durchaus problematisch, da die Zielgruppen-Werte schon jetzt niedriger als im Vorjahr liegen. Mit 0,46 Millionen 14- bis 49-Jährigen fuhren die beiden TV-Stationen bislang 10,3 Prozent Marktanteil ein. Im vergangenen Jahr standen mit 0,55 Millionen werberelevanten Zusehern im Schnitt 11,4 Prozent zu Buche. Damals stoppte die neuformierte Jury den Abwärtstrend der vergangenen Jahre. 2022, als Mark Forster, Rea Garvey, Stefanie Kloß und Peter Maffay um die besten Stimme buhlten, reichte es nur für 11,1 Prozent Marktanteil. Staffel elf brachte es 2021 auf 11,5 Prozent, 2020 waren sogar 14,6 Prozent möglich.

Woran der neuerliche Niedergang der Quoten liegt, ist natürlich nur schwer festzunageln. Nie zuvor war «TVOG» (immer donnerstags und freitags) von «DSDS» am Mittwoch und Samstag eingerahmt. Es wäre aber nicht die erste Show, der Bohlen mit seiner Castingshow ein Bein stellt. Im direkten Show-Vergleich, zu dem es am 9. Oktober kam, konnten beide Formate nicht wirklich glücklich sein. Da ProSieben am 10. Oktober das Abschiedsspiel von Lukas Podolski übertrug, wechselte «The Voice» auf den Mittwoch. Es schalteten 1,37 Millionen die Sendung ein, der Marktanteil bewegte sich mit 6,3 Prozent unter dem Staffelschnitt. «DSDS» wiederum kam im Gegenprogramm auf 1,73 Millionen Seher und ebenfalls unterdurchschnittliche 7,3 Prozent. In der Zielgruppe verzeichnete ProSieben 10,7 Prozent und hatte aufgrund der Sendungslänge die Nase vorn. Die zweistündige RTL-Show hatte 10,4 Prozent. Für «The Voice» lief es leicht überdurchschnittlich, «DSDS» fehlte mehr als ein Prozentpunkt zum Staffelschnitt.

ProSieben und Sat.1 dürften trotz der in weiter Ferne liegenden Hochzeiten von «The Voice» nur wenig an ihrem Leuchtturm-Format ändern. Die Quoten sind nach wie vor hoch genug, um weiterzusenden. Ob sich RTL auch in Zukunft einen mit Sicherheit teuren Dieter Bohlen leisten wird, scheint hingegen offener. Aber auch der „Pop-Titan“ liefert noch erfolgreich genug ab. Neben Bohlen bleibt dem Format zudem eine Sache treu: Pech mit der Jury-Wahl. Nachdem Xavier Naidoo und Michael Wendler maximal negativ aufgefallen waren, stand auch Pietro Lombardi zuletzt in den Schlagzeilen, nachdem er gegenüber seiner Verlobten Laura Maria Rypa handgreiflich geworden sein soll. Der Sender handelte aber besonnener als in der Vergangenheit und ließ ausrichten: „RTL ist mit den Beteiligten und der Staatsanwaltschaft weiterhin in engem Austausch, um die im Raum stehenden Vorwürfe so schnell wie möglich zweifelsfrei aufzuklären.“ Man wolle „etwaige Ermittlungen und Ergebnisse der Staatsanwaltschaft Köln als Grundlage für das weitere Vorgehen abwarten“, hieß es in einem Statement. Zumindest diese Staffel dürfte Lombardi also noch wie geplant zu Ende bringen, und auch einer weiteren scheint aktuell eher wenig im Wege zu stehen, sofern man seinen Aussagen auf der Bühne glaubt. Ob es Castingshows im deutschen Fernsehen noch braucht, sollen die Zuschauer entscheiden. Oder anders gefragt: Erinnern Sie sich noch an Sem Eisinger?

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