Helen Dorn – Der deutsche Sizilianer
- BESETZUNG: Anna Loos, Ernst Stötzner, Tristan Seith, Nagmeh Alaei, Stipe Erceg, Peter Benedict, Liane Forestieri
- REGIE und DREHBUCH: Friedemann Fromm
- KAMERA: Heinz Wehsling
- SCHNITT: Richard Krause
- MUSIK: Ina Meredi Arekelian
- PRODUKTION: Lasse Scharpen
Helen Dorn, die mit den Ermittlungen beauftragt wird, glaubt Vizzante kein Wort. Schon seine Identität wirft mehr Fragen als Antworten auf. Offenbar hat dieser Tony Vizzante keine Jugend gehabt. Zumindest gibt es da keine Daten. Und da sind die beiden Toten, die angeblich die Tankstelle überfallen wollten. Zwei junge Männer aus dem Umland ohne Vorstrafenregister. Die Aussagen der Tankstellenmitarbeiterin jedoch sind in sich schlüssig – auch wenn Dorn nicht glauben mag, dass ausgerechnet an diesem Abend die Videoüberwachung nicht richtig funktioniert hat. Auch so ein Zufall, der einfach nicht wirklich passen will. Doch Luisa, Tonys Tochter, hat einen Waffenschein, ist als seine Leibwächterin offiziell registriert und Vizzante hat eine saubere Weste – soweit sich seine Identität zurückverfolgen lässt. Haben die Toten einfach den falschen Abend für ihren Überfall ausgewählt und den falschen Mann überfallen?
Friedemann Fromm ist als Regisseur und Autor normalerweise eine sichere Bank für den «Tatort» oder ZDF-Kriminalfilme. Er ist ein Veteran im besten Sinne, einer, der ohne überflüssiges Chichi inszeniert - mit Anfang, Mitte, Ende. Die letzten drei «Helen Dorn»-Filme hat er gedreht - und sein letzter Ausflug an die Alster 2023 für «Helen Dorn – Das Recht zu Schweigen» darf sogar als kleines Juwel der Reihe betrachtet werden. Wie er in besagtem Film mit vergleichsweise einfachen Mitteln (und einem ZDF-Krimibudget) Tempo erzeugt, kann als Lehrfilm für effektives Storytelling in jedem Regie-Kurs eingesetzt werden. In «Der deutsche Sizilianer» jedoch kommt Friedemann Fromm bald ins Straucheln, denn er verliert die Kriminalgeschichte aus dem Blick und stolpert bad durch ein wenig glaubhaftes Familiendrama.
Da ist also dieser Sizilianer, der natürlich keinesfalls zufällig in diese Tankstellengeschichte gerasselt ist. Die Inszenierung versucht dies nicht einmal zu behaupten und gibt der Zuschauerschaft damit einen Wissensvorsprung. Damit ist auch klar, dass die jungen Männer (aus der Region) offenbar ein Hühnchen mit dem Sizilianer zu rupfen hatten, was jedoch auch daneben gegangen ist, da sie keine Killer waren – der Sizilianer indes durchaus nicht das Unschuldslamm ist, das er vorgibt zu sein. Das alles zu verraten sind keine Spoiler, denn die Geschichte macht sich von Anfang an ehrlich. Was bedeutet, dass dieser Vorfall nur Teil einer größeren Geschichte sein muss. Und was diese Geschichte betrifft, da passt wenig zusammen. Helen Dorn findet nämlich ein Foto des jungen Vizzante aus der Zeit, als der noch kein sizilianischer Geschäftsmann war. An seiner Seite – eine junge Frau. Und wer ist die junge Frau? Helen Dorns Mutter!
Nur um das klarzustellen: Da kommt es an einer Tanke im Süden Schleswig-Holsteins zu einem Zwischenfall, der zwei junge Männer in die ewigen Fischbrötchengründe führt. Mit den Ermittlungen wird Helen Dorn beauftragt, die dann feststellen muss, dass der Überfallene ein Krösken mit der Frau Mama hatte – just zu der Zeit, in der Helen Dorn offenbar gezeugt worden ist. Was wiederum bedeutet, dass ihr Herr Papa (Frau Mama ist nicht mehr unter uns) den Herrn aus Italien kennen muss. Einen Herrn, der, wie sich frühzeitig herausstellt, genau weiß, wer Helen ist. Sorry, das klingt nicht alles nur etwas konstruiert. Das ist konstruiert. Und zwar recht derbe. Warum, fragt man sich da, kommen diese TV-Kommissare und Kommissarinnen, eigentlich nie normalen Familienverhältnissen. Papa Polizist, Mama Sachbearbeiterin bei einer Spedition, und weil Mama und Papa arbeiteten, ist jemand wie Helen mit Miracoli aufgewachsen. Etwas in der Art! Es ist klar, warum das nicht der Fall ist: Eine Geschichte braucht einen dramatischen Aufhänger, etwas, das die Protagonistin emotional herausfordert, sie irritiert.
Aber doch nicht derart konstruiert.
Die Geschichte zwischen Helen und Vizzante bringt die Dramaturgie so sehr ins Stocken, dass die Spannung Stück für Stück verpufft. Statt das große Drama zu entfachen, passiert genau das Gegenteil: Die Inszenierung schafft es nicht, die Spannung aufrechtzuerhalten, und die Frage nach der möglichen Verbindung zwischen Helen und Vizzante wird so unspektakulär präsentiert, dass sie am Ende keine echte Dramatik entwickelt. Um es kurz zu machen: Es ist langweilig.
Fazit: Auch ein guter Regisseur und Autor gerät einmal ins Stolpern.
Im ZDF am Samstag, 30. November 2024, ab 20.15 Uhr, und vorab in der ZDFmediathek.
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