
Das bedeutete wiederum für den übertragenden Sender DAZN 18 Spiele gleichzeitig zu übertragen – sowohl als Einzelspiele jeweils in voller Länge und als XXL-Konferenz. Damit waren allein 48 Kommentatoren, Experten und Reporter gleichzeitig auf Sendung. Der Sportstreamer sprach im Vorfeld davon, dass an jenem Abend rund 500 Mitarbeiter in der Zentrale sowie in den Stadien vor Ort im Einsatz gewesen seien. Nichts weniger als „die größte Live-Sport-Produktion aller Zeiten“ versprach man im Vorfeld.
Auf welche Parameter dieses Versprechen letztlich gemünzt war, dürfen die Marketing-Experten des Senders entscheiden. Allerdings sollten sie insofern Recht behalten, dass diese Konferenz-Schaltung über die gewohnten Sehgewohnheiten eines Fußball-Fans hinausging. Wer glaubte, dass die Konferenz eines 34. Bundesliga-Spieltags mit neun Partien gleichzeitig unübersichtlich sei, dem hätte ein Warnhinweis vor der Champions League-Konferenz nicht geschadet. Nach drei Minuten trudelten die ersten Tore aus Birmingham, Salzburg, Mailand, Lille und wieder Birmingham ein. Obwohl Salzburg eigentlich als zweites an der Reihe gewesen wäre, lieferte Kommentator Max Gross die Szenen an hinterster Stelle ab. Er gab dann auch direkt an Mario Rieker ab, der das Stuttgarter Spiel begleitete. DAZN machte ernst: Der Fokus lag auf den deutschen Spielen.
Fußball als Stresstest

Abgesehen von der actiongeladenen Grundsituation, in der der Zuschauer nahe dem epileptischen Splitscreen-Anfall war, streute DAZN auch skurrile Momente ein. Mitte der ersten Halbzeit machte die Konferenz im Wankdorf-Stadion Halt, wo die ausgeschiedenen Mannschaften Young Boys Bern und Roter Stern Belgrad aufeinandertrafen. „Der 36. gegen den 32.“, wie Kommentator Manuel Angstenberger direkt erläuterte und nachschob, dass diese Partie keine Rolle für den weiteren Verlauf spiele. Angstenberg tat dem Zuschauer dann auch den Gefallen und macht keinen Hehl daraus, dass die Partie auf einem niedrigen Niveau gespielt wurde. 65 Sekunden Durchschnaufen. Weiter nach Dortmund. Elfmeter in Eindhoven. Fußball als Stresstest.
Halbzeit-Analyse? Fehlanzeige!

Weniger glücklich verlief der Teil, über den DAZN eigentlich die meiste Kontrolle hatte: Die Halbzeit. Laura Wontorra, Michael Ballack und Tobias Schweinsteiger meldeten sich vor einer irre-großen LED-Wand. Da es mancherorts lange Nachspielzeiten gab, und DAZN den überwiegenden Teil der Pause Werbung zeigte, hatte das Trio handgestoppte zwei Minuten und 40 Sekunden Zeit ihre „Analyse“ abzugeben. Es wurden aber schlicht die Zwischenstände durchgehechelt, gezeigt lediglich ein Tor von Club Brügge gegen Manchester City. Ein kurzer Blick auf die Tabelle sowie die Tore von Paris in Stuttgart. Und ab in die Werbung. In der Einzelspiel-Option verzichtete DAZN komplett auf Berichterstattung während der Halbzeitpause. Sicher, DAZN will und muss Werbung verkaufen, aber diese Herangehensweise hat keinerlei Mehrwert für den Fußball-Zuschauer und sollte dringend überdacht werden.
Experte Tobias Schweinsteiger, verglich die Konferenz im Nachhinein „als hätte jemand die Vorspultaste“ gedrückt. Michael Ballack lobte das neue Format, hatte aber die Orientierung verloren. „Es ging rauf und runter, hin und her“, so der ehemalige DFB-Kapitän. Als Zuschauer kann man dem nur schwer widersprechen. Obwohl DAZN einen guten Job machte, saß man als Zuschauer hinterher auf dem Sofa und fühlte sich müde, überwältigt, ja, fast verkatert. Fußball wie im Rausch. Die Champions League hat durch ihre Reform eine neue Dynamik entwickelt, an Spannung gewonnen. Aber es gut, dass diese XXL-Konferenz nur einmal im Jahr stattfindet.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel