Wer heutzutage das Radio einschaltet und nicht gerade bei einem Kultursender landet, bekommt von den meisten Sendern vor allem eines serviert: Musik. Und auch wenn die Rotation der Songs meistens klein ist, scheinen die Hörer Gefallen am Hörfunk-Angebot in Deutschland zu haben. Nach wie vor hören Millionen Menschen morgens auf dem Weg zur Arbeit Radio.
Wortbeiträge abseits der Nachrichten finden sich dagegen immer seltener. Und wenn das gesprochene Wort dann ein Plätzchen im Programm erhält, handelt es sich dabei häufig nur um die Ankündigung von Gewinnspielen oder jener Dinge, die die Hörer in der kommenden Stunde erwarten. Information, so hat man den Eindruck, wird Land auf, Land ab immer kleiner geschrieben. „Die Länge von Beiträgen ist relativ – bei uns gilt die ‚gefühlte Länge’“, sagt Bayern 3-Programmdirektor Walter Schmich gegenüber Quotenmeter.de. „Wenn ein Beitrag langweilig gemacht ist oder das Thema uninteressant ist, kann auch 1:30 bereits zu lang sein. Umgekehrt dürfen interessante Themen, spannende Beiträge oder fesselnde Interviews gerne auch 3:30 oder sogar länger sein.“
Seiner Meinung nach habe das eng formatierte Radio „mit sekundengenauen Sendeuhren und sturen 1:30er Beiträgen“ in Zeiten von iPod & Co. keine Überlebenschance. Gleiches gilt auch für die Kollegen vom Hessischen Rundfunk. Man sei an einer „unterhaltsamen Mischung aus Musik und Wortbeiträgen interessiert“, betont Wellenchef Jörg Bombach (Foto). „Deshalb sind neben allen Formatvorgaben längere Wortbeiträge lediglich möglich, wenn es in Hessen und der Welt besonders spannend wird.“ Bombach selbst nimmt es mit der Länge von Musik-freier Zeit allerdings nicht so genau, wenn er freitags seine in Hessen bereits legendäre „Bombi-Show“ präsentiert. Gegenüber Quotenmeter.de bezeichnet er seine Sendung als „gewollten Formatbruch, der nur möglich ist, weil die Show nur wenige Wochen im Jahr stattfindet.“
Bombach weiter: „Natürlich kann man ein Format nur brechen, wenn es eines gibt, weshalb vergleichbare Formatbrüche zwangsläufig Ausnahmen sind.“ Generell sind solche Brüche in der deutschen Hörfunklandschaft selten geworden – wohl auch, weil für viele Hörer das Radio inzwischen zu einem Begleitmedium geworden ist. So lange die Musik gut ist, wird eingeschaltet. Für Informationen gibt es schließlich Internet und Fernsehen.
„Wir definieren unser Wortprogramm über die Relevanz für das Leben unserer Hörer“, so FFH-Programmchef Andreas Schulz, der vor allem „Aktualität, Interesse und ‚Betroffenheit’ für das Leben der Menschen im FFH-Land“ im Auge hat, wie er gegenüber Quotenmeter.de betont. Eine zeitliche Richtschnur liege bei „maximal drei Minuten“ – mit einer kleinen Einschränkung: Bei „besonderen Ereignissen“ oder in bestimmten Sendungen seien Beitragsplätze deutlich länger. Die Länge der Beiträge ist für Schulz allerdings kein Qualitätsmerkmal: „Wir hatten leider schon oft grauenvolle 20 Sekunden auf dem Sender und wir hatten – und haben zum Glück immer wieder – wunderbare vier Minuten Wort am Stück im Programm.“
„Wenn der Inhalt, die Information, für eine Minute reicht, sollte kein Moderator darüber nur eine Sekunde mehr als eben diese eine Minute reden“, sagt Schulz. Das meint auch Ina Tenz (Foto), die sich beim niedersächischen Privatsender ffn für das Programm verantwortlich zeichnet. „Die Qualität des Wortbeitrags ist entscheidend über den Einsatz. Bei radio ffn sind zum Beispiel vor den Bundestagswahlen zwei Stunden Wort am Stück gelaufen, genauso gibt es aber auch Comedies von teilweise drei bis vier Minuten Länge, die ja auch als ‚Wortbeitrag’ gelten.“ Die grobe Richtlinie für die Redaktion lautet 1:30 bis 2 Minuten. „Wenn ein Inhalt auch in kürzerer Zeit übermittelt werden kann, ist auch das erlaubt, denn es wäre völlig unsinnig, einen Beitrag krampfhaft auf zwei Minuten zu strecken“, so Tenz auf Anfrage von Quotenmeter.de
Etwas längere Strecken mit Wortbeiträgen haben die norddeutschen Kollegen von NDR 2 im Programm – für Wellenleiter Torsten Engel ist das sogar „selbstverständlich“ und „Teil der Programmphilosophie“ seines Senders. „Wir senden jeden Tag mehrfach Wortstrecken, die sogar noch deutlich länger sind, als dreieinhalb Minuten.“ Vor allem eine Besonderheit prägt das Programm des öffentlich-rechtlichen Senders: Mit den drei Mal täglich ausgestrahlten „NDR 2 Kurieren“, die rund zehn Minuten dauern, will der Sender „einen ausführlichen Überblick über das aktuelle Geschehen, mit Berichten und Korrespondenten-Gesprächen“ liefern.
Aber auch darüber hinaus sendet NDR 2 längere Berichte und Interviews, wie Engel gegenüber Quotenmeter.de betont. Insbesondere in Spezialsendungen am frühen Abend - etwa zu den anstehenden Wahlen in Niedersachsen und Hamburg – würden bis zu sechs Mal pro Stunde Berichte und Interviews gesendet, die oft deutlich länger seien als zweieinhalb Minuten. Engel: „Es gibt zwar für Wortbeiträge außerhalb der Kuriersendungen eine Richtgrenze von etwa 2:30 Minuten, aber: Wenn das Thema und die Umsetzung es tragen, dann sitzt bei uns niemand mit einer Stoppuhr und kappt das Stück.“