«Topmodel» oder «Bauer sucht Frau» sind leichtverdaubare Kost, meint unser Kolumnist.
Die Einschaltquote ist für die TV-Branche von zentraler und oftmals überschätzter Bedeutung. An ihr entscheidet sich letztlich, ob eine Sendung fortgeführt oder abgesetzt wird. Die traurigste Konsequenz daraus: Vielfalt und Kreativität können sich oft nicht gegen kollektiven Einheitsbrei durchsetzen.
Besonders Privatsender wie RTL, Sat.1 und ProSieben sind stets darauf aus, eine möglichst breite Öffentlichkeit zu erreichen und dementsprechend massentauglich wird das Programm gestaltet. Formate wie «Bauer sucht Frau» oder «Germany's Next Topmodel» sind leicht verdaubare Kost, billig herzustellen und sprechen den kleinsten gemeinsamen Nenner des Publikums an. Die Sendungen erfordern lediglich ein Minimum an Aufmerksamkeit, um dem Geschehen folgen zu können. Ideal also, um den Fernseher nebenher laufen zu lassen, ohne viel zu verpassen. Castingshows, Telenovelas und Dokusoaps bilden mittlerweile einen Großteil des privaten TV-Programms.
Doch wo bleiben die ausgefallenen, ungewöhnlichen und extravaganten Formate für den etwas anspruchsvolleren Zuschauer, der dem schnöden Mainstream entfliehen möchte? - Die gute Nachricht: Es gibt sie noch. An dieser Stelle muss eine Lanze für die Öffentlich-Rechtlichen gebrochen werden. Wenn man etwas genauer sucht, findet man im Programm von ARD, ZDF und den Dritten durchaus ein paar Sendungen fernab des Quotendrucks. Mit «Inas Nacht» und «Krömer - Die internationale Show» hat die ARD zwei ungewöhnliche Comedyformate mit speziellem Humor im nächtlichen Programm, die am FunFreitag bei Sat.1 oder RTL höchstwahrscheinlich keine Chance hätten und nach ein paar Folgen wieder abgesetzt würden. Das gleiche Schicksal würde wohl auch das preisgekrönte WDR-Format «Dittsche» oder Jürgen von der Lippes höchst unterhaltsame Literaratur-Comedy «Was liest du?» treffen. Auch in der ARD feiern diese Sendungen keine Quotenrekorde, doch scheint man dort die kleine, aber treue Fangemeinde nicht verärgern zu wollen und produziert die Formate konsequent weiter.
Wer auf einfallsreiche Interviews steht, wird bei arte und 3sat fündig. In «Durch die Nacht mit...» und «Ein Fisch für 2» treffen sich zwei Prominente an ständig wechselnden Schauplätzen und führen ein Vier-Augen-Gespräch. Dadurch entsteht eine überraschend intime Atmosphäre, in der die Protagonisten oftmals Dinge erzählen, die sie in einer herkömmlichen Talksendung niemals verraten würden. Ebenfalls bei 3sat läuft «Charlotte Roche unter...»: In dieser Sendung begleitet die Skandalautorin einen Tag lang eine bestimmte Berufsgruppe wie z.B. Bestatter, Altenpfleger oder Trucker, und bringt dem Zuschauer auf ihre unverwechselbare Art den Alltag dieser Menschen näher.
Ab und zu traut sich auch ein Privatsender an ein ungewöhnliches Format heran und wird am Ende sogar dafür belohnt. ProSiebens «Stromberg» war lange Zeit ein absoluter Geheimtipp mit einem kleinen Zuschauerkreis. Doch mit der aktuell laufenden vierten Staffel hat sich die Serie völlig überraschend zu einem echten Quotenrenner entwickelt. Es wäre also wünschenswert, wenn dies ein Anreiz für die Privatsender wäre, viel öfter mal Formate abseits des Mainstreams auszuprobieren, anstatt immer mehr auf Fließbandware für das Proletariat zu setzen. Naja, man wird ja noch träumen dürfen...