Ein Einfluss der Politik in die Berichterstattung hält für den Zuschauer Nachteile bereit, meint Jürgen Kirsch.
Der Fall „Brender“ ist in aller Munde. Der Verwaltungsrat des ZDF hat seinem Chefredakteur die Vertragsverlängerung verweigert und greift damit indirekt auch in die Pressefreiheit mit ein, denn schließlich spricht man im Zuge der Nichtverlängerung seines Vertrages auch von politischen Gründen, die die Entscheidung gehabt haben soll. Die Mehrheit der Verwaltungsrats-Mitglieder gehört der hessischen CDU an. So ist auch Roland Koch, seines Zeichens Ministerpräsident der Hessen, stellvertretender Vorsitzender des Rates vom Mainzer Sender. Zudem war Koch Nikolaus Brender, dem bisherigen Chefredakteur des Zweiten, der größte Gegner von Roland Koch, da Brender sich der parteipolitischen Einflussnahme auf seinem Sender wiedersetzt hat. Nun hat das ZDF-Gremium mit Brender auch dem unabhängigen Journalismus eine Absage erteilt.
Das erinnert auf den ersten Blick an italienische Verhältnisse, wo Silvio Berlusconi die Medienlandschaft nach Gutdünken beherrscht. Doch so schlimm steht es um das ZDF nicht, trotzdem darf die Entscheidung gegen Nikolaus Brender und die politische Beeinflussung hinterfragt werden. So ist es doch auch eine Frage der Presse- und Rundfunkfreit, die im Grundgesetz verankert ist.
Die Opposition spricht von verfassungsrechtlichen Bedenken und möchte den Fall nach Karlsruhe bringen. Doch beim Mainzer Sender ist die Entscheidung längst gefallen. Brender muss seine Koffer packen. ZDF-Intendant Markus Schächter, eigentlich für Personalentscheidungen zuständig, wollte den Vertrag mit Brender um mindestens fünf Jahre verlängern, zeigte sich nach der Abstimmung, in der die erforderliche Mehrheit nicht zustande kam, enttäuscht und unzufrieden. Dennoch wird er einen neuen Chefredakteur zusammen mit dem Verwaltungsrat suchen müssen. Dieser wird dann mit dem Beinamen leben müssen, der ZDF-Chefredakteur zu sein, der durch Roland Koch und die CDU in sein Amt gehievt wurde. Sicherlich auch für ihn keine leichte Ausgangsposition.
Dabei erscheint es mehr eine politische Entscheidung gewesen sein, denn eine journalistische. Denn mit Brender wurde die Sendung «heute» auf neue Beine gestellt. Ein neues Studio, hochklassiger Journalismus, viele Hintergrundberichte und jede Menge Information. Mit Claus Kleber oder Marietta Slomka hat man zwei kompetente Köpfe als Anchor-Leute und das Hauptaugenmerk der Berichterstattung liegt auf Nachrichten, die für den Zuschauer wichtig sind. Nicht das Boulevard, nicht Backstage-Berichte von diversen Shows, sondern Politik, Weltgeschehen und Wirtschaft sind die tragenden Säulen der neu ausgerichteten und hochmodern ausgestatteten «heute»-Sendung. Ergänzt durch nützliche Informationen in den weiteren Nachrichtensendungen.
Der investigative Journalismus kam keinesfalls zu kurz. Denn wo gibt es sie noch die Journalisten, die Spitzenpolitikern wie hochrangigen Managern auf den Zahn fühlen. Wie auch die «Tagesschau» ist «heute» im ZDF in dieser Kategorie unverzichtbar. Auch mit «RTL aktuell» ist man in Sachen Reichweiten auf einer Höhe, wenn auch nicht bei den jungen Zuschauern. Dies war Teil der Kritik an Brender, doch die Quoten sprechen heute eine andere Sprache. Intendant Markus Schächter strich die „publizistische Unabhängigkeit und journalistische Kompetenz“ von Brender heraus. Letzteres ist für jedermann im Programm des ZDF festzustellen, ersteres wird man in der CDU nicht gerne gesehen haben. Denn auch die Konservativen wurden hinterfragt und in der Berichterstattung keineswegs von der journalistischen Sorgfaltspflicht ausgenommen. Denn im Interesse des Journalisten steht die Wahrheit, die man dem Leser, dem Hörer oder dem Zuschauer erzählen möchte, hier und da auch ans Licht bringt, wo sie von Beteiligten lieber unter Tage gehalten werden möchte. Das ist auch im Sinne der Zuschauerschaft, die Tatsachen erfahren will statt geschönter Fakten.
Inwiefern sich das ändern wird, wenn ein nicht ganz so CDU-kritischer Chefredakteur (vom Verwaltungsrat berufen) am Ruder sein wird, bleibt abzuwarten. Ebenso ist unklar, was das ZDF wie auch die Opposition im Fall „Brender“ tun kann. Bereits im Vorfeld der Abstimmung kritisierten renommierte Staatsrechtler in einem offenen Brief den Versuch der CDU, Brender aus seinem Amt zu drängen. Sie erklärten „die Angelegenheit zum Verfassungsrechtsfall“. Doch eine Antwort aus Karlsruhe wird sich Wochen hinziehen. Vielleicht sollten die ZDF-Zuschauer es den deutschen Studenten gleich machen und einen Informationsstreik veranstalten. Wo aufgemalte Bologna-Leichen auf dem Fußboden der Universitäten kleben, Spruchbänder die Gebäude zieren und Menschenmassen auf die Straßen gehen, wird die Stimme jedenfalls gehört. Es sollte auch im Sinne des Fernsehzuschauer-Volks sein, dass in ihren Nachrichten keine Meinung gemacht wird, sondern der Zuseher sich die Meinung bildet. Auch eine Medienlandschaft folgt demokratischen Grundsätzen, die zudem verankert sind. Sonst kann das ZDF-Logo gleich umdekoriert werden. In den orangenen Kreis schreibe man ein weißes „C“ und dahinter in ebenso organgenen Lettern „DU“ – schon ist es fertig das neue Senderlogo, bei dem alles stimmt, nur einer bleibt auf der Strecke: Der unabhängige Journalismus.
«Kirschs Blüten» gehen auch nächste Woche wieder auf - Dienstags nur bei Quotenmeter.de!