Redakteure rund um diesen Globus sind sich einig: Das Jahrzehnt endet in diesen Tagen und ein Rückblick auf die letzten zehn Jahre muss her. Selbstverständlich kann ich mich da nicht raushalten und möchte meine Leserinnen und Leser deswegen auf eine Zeitreise durch die Jahre 2000 bis 2009 mitnehmen. Das Thema unserer Zeitreise: Die Kinokarrieren dieses Jahrzehnts, die sich am stärksten wandelten. Welche Personen und Studios gingen in den letzten zehn Jahren den weitesten Weg?
Wir suchen die spannendsten Imagewechsel, die steilsten Aufstiege und die härteste Abstürze aus den vergangenen zehn Jahren Kinogeschichte.
Diese Woche präsentiere ich Platz 10 bis 6, und zu Beginn des neuen Jahres folgt in einer weiteren Ausgabe dieser Kolumne der Rest der Rangliste.
Platz 10: Quentin Tarantino
Der Kultregisseur aus Knoxville machte sich in den 90er Jahren einen Namen mit unabhängig und semi-unabhängig produzierten, kostengünstigen und vor Coolness triefenden Gangsterstreifen. Mit «Reservoir Dogs», «Pulp Fiction» und «Jackie Brown» definierte er die Vorstellung des Kinopublikums, wie lässige Gangster auszusehen und zu reden haben, neu und leitete gemeinsam mit Kevin Smith («Clerks», «Chasing Amy») und Robert Rodriguez («Desperado») eine Blütezeit des Independentkinos ein. In dieser Dekade verließ Tarantino das in Hinterhöfen, Parkplätzen und Retro-Burgerbuden und handelnde Verbrechertum und strebte nach größerem. Zwar bleib er seinem oft kopierten, nie erreichten Schreibstil treu, doch sein Racheepos «Kill Bill» entwickelte zudem eine ambitionierte Bildsprache und beinhaltete nicht nur Tarantinos charakteristische Gewaltspitzen, sondern auch aufwändig choreographierte Kampfsequenzen. Zusammen mit seinem Kumpel Rodriguez drehte Tarantino danach die opulente B-Movie-Hommage «Grindhouse» und in diesem Jahr konnten sich Kinogänger in «Inglourious Basterds» den Zweiten Weltkrieg aus dem Blickwinkel des Kultfilmers betrachten. Für seinen nächsten Film kündigte Tarantino an, wieder ein weniger epochales Werk an. Damit würde er in der kommenden Dekade da weitermachen, wo er in den 90ern aufhörte.
Platz 9: Ben Affleck
Noch zu Beginn dieses Jahrzehnts tanzte Affleck erfolgreich auf zwei Hochzeiten: Als Schützling von Mega-Produzent Jerry Bruckheimer sollte er zum Actionhelden erzogen werden, gleichzeitig drehte er mehrere Filme für Independent-Studios. Dann geriet sein Boot ins Wanken. Die großen Hollywood-Produzenten verloren das Interesse an ihm, angeblich soll Jerry Bruckheimer aufgrund einer Shampoo-Werbung den Glauben daran verloren haben, Affleck sei ein idealer Actionfilm-Protagonist, dafür entdeckten ihn die Klatschspalten. Die medienwirksame Beziehung (und spätere Trennung) mit Jennifer Lopez übersättigte das Publikum, und die miese Qualität einiger seiner Filme, darunter der berühmt-berüchtigte Liebesfilm «Gigli», brachen seiner Karriere das Genick. Zwar spielte er danach mit Achtungserfolg bei den Kritikern den Superman-Schauspieler George Reeves in «Die Hollywood-Verschwörung» und nahm auch wieder in größeren Produktionen Rollen an, dennoch ist er weiterhin weit vom früheren Ruhm entfernt. Seine Zukunft scheint auf dem Regiestuhl zu ruhen: Soviel Lob, wie er für seine Regiearbeit «Gone Baby Gone» erhielt, dürfte Affleck nicht mehr gewohnt sein.
Platz 8: Michael Moore
Vom launigen Politkommentator zum erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten: Zu Beginn der Dekade war Michael Moore hauptsächlich in den USA bekannt, wobei seine einzig wirklich erfolgreiche Dokumentation, sein Erstlingswerk «Roger & Me» auch schon einige Jahre her war. 2002 feierte er mit dem Doku-Essay «Bowling for Columbine» über den US-amerikanischen Waffenwahn einen wahren Sensationserfolg. Sein Buch «Stupid White Men» über die politische Lage der USA stürmte die Bestsellerlisten und spätestens, seit Moore 2004 mit «Fahrenheit 9/11» den weltweit erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten veröffentlichte, ist er nicht mehr aus der Film- und Politwelt wegzudenken. Sein Stil wurde kopiert, imitiert und parodiert, Moore selbst wurde zum Thema kritischer und hetzerischer Dokumentationsfilme, während seine eigenen Filme weiter weit überdurchschnittliche Ergebnisse an den Kinokassen erzielen.
Platz 7: Jerry Bruckheimer
Aufgrund seiner Erfolgsbilanz auch als „Mr. Blockbuster“ bekannt, zeichnete sich Jerry Bruckheimer für Filme wie «Beverly Hills Cop», «Top Gun», «Bad Boys», «tue Rock», «Con Air», «Armageddon» und «Der Staatsfeind Nr. 1» verantwortlich. Mit dem Sport- und Rassendrama «Gegen jede Regel» mit Denzel Washington veröffentlichte der Actionproduzent 2000 erstmals einen Film unter dem „Walt Disney Pictures“-Label. Damals hätte wohl niemand geahnt, dass dies seine neue Heimat werden sollte: Das Drama wurde in den USA ein großer Kinoerfolg, und 2003 folgte mit «Fluch der Karibik» der erste Disney-Film, der in den USA die „PG-13“-Jugendfreigabe erhielt. Der gigantische und unerwartete Erfolg des Piratenspektakels zog zwei bombastische Fortsetzungen nach sich, und mit «Das Vermächtnis der Tempelritter» produzierte Bruckheimer ein zweites Disney-Abenteuer, welches fortgesetzt wurde. Zwar produzierte Bruckheimer in der Zeit nach «Fluch der Karibik» auch weiterhin Non-Disneyfilme, darunter den Thriller «Déjà Vu», allerdings sollten diese, mit Ausnahme von «Bad Boys II», geschlossen hinter den finanziellen Erwartungen bleiben.
Platz 6: DreamWorks Animation
Als Jeffrey Katzenberg 1994 nach dem Tod von Frank Wells, dem Präsidenten der Walt Disney Company, nicht zu dessen Nachfolger bestimmt wurde, verließ er wutentbrannt den Konzern und gründete zusammen mit Steven Spielberg und David Geffen ein neues Hollywood-Studio, welches es den etablierten Studios zeigen sollte. Katzenbergs anfängliche Gehversuche im Animationsbereich kamen insgesamt jedoch eher durchwachsen beim Kinopublikum an, der Erfolg «Der Prinz von Ägypten» wurde von zwei Flops umrahmt. 2001 aber eroberte DreamWorks die Animationsfilmwelt im Sturm: «Shrek», die wüste Parodie auf Märchen und insbesondere ihre Disneyverarbeitungen, holte weltweit über 484 Millionen US-Dollar ein und bahnte den Weg für zahlreiche, ähnlich gelagerte Animationskomödien. Nachdem sowohl «Spirit – Der wilde Mustang», als auch «Sinbad: Der Herr der sieben Meere» an den Kinokassen scheiterten, stampfte Katzenberg seine Zeichentricksparte ein und konzentrierte sich von da an auf Filme wie die «Shrek»-Fortsetzungen, «Madagascar» oder «Ab durch die Hecke», mit denen sich DreamWorks Animation zum härtesten Konkurrenten der Animationsspezialisten von Pixar mauserte. Mittlerweile ist Katzenbergs Trickfilmsparte ein von Spielbergs Realfilmstudio DreamWorks unabhängiges Unternehmen - und es ist Katzenberg, der die Rechte am Namen hält, nicht Spielberg.
In einer Woche geht es weiter mit den fünf größten Karrierewandeln der Kinojahre 2000 bis 2009. Bis dahin wünsche ich allen Leserinnen und Lesern einen guten Rutsch ins neue Jahr und schöne Feststunden an Silvester.