Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Das HD-Chaos

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HD wird in diesen Tagen groß diskutiert. Doch das Chaos beim HD-Fernsehen lässt bisher nur Wenige zuschauen.

Wir befinden uns im Jahre 2010 nach Christus. Die ganze Welt ist vom HD-Fernsehen begeistert… Die ganze Welt? Nein! Ein von unbeugsamen Fernsehzuschauern bevölkertes Land hört nicht auf, den hochauflösenden TV-Bildern Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für verwirrten Bürger, die doch so gerne ihren HD-Fernseher benutzen wollen…

Frei nach dem klassischen Asterix-Anfangsmonolog offenbart sich in diesen Tagen und Wochen das große Dilemma, das vom hochauflösenden HD-TV-Standard in Deutschland ausgeht. ARD und ZDF senden seit dem 12. Februar mit dem Beginn der Olympischen Winterspiele aus Vancouver ihr Programm in HD – doch bisher schaut wohl fast niemand zu, obwohl schon Millionen Menschen HD-fähige Fernseher in ihren Wohnzimmern stehen haben. Schuld ist eine Chaos-Politik seitens der Sender, Kabelnetz- oder Satellitenbetreiber, die versuchen, es dem verwirrten Endkunden so schwer wie möglich zu machen…

Vor 20 Jahren ging der Bürger ins Elektro-Fachgeschäft und kaufte einen Fernseher. Heute geht der Bürger ins Elektro-Fachgeschäft und kauft ebenfalls einen Fernseher. Der Unterschied: Heute muss man studierter TV-Technik-Wissenschaftler sein, um im Dschungel der verschiedenen Geräte durchzublicken. LDC, Plasma, LED-Backlight, DVB-C, CI-Slot, 1080i, 720p, HD+, Full HD, HD ready, 100hz. Wer heutzutage weiß, welchen Fernseher er sich kaufen muss, der hat entweder vorher wochenlang diverse Internetseiten mit Erklärungsversuchen durchforstet oder sich aus lauter Verzweiflung auf die – oft inkompetente – Beratung in den Geschäften verlassen.

Die Informationspolitik seitens der Fernsehgeräte-Hersteller ist also nicht die allerbeste. Aber wer erst einmal einen HD-Fernseher gekauft hat, weiß oft noch immer nicht, wie er denn nun das hochauflösende Fernsehen empfangen kann. Beispielsweise haben sich hunderttausende von ahnungslosen Kunden schon vor zwei Jahren HD-Fernseher angeschafft, obwohl noch überhaupt kein HD-Fernsehen gesendet wurde. Die böse Überraschung folgte beim ersten Einschalten, als das vermeintliche HD-Bild sogar noch schlechter aussah als das Bild des alten Röhrenfernsehers.

Nein, es wurden möglichst alle Vorkehrungen getroffen, um die Deutschen so gut wie möglich vom HD-Fernsehen auszuschließen. Oder weniger pointiert formuliert: Die Sender und Netzbetreiber haben sich einige Möglichkeiten einfallen lassen, um den Kunden noch einmal finanziell zu schröpfen, wenn es um hochauflösende Bilder geht. Seit einigen Monaten verbreiten RTL und VOX in HD ihr Programm per Satellit, seit Januar sind auch ProSieben, Sat.1 und kabel eins dabei. Doch um die verschlüsselten HD-Sender zu empfangen, muss sich der Kunde an den sogenannten HD-Plus-Standard binden. Dazu benötigt er einen neuen, geeigneten HD+-Receiver, der mittlerweile im Handel erhältlich ist. Außerdem werden 50 Euro Jahresgebühr fällig. Weiterhin schränken der neue Receiver und die neue Smartcard die Fernsehfreiheit des Kunden deutlich ein: Die Sender können nun steuern, dass Kunden das Programm nicht mehr auf ihre Recorder aufnehmen dürfen oder festlegen, dass bestimmte Sendungen nicht mehr vorgespult werden dürfen, damit auch bei Aufzeichnungen die TV-Werbung angeschaut wird.

In den Kabelnetzen herrscht ebenfalls Chaos. Dort sind noch überhaupt keine großen privaten HD-Sender empfangbar – die meisten Betreiber beschränken sich auf die Einspeisung der neuen Programme Das Erste HD und ZDF HD. Der Super-Gau wäre beinahe eingetreten: Der größte Kabelbetreiber Kabel Deutschland weigerte sich, die Kosten für die Einspeisung der neuen HD-Programme komplett zu übernehmen und bat ARD und ZDF zur Kasse. Kurz vor dem HD-Start am 12. Februar einigte man sich schließlich nach monatelangem Streit. Dennoch: Wer Kabelkunde ist, der ist bisher vom hochauflösenden Fernsehen nahezu komplett ausgeschlossen. Wann sich dies ändern wird, steht in den Sternen.

Doch auch der Start der öffentlich-rechtlichen HD-Programme zu den olympischen Spielen offenbarte ein technisches Chaos: Denn ARD und ZDF haben sich bei ihrer Übertragung für den Bildstandard 720p entschieden, der deutlich weniger Auflösung besitzt als der 1080i Standard, der sich weltweit nahezu komplett durchgesetzt hat. Da die Olympischen Winterspiele – wie fast alle ausländischen HD-Sendungen – nun im 1080i produziert werden, müssen ARD und ZDF das Fernsehbild erst umrechnen, was wiederum die Bildqualität beeinflusst. Auch die privaten HD-Sender setzen über Satellit auf 1080i und nicht die geringere Auflösung. Begründung der ARD: Das angeblich bessere Bild bei schnellen Bewegungen in 720p. Dennoch: Dieser Schritt ist und bleibt verwunderlich. Nicht verwunderlich wäre es, wenn die Sender im Nachhinein noch auf das etablierte Format umschwenken.

Ebenfalls werden die Einschaltquoten der HD-Sender bisher nicht gemessen, was zu einer Verzerrung der Quoten führen kann, wenn doch schon einige Zuschauer mehr in HD schauen als bisher vermutet. Media Control teilte mit, dass erst auf „lange Sicht“ eine Messung der Zuschauerzahlen über HD-Sender geplant sei. Und genau dies offenbart letztlich, wie stiefmütterlich und vernachlässigt das hochauflösende Fernsehen bisher in der weltweit zweitgrößten TV-Nation behandelt wird, während die meisten anderen großen Länder schon seit Jahren in den scharfen Fernsehgenuss kommen. HD in Deutschland: Es ist bisher nichts anderes als eine Katastrophe.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.

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