Uwe Walter, der als Berater für verschiedene Sender und Formate arbeitet, hat sich den Claim genauer angeschaut.
Mitte vergangenen Jahres startete RTL II seinen neuen Claim „It’s fun.“, eine Kampagne die von der Kreativagentur Opium Effects aus München begleitet wurde. Es ist sicher nicht einfach, eine narrative Senderaussage von unten nach oben - also „bottom up“ - festzulegen. Denn aus Zuschauersicht hat heute kaum noch ein Sender eine eindeutige Nutzenaussage oder eine runde Produktfamilie. Viele Themen wie „Kochen“ oder „Dokusoaps“ lassen sich mehreren Sendermarken zuordnen, unter anderem weil jeder von jedem kopiert. Woran soll man sich also bei der Entwicklung eines neuen Claims orientieren? Wie müssen die RTLII zuarbeitenden Abteilungen, Agenturen und Autoren ihre Produkte, Sendungen und Verbrauchererlebnisse gestalten, um die maximale, senderkonforme Aussage zu destillieren? Mit welchem Zusatznutzen können die Mediaagenturen ihre Werbekunden am Ende der Kette überzeugen?
Erstmal ein Blick aufs Programm. Das besteht zur Zeit aus Sendungen wie «Big Brother», «Der Trödel-Trupp», «Fun Club», «Die Mädchen Gang», Kinoklassikern, Kultfilmen und Serien wie «Dexter» und natürlich auch den «RTL II News».
All diese Sendungen müssen sich in dem Claim „It’s fun“ widerspiegeln. Und der muss jetzt mit kleinen Storys hinterlegt und durch tausendfache Wiederholung beim Zuschauer verankert werden. Bestenfalls so, dass der Zuschauer RTL II als Spaßsender abspeichert und einschaltet, weil er tatsächlich Spaß hat, wenn er sich das Programm anschaut.
Im Rahmen des neuen On Air-Designs hat RTL II auch Teaser geschaltet, die das Programm einbinden. Vor einem einfarbigen Hintergrund steht links ein Prominenter aus dem RTLII Programm. Die Programmszene im Bild dahinter ist gekippt, die Schräge wirkt dynamisierend, was durchaus zur Marke passt. Es entsteht ein dreidimensionaler Effekt aus Programmszene, Promi und Titeltypo. Im Fluchtpunkt die Kernaussage des Teasers – die Programmankündigung „Montag, 23:15 Uhr.“ Eine gute gemachte, saubere Arbeit, die den Kern der Marke vor das Programm stellt und damit das Verbrauchererlebnis herausstellt.
Eine zweite Teaserform gibt’s bei der Programmübersicht. Prägende Elemente: Der Song „Drei“ von der Band „Killerpilze“: „Alle guten Dinge sind drei sagt man gern. Es gab auch die drei Könige…Sie folgten einem Stern.“ in Verbindung mit dem Key Visual. In der Maske eines Glücksspielautomaten mit rotierenden Banderolen laufen die RTLII-Protagonisten bis zum Stand im Pack Shot. „RTL II ist fun Hoch 3“, heißt es dann dazu.
Das Claimdesign sollte den Claim optimal unterstützen. Die Grundfläche des Screens ist schwarz und steht für das Geheimnisvolle, Dunkle, das Unbekannte. Man misst sich bei RTL II nicht am Göttlichen, sondern geht symbolisch in die Unterwelt. Ganz anders noch vor Jahren, als sich das RTL II Logo auf weißem Grund befand. Kleingeschriebene, blockartige und stabile Buchstaben sind eher bescheiden im Auftritt – an Ende ein Punkt, der die Aussage abschließt. Kein Nebensatz, keine Erklärung. Die Farben der Freude sind reinbunt, ein Add-on auf das Dunkle, Unbekannte. Gemäß dem Motto: Wir sind Hedonisten, die am Abgrund tanzen. Das Design mimt den Stil der 70er Jahre, eine Zeit aus dem viele der Kernseher stammen. So entsteht eine positive Rückkopplung für zahlreiche Mittvierziger, die sich an ihre Kindheit erinnert fühlen.
In den Sender-IDs wird der Claim visuell und narrativ illustriert. Den Anfang machten Partyszenen voller junger, schöner, tanzender Menschen. Sie sind zu Upperclass, um der echten Kernseherschaft von RTL II zu entstammen. Die Zuschauer sollen Lust bekommen zu tanzen, fröhlich zu sein und einer Gemeinschaft anzugehören. Fernsehen wird ja oft einsam oder zu zweit erlebt, doch bei den Sender IDs steht das Gruppenerlebnis im Mittelpunkt. Eine heitere Welt ohne Probleme, Verpflichtungen oder Stress. Keine festen Partnerschaften, keine Familie, keine Kinder, sondern die After Work Welt von Erfolgsmenschen, die das Image des Senders heben sollen. Sie verkaufen sexuelle Potenz, Schönheit und Erfolg. Über den erlebbaren existentiellen Abgründen im RTLII Programm schwebt eine himmlische Instanz attraktiver (Jung-)Frauen. Hier wirkt die sexuelle Selektion zur besseren Fortpflanzung als höchstes Ziel der Evolution. Ein Grundwerkzeug des Storytellers.
Nicht anders verfahren die saisonalen 10-sekündigen IDs. Auch Sie vermitteln Spaß, diesmal beim Skifahren. Vor der weißen und blauen Aura des Reinen und Göttlichen tummelt sich eine attraktive Auswahl freizügiger, spaß- und paarungswilliger junger Menschen.
Ihre Religion ist der Hedonismus, die alte und zeitlose Wertehaltung von RTL II. Schon zu Josef Andorfers Zeiten hatte der Sender auf diese vernachlässigte und sozial geächtete Zielgruppe gesetzt. Lust als höchstes Gut und Lust als Bedingung für Glückseligkeit, das ist es, was uns diese jungen Menschen erleben lassen. Insofern, hat sich der Sender an seine alten Gene erinnert und nicht wie Sat.1 mit „Colour your life“ seine traditionellen Zuschauer aus dem Senderhaus gekippt.