Statistisch gesehen

Wahlen und Quoten

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Wahlprognosen sind oftmals unheimlich genau. Warum das so ist und was es uns über die Messung der Einschaltquoten verrät.

Statistisch gesehen hätten bei der letzten Bundestagswahl 18 Prozent Horst Schlämmer wählen wollen und doch hatte ihn keines der großen Umfrageinstitute auf der Rechnung. Und die haben schließlich immer Recht.

Es herrscht mal wieder Wahlkampf auf den Straßen, zumindest in Nordrhein-Westfalen, denn die Landtagswahlen stehen an. Da wird auf den Wahlplakaten dann auch schon mal mit einer Kompetenzgarantie geworben - eigentlich hatte ich bislang angenommen, dass Kompetenz eine selbstverständliche Grundvoraussetzung sein sollte, wenn man für ein Amt im Landtag kandidiert. War vielleicht eine etwas zu naive Vorstellung; die Ansprüche scheinen doch ordentlich gesunken. Was die millionenschweren Unternehmungen im Endeffekt einbringen, werden wir am 9. Mai um 18 Uhr sehen, wenn die Wahllokale schließen und die Stimmen ausgezählt werden. Wahrscheinlich sogar schon viel früher.

Die beiden Zauberworte der Demoskopen an den Wahlabenden lauten Prognose und Hochrechnung. Erstere basiert auf Wählerbefragungen noch bevor überhaupt eine einzige Stimme offiziell gezählt wurde und letztere auf den Ergebnissen des ersten Bruchteils der ausgewerteten Wahlzettel. Und beide sind extrem exakt. Sogar die Sonntagsfrage Tage vorher sagt das Ergebnis oft schon erstaunlich genau voraus. Jedenfalls sofern es sich nicht um die wöchentliche Sonntagsfrage im Sat.1-Videotext handelt, denn dann hätten wir schon längst die Mauer zurück - hinter der sich aufopferungsvolle Demokraten vor den Linken verstecken, die das Land regieren. Wie machen die Meinungsforscher das mit oft nur rund eintausend Befragten?

Was als viel zu kleine Stichprobe für 60 Millionen Wahlberechtigte erscheint, ist in Wahrheit mehr als genug für ein gutes Ergebnis, natürlich solange man die Befragten repräsentativ für die gesamte Bevölkerung auswählt und die Umfrage nicht in der Wahlzentrale einer der Parteien durchführt. Das lässt sich alles recht einfach berechnen. Wird eine Partei, nennen wir sie einfach mal die SCP, von 20 Prozent der Bevölkerung gewählt, so erhält eine Wahlumfrage unter 1000 repräsentativ gewählten Personen in 57 Prozent der Fälle ein Umfrageergebnis zwischen 19 und 21 Prozent. Um mehr als zwei Prozentpunkte weicht es gar nur in elf Prozent der Fälle ab. Und mehr als drei Prozent sind kaum noch ein realistisches Ereignis.

Betrachtet man diese Zahlen, wird plötzlich ziemlich klar, wie absurd der gern geäußerte Vorwurf ist, die Einschaltquotenmessung, die über das Wohl und Wehe jeder Serie und jeder Show entscheidet, sei nur eine grobe und ungenaue Schätzung, wie man sie gerne aus Fankreisen vernimmt, wenn die Lieblingssendung gerade nicht den besten Lauf hat. Oder wenn man sich mal wieder wundert, woher der RTL-Nachmittag seine Zuschauer hat, wenn es doch angeblich niemand gesehen haben will (eben der Bildzeitungseffekt). Dazu ein kleines Experiment, in dem ich Fernsehverhalten und Quotenmessung simuliert habe.

Die Zuschauer eines virtuellen TV-Markts verteilen sich im Mittel entsprechend der aktuellen Jahresmarktanteile auf die Sender, wobei jeder Sender die Chance hat, auch mal ein quotenstarkes oder -schwaches Programm zu haben - es gleicht sich aber alles tendenziell aus. Das virtuelle Zuschauerpanel, in dem die Zuschauerzahlen gemessen werden, umfasst wie das reale rund 13000 Personen, also schon einmal deutlich mehr als bei einer durchschnittlichen Wahlumfrage. Natürlich sitzen die nicht immer alle vor dem Fernseher, sondern zur Primetime eher etwa ein Drittel, mal etwas mehr, mal etwas weniger. Wenn man jetzt die echten Marktanteile mit den Hochrechnungen des Panels vergleicht, ergibt sich für die Differenzen die folgende Grafik:



50 Prozent der Messungen liegen in einem Schwankungsbereich von gerade einmal plus/minus 0,3 Prozentpunkten. 90 Prozent der Messungen liegen maximal 0,7 Prozentpunkte vom wahren Wert entfernt. Bei den meisten Serien ginge das im natürlichen Rauschen unter. Ein richtiger Ausreißer um mehr als 2 Prozentpunkte kommt einmal in zehntausend Fällen vor - also fast nie. Und selbst diese zwei Prozentpunkte machen keine ungeliebte Scripted Reality zum Hit oder «Lost» zum Flop des Monats. Dazu muss man sich vor Augen halten, dass es sich hier um eine wirklich simple Darstellung eines komplexen Mess- und Auswertungsverfahrens handelt. Kritik an Einschaltquotenmessung ist also absurd, weil mathematisch wasserfest.

Und trotzdem: Selbst wenn das Ergebnis schon vorher festzustehen scheint: Nicht den Gang zur Wahlurne vergessen!

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.

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