Richterspruch

Der alte Hasselhoff und der neue Superstar

von
Christian Richters Rückblick auf den Monat April: Mit Hasselhoff, Markus Lanz und «Let's Dance».

Das Thema des Monats

Deutschland hat mit Mehrzad Marashi einen neuen Superstar . Zumindest wenn es nach RTL geht. Obwohl der Sender diesen bereits zum siebten Mal suchte, zeigten sich noch immer keine Abnutzungserscheinungen des Konzepts. Vielleicht lag es daran, dass die Macher in diesem Jahr noch ein bisschen mehr Show draufpackten. Nicht nur, dass neben der ohnehin schon aufwendigen Licht- und Bühnentechnik nun auch Choreographien, Kinderchöre und fragwürdige Bühnendekorationen hinzu kamen, sondern auch der Konkurrenzkampf der Finalisten wurde härter und polarisierender arrangiert als in den vorangegangenen Jahren. Dass dieser inszenierte Kampf brutal auf dem Rücken der Kandidaten ausgetragen wurde, zeigte das Verhalten des Zweitplatzierten Menowin nach der Verkündung des Ergebnisses. Im Interview mit Frauke Ludowig in der Spezialsendung «Die Nacht der Stars» starrte er nur noch leblos ins Leere. Selten sah man einen Menschen derart in sich zusammengefallen. Dies schien jedoch Frau Ludowig nicht zu stören, die ihm unaufhörlich Fragen stellte, obwohl er nur einsilbig antwortete und an jedem anderen Ort sein zu wollen schien, also vor einer laufenden Fernsehkamera.

Die Zahl des Monats

Empörende drei Minuten überzog die «Tagesschau» am 20. April 2010 ihre reguläre Sendezeit. Diese Ungeheuerlichkeit war der Bild-Zeitung am darauffolgenden Tag sogar eine eigene Meldung wert. „Millionen TV-Zuschauer wunderten sich - ‚Tagesschau’ mit Überlänge!“, schrieb das Blatt. Das journalistische Magazin hakte wie gewohnt investigativ beim zuständigen Chefredakteur Dr. Kai Gniffke nach. Dieser nannte als Grund für die zusätzliche Länge die ausführlichen Berichterstattungen zum Flugchaos durch den Vulkanausbruch in Island. Mehr war nicht dahinter. Schade eigentlich. So konnte die Bild-Zeitung doch keine Verschwörung, Panne oder gar menschliches Versagen aufdecken.

Die Lieblinge des Monats

Mit «Danni Lowinski» von Autor Marc Terjung ist Sat.1 seit Jahren endlich wieder ein eigenproduzierter Hit gelungen. Zu recht, die flippige, freche und witzige Serie ist erfrischend und bietet für die ewig gutgelaunte Anette Frier genau den richtigen Rahmen. Mit solchen Produktionen kann die Krise der deutschen Serien endlich überwunden werden.

Am 15. April 2010 diskutierte Markus Lanz in seiner ZDF-Sendung über das fünfjährige Amtsjubiläum des deutschen Papstes. Unter den Gästen war neben Michel Friedman auch die Theologin und ehemalige Bundespräsidenten-Kandidatin Uta Ranke-Heinemann eingeladen, die in der Vergangenheit immer wieder für lebhafte Fernsehauftritte sorgte. Sie ist bekennende Kirchkritikerin und hat deswegen neben vielen anderen Sanktionen auch ihren Lehrstuhl verloren. Bei «Markus Lanz» unterbrach sie die Diskussion immer wieder um ihre kritischen Ansichten zu äußern. Nachdem der Moderator sie bat, sich zu beruhigen, geriet sie in große Rage und wandte sich fortan mit dem Rücken zu den Kameras nur noch an das Studiopublikum. Immer wieder riet sie dazu bei YouTube den Film «Sex, Crimes und Vatican» aufzurufen, der zahlreiche Skandale aufdecken würde. Unabhängig davon, ob man ihre Position teilt und unterstützt, war es sehr wohltuend in den immer braveren Talkshows endlich wieder jemanden zu sehen, der seine Position mit Leidenschaft vertritt. Diese Leidenschaft macht Uta Ranke-Heinemann zu einem Liebling des Monats.

Der Aufreger des Monats

Am 15. und 17. April 2010 feierte die ARD ihren 60. Geburtstag im Rahmen einer zweiteiligen Geburtstagsshow. Leider wurde die Chance nicht genutzt, die eine solche Show gehabt hätte. Obwohl die ARD über das umfangreichste Rundfunk-Archiv verfügt und selbst die deutsche Rundfunkgeschichte überhaupt erst begründet hat, blieben die Shows belanglos und inhaltsschwach. Es wäre die Chance gewesen einen umfassenden Rückblick mit legendären, skurrilen und überraschenden Ausschnitten umzusetzen. Viel zu wenig reflektierte das deutsche Fernsehen seine eigene Geschichte ernsthaft. Doch stattdessen wurde die Sendezeit mit belangslosen Gesprächen der ewig gleichen Gesichter verschwendet. Wie sich Thomas Gottschalk und Günther Jauch kennen gelernt haben, ist hinlänglich bekannt und gehört nicht in eine solche Gala. Auch das anschließende Tele-Tennis-Match zwischen den beiden und Boris Becker war überflüssig. Letztendlich entstand eine Show, die sich kaum von der Jubiläums-Show von RTL unterschieden hat. Das ist deswegen ärgerlich, weil das öffentlich-rechtliche Fernsehen immer mehr den Privatsendern hinterher läuft, anstatt sich auf die eigene Tradition und eine eigene Identität zu konzentrieren. Wenigstens machten die vier langen Nächte dieses Defizit etwas wett, wenngleich auch die dortige Auswahl zum größten Teil längst bekannt Ausschnitte wiederholte.

Der Haufen des Monats

Den Preis für den größten Dünnpfiff des Monats erhält David Hasselhoff für seinen Auftritt am 24. April 2010 im «Musikantenstadl». Schon in der Woche zuvor tingelte er durch Shows wie «TV Total» oder «Markus Lanz», doch das Highlight sollte erst in der Volksmusiksendung folgen. An diesem Abend feierte er offiziell sein wiederholtes Comeback – diesmal vor Rentnern und Volksmusikfans. Während seines Auftritts wurde der gefallene Star nicht müde zu betonen, dass er eine Autobiografie geschrieben habe und nach seinem Fall wieder aufgestanden sei. Diese ewig gleichen Aussagen, seine ewig gleichen deutschen Brocken und das ewig gleiche Glitzersakko waren eigentlich schon unerträglich genug, doch die Macher der Volksmusiksendung setzten noch einen drauf. Sie überspitzten seine Selbstdarstellung mit einer Überraschungs-Botschaft von Davids Vater, der zu allem Überfluss auch noch ein österreichisches Trachtenhemd trug. Die „Verblüffung“ spielte Hasselhoff derart unglaubwürdig, dass es kaum auszuhalten war. Zum großen Finale durfte er dann noch seinen legendären Hit „Looking For Freedom“ zusammen mit Andy Borg, der seinen Anteil in deutsch sang, in bestem Playback interpretieren. Was für ein Comeback!

Und sonst noch...

...ist «Let’s Dance» zurück. Und wieder schaffte es RTL die Medien auch abseits der Show zu beherrschen. Schon Wochen vor dem Start spekulierte die Presse über das Abschneiden der Kandidaten und wie die krebserkrankte Sylvie Van Der Vaart auftreten würde. Die Show selbst ist wieder ein perfekt produziertes und ungeheuer aufwändiges Spektakel , bei dem jedes Element sitzt. Dumm nur, dass von den zehn Teilnehmern bereits zwei krankheitsbedingt ausgeschieden sind und so das Finale vorab ausgedünnt werden musste. Noch bizarrer als manche Tanzvorführung sind allerdings die Outfits des Jurors Harald Glööckler, der nicht von dieser Welt zu stammen scheint.

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