1 Stunde Wahnsinn

«1 Stunde Wahnsinn»: Eine Nacht mit Yasmine Bleeth

von
Quotenmeter.de-Redakteure schauen fern, dieses Mal von 3 bis 4 Uhr. Alle Eindrücke über die eine Stunde TV-Konsum gibt es hier.

Kurz vor drei Uhr mitten in der Nacht. Ich reibe mir verschlafen die Augen und fühle wie der einsamste Fernsehzuschauer der Welt - oder jedenfalls Deutschlands. Wer außer einem Quotenmeter-Redakteur ist so verrückt und schaltet um diese Uhrzeit die Glotze ein? Ganz schön viele wie die Quotenmessung am nächsten Tag verraten wird: Rund zweieinhalb Millionen Menschen haben mich auf meiner Odyssee durch die seichten Untiefen des deutschen Nachtprogramms begleitet. Ich schiebe das mal auf die brütende Hitze selbst zu dieser nachtschlafenden Zeit, denn bei allen sonstigen Erklärungsversuchen würde das deutsche Fernsehvolk denkbar schlecht wegkommen.

Ein Klick auf die Eins: Bewegtbild. Eine gute Nachricht, denn in den 90ern wäre dieses Experiment wohl noch an der einschläfernden Wirkung von TV-Testbildern gescheitert. Aber die 90er sind vorbei. Ich hatte gar nicht erwartet, mitten in der Nacht auf vertraute Gesichter zu stoßen, aber die ersten Sekunden belehren mich sofort eines besseren: Yasmine Bleeth stolziert über den Bildschirm - jedem, der dem Teeniealter bereits entwachsen ist respektive dieses in den 90ern verbracht hat, sicherlich noch bestens aus «Baywatch» bekannt. Um drei Uhr nachts sind die 90er halt doch noch nicht so ganz vorbei. Yasmines Charakter besucht ihren kranken Vater, berichtet davon, einen Mann angefahren zu haben und über eine Streifenwagen, der aus dem Nichts kam. Die Atmosphäre ist ziemlich gestellt düster. Ein Schnellschuss, aus der damaligen Bekanntheit der Hauptdarstellerin noch Kapital zu schlagen? Als Sprungbrett für die große Karriere kann man «Baywatch» ja nun wirklich nicht bezeichnen. Ein Polizist verbrennt Beweismittel, das Feuer spiegelt sich fies in seiner Brille. Es wird mysteriös.

Im Zweiten: Verhöre. Im Dritten: prügelnde Polizisten. Im Vierten: "extrem feuchte Luder". Eine Sekretärin räkelt sich zu Fahrstuhlmusik auf ihrem Schreibtisch. Besonders anregend ist das nicht, da schalte ich lieber nochmal zurück zu Yasmine. Der kranke Vater ist wieder gesund, das erkennt der Arzt sogar, während er die Röntgenbilder noch versehentlich falsch herum hält. Ein (gar nicht so) subtiler Hinweis darauf, was an diesem mysteriösen Ort nicht stimmt? Später mehr - jetzt geht's zu RTL.

Lachende Gesichter und herzende Menschen. Es wird "Was wär' ich ohne Dich?" von Ich + Ich eingespielt. "Wir lassen Herzen höher schlagen" versichert eine Stimme aus dem Off. Hat RTL etwa Kai Pflaume abgeworben? "Deutschlands erfolgreichste Dokuserien". Achso. Die üblichen RTL-Gesichter werden eingeblendet: Rach, Vera. Die lassen mein Herz nicht höher schlagen. Das gilt auch für «Das Strafgericht», das nun weiter geht. Ein Laiendarsteller beschuldigt einen anderen, ihm heißes Wasser ins Gesicht geschüttet zu haben. Close-Up auf das verbrühte Gesicht. Für Make-Up scheinen diese Shows sowie mehr Geld auszugeben als für ihre Darsteller. Verbrennungen, Schnittwunden, Clowns.

Am Puls der Zeit: die «AppsNight» bei nrw.tv. Zwei angebliche Moderatoren flegeln sich auf einer Couch und spielen ein Kunstquiz auf dem Handy. So technikaffin scheint der weibliche Teil der Doppelmoderation beim Anblick der auf Handydisplay gezwängten Kunstwerke dann doch nicht: "Lädt der die jetzt eigentlich gerade aus dem Internet runter?". Und auch der männliche Part vertritt interessante Ansichten: "Diebstahl ist ja wohl wirklich das Interessanteste bei Kunst". Und ob es nun der, die oder das Louvre heißt, darauf können sich beide nicht so richtig einigen. Immerhin das Suchwort, um die App zu finden, kennen sie: Art. "Wohlgemerkt mit T am Ende." Hatte da jemand Angst, die Zuschauer würden ARD eingeben? Apropos ARD: Ein bedrohlich seinen Schlagstock schwingender Officer hält Yasmine auf der Straße an. "Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ihr Rücklicht kaputt ist". Ist mir letztens auch passiert. Allerdings ohne knüppelschwingenden Officer. Verkehrspolizisten.

Wie geht es eigentlich N24? Da läuft eine Doku aus einer deutschen Großküche. 10.000 Tabletts werden dort am Tag gespült, denn "Sauberkeit ist in einer Kantine das A und O". Wer hätte das gedacht? ntv: Pelikanschnäbel schnappen nach Fischen, akustisch illustriert mit dem Geräusch wetzender Messer. Phoenix: Dokumentation über die Verdrängung der römischen Götter durch den Vatikan. Wundert sich wirklich noch jemand, dass N24 als das böse Stiefkind unter den Nachrichtensendern gebrandmarkt wurde?

Auf der nächsten Seite prüft unser Redakteur, was eigentlich unter dem Begriff "Sportsender" zu verstehen ist.


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