Die Kritiker

«Durham County: Verlorene Kinder» (2x01)

von
Inhalt
Mike Sweeney wurde inzwischen zum Detective befördert, kämpft aber immer noch mit großen privaten Problemen. Sein Familienleben ist nach den Verbrechen des Serienkillers Ray Prager zerstört. Prager befindet sich in Haft, nachdem er zwei Frauen brutal ermordet und Mikes Tochter Sadie sexuell bedrängt, wenn nicht sogar vergewaltigt hat. Sadie bestreitet zwar einen körperlichen Missbrauch, aber Ray hat eine sexuelle Begegnung zugegeben. Da Sadie immer mehr gegen ihren Vater rebelliert, kann er nicht ausschließen, dass sie Geheimnisse vor ihm hat.

Mikes Frau Audrey reicht die Scheidung ein - sie sieht nach den ganzen schrecklichen Ereignissen keinen Weg zurück. Auf der Arbeit steht Mike ebenfalls vor neuen Herausforderungen: Er sieht sich mit einem Mordfall konfrontiert, bei dem auch ein Baby zu Tode kam. Als Beraterin in dem Fall steht ihm die Psychologin Pen Verrity zur Seite, die ihm einen Einblick in die Hintergründe der schrecklichen Tat verschaffen soll.

Darsteller
Hugh Dillon («Flashpoint») ist Mike Sweeney
Helene Joy («ReGenesis») ist Audrey Sweeney
Laurence Leboeuf («Being Erica») ist Sadie Sweeney
Greyston Holt («Fakers») ist Ray Prager Jr.
Patrick Labbé («Mirador») ist Tom Bykovski
Michelle Forbes («In Treatment») ist Dr. Pen Verrity
Cicely Austin («Dead Like Me: Life After Death») ist Maddie Sweeney
Mike Dopud («SGU Stargate Universe») ist Glen Stuckey
Romano Orzari («Punisher: War Zone») ist Ray Prager
u.a.

Kritik
Kanadische TV-Serien fristen immer noch ein Schattendasein im deutschen Fernsehen - sieht man einmal von der Ausnahme von «Flashpoint» ab, die derzeit auf RTL II in der zweiten Staffel läuft. Dabei haben die Fernsehmacher aus der direkten Nachbarschaft der Hollywood-geschönten Massenware aus den USA so einiges zu bieten. Als jüngeres Beispiel sei da nur die vor ein paar Jahren auf Arte ausgestrahlte Serie «ReGenesis» genannt. Aber auch so manch anderes, bisher auch unentdeckte Juwel, wartet noch auf eine Ausstrahlung. Und so verwundert die Zurückhaltung diesseits des Atlantiks doch schon sehr, wenn man sich zum Beispiel die Qualität und die Präsenz der hier besprochenen Serienperle anschaut.

Die kanadische Dramaserie «Durham County» kehrt nämlich schon mit der zweiten Staffel auf die deutschen Bildschirme zurück – wenn auch wieder nur im Pay-TV auf RTL Crime – aber immerhin. Schon Staffel 1 wusste mit seiner immens kurzen Staffeldauer von nur sechs Episoden Zuschauer und Kritiker gleichermaßen zu überzeugen. Lohn der Mühen waren in ihrem Heimatland diverse Nominierungen und Auszeichnungen bei der Verleihung der Gemini-Awards. Doch blickt man auf die Serie an sich, sind diese Preise nicht unbedingt selbstverständlich. «Durham County» ist nämlich unangenehm bedrückend und albtraumhaft, wirft einen durchweg dunklen und verstörenden Blick in die vermeintliche Vorort-Idylle und deckt dabei gut gehütete Geheimnisse auf, zerstört sogar Freundschaften. Und schon so manche Kritiker-Perle wurde durch eine unbequeme Art des Storytellings lieber von Zuschauern und Preisverleihern links liegen gelassen.

Die nun startende Staffel 2 steht dem Vorgänger jedenfalls in nichts nach, dringt teilweise sogar noch tiefer in die Welt ihrer Serien-Charaktere ein. Es wird wieder über Leichen gegangen, um unvermeidliche Risiken und Hindernisse aus dem Weg zu räumen. So steht Detective Sweeney – wieder einmal eine grandiose Vorstellung von Hauptdarsteller Hugh Dillon – trotz seiner Beförderung vor den Scherben seiner Ehe. Gleichzeitig kämpft er noch mit den Nachwirkungen seines traumatischen Erlebnisses, als Prager am Ende von Staffel 1 damit drohte, seine Tochter Sadie zu töten. Zu allem Überfluss hat Prager seinen Selbstmordversuch auch noch überlebt und blickt nun seinem Prozess entgegen.

Neben der Fortsetzung der in Staffel 1 begonnen Handlungsfäden, erhält die aktuelle Staffel zusätzliche Brisanz mit der Einführung einer neuen – ebenfalls verletzten – Seele. Dr. Pen Verrity, gespielt von der überaus überzeugenden Michelle Forbes («True Blood», «In Treatment»), muss mit dem Verlust ihrer Tochter klar kommen und hat gleichzeitig auch mit ihrem Sohn und ihrem aufbrausend-gewalttätigen Ehemann zu kämpfen. Mit Sweeney kreuzen sich die Wege mehrmals. Einerseits ist sie als seine Therapeutin an der Aufbereitung und Verarbeitung der traumatischen Vorgänge in Durham beteiligt. Andererseits nutzt er aber auch ihre Erfahrungen, um einen aktuellen Kindermordfall näher zu durchleuchten. Doch Hilfe leistet sie hier nur auf den ersten Blick…

Und so zieht sich die Handlung im Verlauf der Geschichte immer dichter und dichter. Niemand ist sicher und keiner scheint der zu sein, der er vorgibt zu sein. Lügen, Täuschung, Vertuschung, Mord und Verzweiflung. Immer tiefer, immer leidvoller wird der Sog. Nahezu schmerzhaft und unerträglich scheint das Werk von Autorin und Executive Producer Laurie Finstad Knizhnik voranzuschreiten. Grandiose Plot-Twists erwarten den Zuschauer auch in dieser Staffel, die Frage ist halt nur, wie lange die Zuschauer so traumatische, albtraumhafte Bilder noch ertragen können oder wollen. Ein einzigartiges und bemerkenswertes Geflecht an Figuren und Geschichten hat sie allerdings schon mit den bisher produzierten Folgen geschaffen. Man kann nur hoffen, dass alles zu einem Ende kommt, so lange der Plot noch nicht zu abgedroschen, der Wille zum Einschalten noch da ist.

Neben der schöpferischen Kraft hinter Laurie Finstad Knizhniks ist es dann aber vor allem die grandiose Optik der Serie, die aus der Masse an TV-Formaten heraus sticht. Mit einzigartigen, dunklen und mysteriösen Bildern, die von der Eröffnungssequenz der Serie über die vielen Zwischeneinblendungen in den einzelnen Episoden selbst, immer wieder das Geflecht an Überlandleitungen, kalte, karge Landschaften, halb fertig gestellte Gebäude und umherwandernde Figuren präsentieren – alles hat hier eine Bewandtnis, alles gibt der Serie ein Alleinstellungsmerkmal.

Und auch bei den schauspielerischen Leistungen kann sich hier so manche vermeintliche Qualitätsproduktion noch eine Scheibe abschneiden. Denn ähnlich wie bei den hoch gehandelten Dramaserien aus den Schmieden der US-Amerikanischen Pay-TV Anbieter, werden hier Figuren mit Ecken und Kanten, aber eben auch Fehlern und Macken gezeigt. Sie dürfen Fehler machen und sich auf den Bildschirmen ganz und gar ausleben. In «Durham County» fiel die Wahl auf Hugh Dillon - dem deutschen TV-Publikum am ehesten durch seine Rolle als Ed Lane in «Flashpoint» bekannt. Er spielt gleichzeitig verletzlich und stark, emotional und kaltblütig – alle Attribute seines Charakters werden glaubhaft verkörpert ohne übertrieben zu wirken. Bis in die kleinste Nebenrolle hinein stehen ihm aber ebenso gute und überzeugende Akteure beiseite. Auch hier letztlich wenig zu Bemängeln.

Was bleibt ist abschließend sei noch die kurze Anmerkung, dass es Quereinsteigern etwas schwer fallen dürfte, mit den Figuren und Konstellationen von «Durham County» auf Anhieb klar zu kommen. Es empfiehlt sich in diesem Fall eher, auf eine Wiederholung der ersten Staffel zu warten bzw. einen Kauf oder eine Ausleihe eben dieser anzugehen. Denn die Hypothek aus den ersten sechs Folgen ist zu schwer und tiefgreifend, um der Handlung in Season 2 noch rest- und problemlos folgen zu können. Den Fans von Stunde eins an sei aber auf jeden Fall geraten, auch jetzt wieder jeden Mittwoch einzuschalten. Ansonsten verpassen diese eine weitere Perle im Universum der Qualitäts-Fernsehserien.

RTL Crime zeigt die zweite Staffel von «Durham County» ab Mittwoch, den 08. September 2010, um 20:15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/44356
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