Bei RTL II ist aktuell vermehrt von Qualitätsmanagement zu hören, dabei müsste es Quotenmanagement heißen. Eine Bestandsaufnahme der zurückliegenden Tage.
Bei RTL II brennt es gewaltig – zahlreiche Journalisten machte man hierauf erst mit einer sehr seltsamen Pressemitteilung aufmerksam, die nicht nur eine Verbesserung der Programmqualität versprach, sondern auch die Trennung von der als Unterhaltungschefin arbeitenden Julia Nicolas publik machte. Während bei RTL II in diesen Tagen in der Öffentlichkeit immer wieder über Qualität gesprochen wird, dürften intern die Sorgen in Sachen Quote immer größer werden. Seit etwa drei Jahren hat VOX RTL II deutlich abgehängt – die Kölner Kollegen holen inzwischen rund acht Prozent Marktanteil, seit Kurzem ist auch kabel eins, unter anderem beflügelt durch «Two and a Half Men», deutlich weggezogen.
Im August kam kabel eins erstmals auf mehr als sieben Prozent, während RTL II mit gerade einmal 6,1 Prozent Vorlieb nehmen musste und somit nicht besser dastand als die Monate zuvor. Der September begann nun ganz bitter – auch wenn dieser noch nicht so alt ist; das Ergebnis von gerade einmal 5,9 Prozent macht wenig Mut. Allein die zurückliegende Woche zeigt die eklatanten Quotenschwächen des Münchner Kanals auf. Kein Primetime-Abend funktioniert wirklich richtig gut.
Am Schlechtesten sieht es hier noch am Montag aus, der nach dem Ende der zehnten «Big Brother»-Staffel äußerst verwaist wirkt. Weder «Abenteuer Afrika» noch ein eilig ins Programm geschustertes «Außergewöhnliche Menschen» funktionierten in der zurückliegenden Woche, sogar das sonst recht starke «Tattoo Attack» fiel mit nur noch 4,9 Prozent deutlich unter den Senderschnitt. Als Notlösung zaubert RTL II nun Spielfilme aus dem Ärmel, ab Oktober sollen neue Formate starten. Ob sie das Quotenproblem lösen, ist fraglich.
Dienstags wird «Generation Ahnungslos», eine Aufklärungssendung, wohl schon bald im Desaster und somit auf dem TV-Friedhof enden. Keine Ausgabe erreichte bislang den Senderschnitt, in der zurückliegenden Woche kam die dritte Episode nur noch auf 3,8 Prozent Marktanteil bei den Umworbenen. Das Format zog damit auch das sonst noch einigermaßen erfolgreiche «Zuhause im Glück» unter den Soll-Wert. Dass sich «Engel im Einsatz», das am Dienstag mit Verona Pooth zurückkehrt, mit diesem Lead-In dauerhaft über den Schnitt retten wird, ist sehr unwahrscheinlich. Am vergangenen Mittwoch startete die BBC-Serie «Paradox» nur auf Senderschnitt, «Heroes» lieferte den schlechtesten Staffelauftakt aller Zeiten ab. Weniger als sechs Prozent der Werberelevanten waren dabei.
Baustellen, wohin das Auge reicht – auch am Donnerstag läuft die Primetime nicht optimal. Die schlechten Quoten betreffen inzwischen auch Serien, deren Qualität eigentlich gut ist: «Flashpoint» kam mit einer neuen Folge nicht über richtig schlechte 4,1 Prozent Marktanteil hinaus und auch der sonst stets sehr starke «Frauentausch» erreichte gerade einmal 6,6 Prozent. Immerhin mal ein Wert oberhalb des Senderschnitts, wenngleich hier eigentlich auch massig Luft nach oben besteht.
Ein Blick auf den Freitag; früher ein Tag, an dem RTL II fast in Liga eins mitspielte, gerne mal Quoten von neun oder zehn Prozent erreichte. «Twister» lag mit etwas mehr als sechs Prozent auf Senderschnitt, «The Cell» erreichte schlechte fünf Prozent. Das, was vor drei oder vier Monaten noch funktionierte, wird heute also augenscheinlich nicht mehr angenommen. Die beiden Samstagsspielfilme holten mit 6,6 und 6,1 Prozent ebenfalls allenfalls ordentliche Werte, «Das Leben des David Gale» fiel am Sonntag wieder in den roten Bereich (5,1 %). Was mit dem Sonntag dauerhaft passiert, weiß niemand – das Experiment Shows zu zeigen, kann nicht wirklich als geglückt gewertet werden. Zuletzt stand das große Baustellenschild vor dem «Just the Best - Der große Musiktest»-Studio.
Das Problem von RTL II erstreckt sich aber auch auf den Vorabend – um 17.00 Uhr kam «Der Trödeltrupp» in der vergangenen Woche beispielsweise nicht über sehr dürftige 4,5 Prozent Marktanteil hinaus. Auf diesem Niveau lag auch «Die Schnäppchenhäuser», die jeweils um 18.00 Uhr beginnen. Mehr als 4,3 Prozent Marktanteil waren zurückliegende Woche nicht drin. Da hat es «X-Diaries» (Foto), die neue Dokunovela, natürlich richtig schwer. Dass man überhaupt auf einen Wochenschnitt von 6,7 Prozent kam, ist beachtlich. An «Big Brother» kommt die neue Produktion allerdings bei Weitem nicht heran.
Qualitäts- und Quotenprobleme wohin das Auge reicht – Programmchef Holger Andersen hat aktuell wohl den schwersten TV-Job Deutschlands. Seine Ideen fruchteten bisher nicht, es geht aber um viel mehr. Der neue Claim „It’s Fun“, eine gänzlich neue Positionierung des Senders, steht plötzlich zur Diskussion. Was muss sich bei RTL II ändern, um endlich mal auf sechseinhalb oder sieben Prozent zu kommen? Experten und Journalisten scheinen ratlos zu sein. Hat die jüngste Trash-Welle so viel kaputt gemacht, dass erst einmal eine ganze Zeit vergehen muss, ehe man wieder punkten kann? Fragen über Fragen, eine Baustelle neben der anderen. RTL II hat sich Sommer-Deutschland offenbar angepasst.