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Vom 'Must See TV' ins Quotentief: Das NBC-Dilemma

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Zwei Jahrzehnte dominierten NBCs Serien von «Cheers» bis «Friends» den US-Fernsehmarkt. Heute schlittert der Sender von einem Flop zum nächsten. Eine Chronologie des Niedergangs eines großen Networks.

Am 2. April 2009 bescherte das Finale von «Emergency Room» dem US-amerikanischen Sender NBC eine Reichweite von 16,4 Millionen Zuschauern und 17 Prozent Marktanteil und sicherte sich den 42. Platz in der Liste der erfolgreichsten Serienfinals aller Zeiten. Damit ging das letzte Überbleibsel einer Ära, an die man bei NBC wohl noch lange in Erinnerungen schwelgen wird, denn die Realität sieht beim Sender derzeit komplett anders aus: Die Marktanteile sind im freien Fall, die Quotenleuchttürme altern und neue Serien gehen regelmäßig baden.

Von 1985 bis 1999 konnte NBC elf mal die erfolgreichste Serie der Saison auf dem US-amerikanischen TV-Markt stellen. Das Aushängeschild des Senders war zu dieser Zeit das Programm am Donnerstagabend. In den 80ern dominierte NBC hier mit «The Cosby Show», die fünf mal in Folge zur erfolgreichsten Serie wurde, zusammen mit «Cheers». In den 90ern übernahmen «Seinfeld» und «Friends» die Sendeplätze und führten die Erfolge fort. Zusammen mit «Emergency Room», das ab 1994 am späten Abend aufblühte, prägte NBC einen Begriff für den Donnerstag und seine gesamte goldene Ära: "Must See TV". Mit dem Ende von «Friends» 2004 verlor der Donnerstag seine Ausnahmestellung. Das Spinoff «Joey» scheiterte früh, «Will & Grace», welche das Erbe von «Frasier» angetreten hatten, verloren viele ihrer früheren Zuschauer. Einzig «Emergency Room» sollte noch einige weitere Jahre die Stellung halten.

Heute besitzt NBC kein "Must See TV" mehr - weder als Slogan noch in Form von Sendungen, die zu Straßenfegern taugen. Seine Vormachtstellung auf dem TV-Markt hat der Sender längst verloren. Das einstige Vorzeigenetwork rangiert nur noch auf dem vierten Rang von fünf. Hinter sich lässt der Sender nur noch das The CW, das Network, das sich mangels Erfolg beim breiten Publikum fast nur noch auf weibliche Teenies konzentriert. Es gibt keine Anzeichen, dass sich an der Situation von NBC in näherer Zukunft etwas ändern wird.

Dabei hatte der Sender auch in der jüngsten Dekade durchaus seine Hits, die als Schritt in die richtige Richtung gedeutet werden konnten. Das Problem war allerdings: Während es anderen Sender wie CBS mit unter anderem «NCIS» oder ABC mit «Lost» gelang, ihre Hits über viele Jahre zu pflegen und mit Erfolg weiterzuführen, brachen bei NBC die Quoten schnell ein. Symptomatisch dafür: «Heroes». Nach dem Start 2006 avancierte die Superhelden-Serie zum Hit, wurde von seinen Fans zum Mystery-Thronerben von ABCs «Lost» ernannt, das in seiner dritten Staffel war und erstmals schwächelte. Ein Jahr später brachen die Quoten, die Kritikerstimmen verdüsterten sich ebenso und im Februar 2010 endete «Heroes» vor kleiner Kulisse. Es hatte nicht einmal «Lost» überlebt, das Monate später planmäßig endete. Eine ähnliche Entwicklung nahm «Deal or No Deal», mit dem im Herbst 2005 ein neuer Hit am Gameshow-Himmel erstrahlte, der auch schnell den Sprung nach Deutschland schaffte. Bereits 2009 war «Deal or No Deal» Geschichte.

Mittlerweile sehnt man sich bei NBC mit Sicherheit selbst nach solchen Kurzzeit-Hits, auch wenn sie das Programm und den Erfolg des Senders nicht nachhaltig prägen konnten und binnen weniger Jahre zu Problemkindern wurden. In den vergangenen beiden Jahren gelang dem Sender kein einziger großer Erfolg mehr und auch die groß angekündigten und aufwändigen Neustarts des aktuellen Jahres scheitern. Denn NBC hat sich bei Zuschauern und Branche einiges an Kredit verspielt.

Die Misere der letzten Jahre ist eng mit den Namen Jeff Zucker und Ben Silverman (Foto) verknüpft, die ab 2007 die Posten als Geschäftsführer und Programmchef bekleideten. Unter ihrer Führung wagte der Sender einige bemerkenswerte Neuerungen, mit denen innovative Wege eingeschlagen werden sollten. Dazu gehörte neben der Vorverlegung der traditionellen Upfronts, auf denen die Sender ihr Herbstprogramm vorstellen, vor allem das Experiment «The Jay Leno Show» - Latenight in der Primetime. Für die Saison 2009/2010 räumte NBC unter der Woche den Sendeplatz um 22.00 Uhr komplett frei, um Jay Leno, dem früheren Gastgeber der namhaften «Tonight Show», eine neue werktägliche Show zu geben. Das Experiment schlug fehl, die «Jay Leno Show» erzielte fürchterliche Quoten und in einem Streit, der alle Beteiligten schlecht dastehen ließ, wurde Lenos Nachfolger Conan O'Brien die Moderation der «Tonight Show» wieder entzogen, um sie Leno zurückzugeben. NBC musste im Frühjahr 2010 im Hauruck-Verfahren neues Programm für 22.00 Uhr aus dem Boden stampfen und den entstandenen Schaden bereinigen. Silverman, der den Schlamassel zu verantworten hatte, war da längst Geschichte. Er verließ den Sender im Sommer 2009.

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