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Wohin führt der Weg? TNT vor «Dallas»

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«The Closer» konnte noch bis 2012 gerettet werden - was aber kommt danach? Der Kabelsender TNT droht nicht nur USA aus den Augen zu verlieren, bald könnte man nur noch die dritte Geige spielen.

Am 13. Juni 2005 begann für Turner Network Television eine neue Ära. Die Serienpremiere von «The Closer» bescherte dem Kabelkanal eine Zuschauerschaft von mehr als sieben Millionen Zuschauer, was für den damals kleinen Sender einen enormen Erfolg darstellte. «The Closer» war nicht die erste originale Serie für TNT, welches in den Jahren zuvor durch Syndikationen erfolgreicher Network-Serien sowie schnelle Absetzungen eigener Formate aufgefallen ist, aber es war die bis dato erfolgreichste. Vergangene Flops waren für eine kurze Zeit vergessen, und TNT belebte Hoffnungen, endlich den Cable-Riesen USA Network im direkten Quotenduell besiegen zu können. Nach fünf Jahren sieht TNT sich immer noch hinter USA - und das nicht nur nach den Wechselbad der Gefühle, welches TNTs Medienmogul Ted Turner mit seinem größten Sender durchlebte: Das Jahr 2010 war in der Senderhistorie nicht gerade eines der besten. Und für 2011 sieht es für TNT auch nicht besonders rosig aus.

Mit sieben originalen Serien im Portfolio startete der Kabelkanal ins neue Jahr. Zwei Serien aus dieser Liste erreichten ungeahnte Quotenhöhen im zurückliegenden Jahr, eine Serie steht kurz vor der Absetzung, während die restlichen vier Programme zwischen den Stühlen stehen. Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass eine der quotenschwächeren Programme sich noch zu einem Breakout-Hit entwickelt und die Chancen, dass TNT in naher Zukunft einen neuen Erfolg landet, stehen auch nicht besonders gut. Dazu ist das aktuelle Material nicht gut genug, um die Zuschauer zu begeistern, sowie nicht erfolgreich genug, um eine Verlängerung zu garantieren.

TNT scheint dieses Problem erkannt zu haben und versucht immerhin, den Erfolg von «The Closer» bis zum nächsten Jahr zu strecken. Vor Kurzem wurde die finale Staffel um sechs Episoden erweitert, damit der Sender nicht nur neue Episoden für 2012 hat, sondern auch genügend Zeit, um ein eventuelles Spin-off vorzubereiten. Die ersten Planungen sehen vor, dass ein neuer Charakter in den letzten sechs Episoden eingeführt werden soll, der dann die Hauptperson im vorerst betitelten «Major Crimes» sein wird. Ob die neue Serie, sollte diese im nächsten Jahr bestellt werden, an den Erfolg von «The Closer» anknüpfen kann, lässt sich zur Zeit noch nicht erahnen; zumal schon ähnliche Stoffe auf NT in der Vergangenheit gescheitert sind: Das Polizeidrama «Wanted» wurde 2005 nach nur einer Staffel eingestellt, und auch die von Jerry Bruckheimer produzierte Serie «Dark Blue», welche nicht mit positiven Kritiken gesegnet war, fand ein erwartetes frühes Ende nach zwei quotenschwachen Staffeln.

Auch mit Genre-Serien scheint TNT in der Vergangenheit kein Glück gehabt zu haben, was der Sender in diesem Jahr ebenfalls ändern will. Der «Babylon 5»-Nachfolger «Crusade» fand ein abruptes Ende nach einer halben Staffel, die Comicverfilmung «Witchblade» fand keine Zuschauerschaft, die groß genug war, um der Serie ein langes Leben zu bescheren. Da scheint es vorhersehbar, dass auch die neue Serie «Falling Skies» (Foto) keinen Erfolg bei den Zuschauern erleben wird. Geschichten einer Alieninvasion und Widerstandskämpfern sind für das Kino reserviert und fanden im TV eher wenig Anklang. Zudem gehört das Science-Fiction-Genre im Fernsehen zu einer aussterbenden Art - selbst ABCs «V» versucht derzeit seine Zuschauer zu halten, um 2012 für eine dritte Staffel zurückzukehren. TNT versucht trotzdem einen Hype um die Steven-Spielberg-Produktion aufzubauen, und bewirbt «Falling Skies», welches im Juni startet, schon jetzt als „epic television series“. Dass solch beworbene Serien in der Regel beim Zuschauer überhaupt nicht ankommen, zeigte in der laufenden TV-Saison schon NBCs «The Event».

Auch die anderen angekündigten Neustarts können nicht versprechen beim Zuschauer einzuschlagen. Von der Anwaltsserie «Franklin & Bash», die noch keinen Starttermin hat, dürften die Wenigsten zuvor gehört haben; dass NBC/Universal und TNT von Dick Wolf bedrängt werden, um über eine Rückkehr des nach 20 Jahren beendeten Krimiklassikers «Law & Order» zu diskutieren, haben wahrscheinlich die Meisten wieder vergessen. Alle Augen richten sich darauf, ob etwas aus dem «Dallas»-Reboot wird. Die Produktion der Pilotepisode haben noch nicht begonnen, jedoch sind die News voll von Larry Hagmans Rückkehr zur Serie – besonders nachdem die Rückkehr der alten Serienstars Patrick Duffy und Linda Gray von TNT schon bestätigt wurden. Die neue «Dallas»-Version wird dabei einen ähnlichen Weg einschlagen, den schon The CW mit «Melrose Place» vor zwei Jahren beschritten hat: Erzählt wird die Geschichte von J.R.s und Bobby Ewings Söhnen, John und Christopher, die in die Fußstapfen ihrer Väter getreten sind, um die persönlichen als auch professionellen Probleme ihres Alltags zu teilen. Jordana Brewster («Fast & Furious») wurde kürzlich als erstes neues Castmitglied vorgestellt und wird die Rolle von Elena übernehmen, die sich in einem Liebesdreieck zwischen John und Christopher wiederfindet. Dass auch solche Reboots im TV in der Regel nicht funktionieren, durfte The CW 2009 erleben, als «Melrose Place» den Ansprüchen der Zuschauer und des Networks nicht genügte und nach 18 Episoden beendet wurde. Zudem ist es eine Frage, ob die Zielgruppe solche Primetimesoapformate überhaupt noch annimmt. Ist mit «Dallas» ein kalkulierbarer Flop am Start?

Während die TNT-Zuschauer auf neues Material warten, fragen sich andere, wie lange die aktuellen Formate noch auf Sendung sein werden. Die Augen werden dabei ganz speziell auf «Southland» geworfen, welches Ende 2009 von NBC übernommen wurde. Für die dritte Staffel wurden schon starke Budgetkürzungen hingenommen, um den schwachen Quoten gerecht zu werden und es scheint unwahrscheinlich, dass das authentische Polizeidrama für ein viertes Jahr zurückkehren wird. «Southland» ist auch eines der aktuellen Beispiele, dass gute Kritiken einer Serie niemals helfen und einen Quotenansprung verursachen können. Vergleichbar mit dem Schicksal, welches «Terriers» auf FX durchlebte, könnte auch «Southland» bald am Ende seiner Lebenszeit angekommen sein – weitere Budgetkürzungen und Darstellerentlassungen wird die Serie wohl kaum vertragen können.

Zusätzlich stellt sich die Frage, ob der letztjährige Überraschungshit «Rizzoli & Isles» (Foto) im Sommer mit starken Quoten zurückkehren wird. Die Detektivserie ist nicht nur der einzige Erfolg neben «The Closer», es ist auch die einzige Hoffnung auf einen Erfolg im Programm, wenn «The Closer» im nächsten Jahr endet und «Falling Skies» sich nicht als Zuschauermagnet herausstellt. Alles andere als eine Bestätigung des Staffel-eins-Durchschnitts von 6,8 Millionen Zuschauern, wenn nicht sogar eine Steigerung der Reichweite, wäre auch eine Überraschung. Dasselbe kann man auch von anderen Serien wie «Leverage» und «Hawthorne» behaupten. Beide Formate waren in der Lage stabile, wenn nicht minimal bessere, Quoten einzufahren, während «Men of a Certain Age» mehr als 50 Prozent seiner Zuschauer verloren hat. Kurioserweise (oder gerade deswegen: natürlich) ist «Men of a Certain Age» ein Kritikerliebling, während «Hawthorne» regelmäßig verrissen oder wie «Leverage» gar keine Beachtung geschenkt wird.

Das letzte Beispiel zeigt, dass TNT zur Zeit kein Interesse hat, sich zu einem speziellen Sender zu entwickeln und dem Publikum einen Kritikerliebling nach dem anderen zu geben. Kriminalgeschichten wie «Rizzoli & Isles» beweisen, dass die Zuschauer nicht nach anspruchsvollen und komplizierten Stoffen Ausschau halten. Beispiele wie «Terriers» und aktuell «Lights Out» auf FX zeigen, dass die Zielgruppe nach simplen Stoffen giert, mit denen das Gehirn nach einem langen Arbeitstag nicht in eine Überbeschäftigung verfällt. Damit lassen sich in letzter Zeit nicht nur solche Erfolge wie «Jersey Shore» erklären, sondern auch viele der verfrühten Serienabsetzungen in der jüngsten TV-Geschichte. TNT ist da nicht auf einsamer Spur, wenn es heißt, dass namhafte («Falling Skies» und «Dallas») und einfach zugängliche Dramen («Franklin & Bash») gegenüber interessanteren Projekten vorgezogen werden. Kabel-Rivale USA handelt nicht anders, liefert eine oberflächliche Serie nach der anderen, und feiert einen Erfolg nach dem anderen.

Es ist nicht die Frage, ob TNT für die nächsten paar Jahre die Nummer zwei hinter USA in den Kabelcharts bleiben wird. Es ist die Frage, wie lange es dauert, bis TNT von anderen Kabelkanälen überholt wird, die ihr Programm mit immer mehr Erfolgen füllen. Sobald TNT keinen dritten Quotenrenner im Geschäft hat, dürfte der Sender schon in wenigen Jahren nur noch die dritte Geige spielen. Hoffnungen liegen nun auf dem Science-Fiction-Spektakel «Falling Skies» und dem jetzt schon mit Bedacht beobachteten «Dallas». Sollten sich diese beiden Neuzugänge in diesem und nächstem Jahr sich nicht zu Quotenerfolgen entwickeln, dürfen die Zuschauer eine Verwässerung des Programms erwarten, ähnlich wie es auf USA heute zu sehen ist. Wenn wenigstens «Falling Skies» zu einem Erfolg wird, zeigt ein Kabelkanal, dass Science Fiction im TV noch nicht ausgestorben ist. Und sollte «Dallas» sich zu einem TV-Schlager entwickeln, dürften die Zuschauer mit noch mehr Reboots und Remakes im US-Fernsehen zu rechnen. Die Augen sind auf TNT geworfen, die zukünftige Ausrichtung des Senders wird sich in den nächsten zwei Jahren entscheiden.

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