Bereits ein Jahr vor der Erstveröffentlichung des Jugendromans «Ich bin Nummer Vier» sicherte sich DreamWorks auf Anraten von Michael Bay die Filmrechte. Spielbergs Kinoschmiede musste sich dabei gegen «Alias»-Schöpfer J. J. Abrams durchsetzen, der dieses Jahr mit «Super 8» ebenfalls eine Alien-Geschichte ins Kino bringt – in Zusammenarbeit mit Steven Spielberg.
Im August 2010 schaffte es «Ich bin Nummer Vier» dann auf die Kinder- und Jugendbestseller-Liste der New York Times, die Autoren James Frey und Jobie Hughes sprachen von bis zu fünf Fortsetzungen. Für DreamWorks ging ein Traum in Erfüllung, befand man sich doch auf der Suche nach einem neuen Kinofranchise, um die Lücke zu füllen, die «Transformers» bald hinterlassen wird. Der Abschluss exakt dieser Filmreihe war es auch, der Michael Bay davon abhielt, sich der Adaption von «Ich bin Nummer Vier» zu widmen. Für ihn sprang Spielbergs Protegé D.J. Caruso in die Bresche, der zuvor «Disturbia» und «Eagle Eye» inszenierte. Und somit führt der frühere Fernsehregisseur seine cineastische Talfahrt ins Reich der Bedeutungslosigkeit unaufhaltsam weiter.
Die Story: Ich bin 08/15
Neun Außerirdische mit besonderen Fähigkeiten mussten ihren Heimatplaneten verlassen und verstecken sich seither auf der Erde vor den gefährlichen Mogadorianern. Obwohl sie von Beschützern begleitet werden, die sich als ihre Eltern ausgeben, starben bereits drei der neun Auserwählten. Jetzt machen ihre Erzfeinde Jagd auf Nummer Vier (Alex Pettyfer). Dieser muss sein bisheriges Leben in einem sonnigen Strandort abrupt abbrechen, als eines seiner Alien-Brandmale während eines Badeausflugs aufleuchtet und ihn gegenüber den Anwesenden als „Freak“ enttarnt. Von seinem Beschützer Henri (Timothy Olyphant) wider Willen ins regnerische Paradise, Ohio verschleppt, verguckt sich der gut gebildete Jugendliche in die Außenseiterin Sarah (Dianna Agron), was ihm den Tapetenwechsel deutlich erleichtert. Henri hingegen behagt es gar nicht, dass sich sein Schützling so offensiv in die Öffentlichkeit begibt, geschweige denn in die Arme einer passionierten Hobbyfotografin, deren Website den geheimen Standort von Nummer Vier preisgeben könnte. Und zu allem Überfluss entwickeln sich ausgerechnet jetzt die Kräfte von Nummer Vier weiter, was es ihm zusätzlich erschwert, unauffällig zu bleiben.
Die Idee: Ich bin eiskalt durchkalkuliert
Es benötigt kein Diplom in Zynismus, um einen gewissen Verdacht zu schröpfen, weshalb sich DreamWorks so voreilig die Kinorechte an «Ich bin Nummer Vier» sicherte: Aus der Perspektive eines Studiobosses hat die Sci-Fi-Teenie-Romanze alles, was ein erfolgreicher «Twilight»-Trittbrettfahrer braucht. Ob nun Vampire oder Aliens, der Unterschied ist in dieser Umsetzung kaum zu bemerken. «Ich bin Nummer Vier» wirft bloß wohlkalkuliert eine zusätzliche Dosis Action in die Mixtur, hoffend, sich dadurch eine größere Zielgruppe zu erschließen. Doch wieder einmal widerspricht die Praxis der Realität: Statt «Twilight» in den Schatten zu stellen, bleibt «Ich bin Nummer Vier» an den US-Kinokassen meilenweit hinter den Studioerwartungen zurück. Sicherlich werden Studiovertreter die Schuld auf den eher niedrigen Bekanntheitsgrad der Vorlage schieben. Stattdessen sollten sie ihr Augenmerk auf die Umsetzung lenken, denn «Ich bin Nummer Vier» hat viel zu wenig Eigenleben, um als erfolgreicher Start eines Franchises in die Geschichte einzugehen.
Die ärgste Schwäche von «Ich bin Nummer Vier» ist die inhaltliche sowie tonale Uneinigkeit. Der Film will von allem etwas bieten: Sci-Fi, Action, Mystery-Thriller, Teenie-Romanze. Für eine solche Aufgabe scheint Regisseur D.J. Caruso nicht die schlechteste Wahl, hat er doch im gelungenen «Disturbia» schon Teenie-Romantikkomödie erstaunlich gut mit einem inoffiziellen Remake von Hitcocks «Das Fenster zum Hof» und modernem Slasher-Horror kombiniert. In seinem jüngsten Film gibt er dem Zuschauer aber von allem zu wenig, und dies obendrein allzu uninspiriert, als dass auch nur eine der vielen Zutaten bleibenden Eindruck hinterließe. Während das Sci-Fi-Element vollkommen unterentwickelt daherkommt und keinerlei Neugier für die tiefer gehende Mythologie dieser Filmwelt erwecken kann, reiht sich in der Romanze ein ausgetretenes Klischee an das nächste.
Die Durchführung: Ich bin uninspiriert
Das Drehbuch von Alfred Gough, Miles Millar und Marti Noxon wirkt wie die Checkliste aller obligatorischen Elemente eines High-School-Fernsehdramas aus den Neunzigerjahren. Unter dem Namen John Smith rasselt Nummer Vier schnell an das örtliche Football-Team, welches gleichzeitig die Schultyrannen verkörpert. Selbstverständlich ist der Gruppenanführer Mark (Jake Abel) hinter dem gleichen Mädchen her, wie unser Filmheld, und natürlich ist Marks Vater auch der parteiische Sheriff der Stadt. Und wie es sich für Teenie-Kram mit übernatürlichem Element gehört, befreundet sich Nummer Vier mit dem ausgelachten Verschwörungstheoretiker der Schule (Callan McAuliffe). Und schon beginnt ein heimliches Wettrennen in «Ich bin Nummer Vier»: Sind die Figurenkonstellationen oder die Charakterisierungen langweiliger?
Die Schauspielerriege raubt «Ich bin Nummer Vier» mit ihren blassen Darbietungen schließlich die letzte Hoffnung auf Denkwürdigkeit. Jake Abel spult einen langweiligen Klischee-Schultyrannen ohne jegliche Eigenheiten runter, «Glee»-Star Dianna Agron entwickelt keinerlei Chemie mit ihren Leinwandpartnern und Timothy Olyphant bemüht sich meist vergebens, seiner eindimensionalen Ersatzvaterfigur Leben einzuhauchen. Allein Callan McAuliffe kann als Loser ein wenig Sympathie erzeugen, selbst wenn auch er hauptsächlich Klischees bedient. Das Ex-Model Alex Pettyfer schlussendlich hat vielleicht den Körper eines Actionstars, sein müdes In-die-Ferne-Starren, welches Melancholie darstellen soll, macht Nummer Vier aber so uninteressant, dass einen sein weiterer Verbleib kalt lässt. Nicht, dass man in den ersten Actionszenen des Films überhaupt ausmachen könnte, wie sich Pettyfer so schlägt, denn das Handgemenge vor dem großen Finale ist zappenduster, verwackelt und hektisch verschnitten.
Erst im letzten Akt schmeckt man heraus, dass «Ich bin Nummer Vier» von Michael Bay produziert wurde: Die Inszenierung bleibt schnell, aber man kann der immer bombastischer werdenden Action plötzlich folgen. Im Finale vertrösten den Zuschauer außerdem passable Effekte dafür, dass weiterhin kaum Spannung aufkommt. Zum Schluss kommt mit Nummer Sechs (Teresa Palmer) auch endlich eine Figur vor, die für dringend benötigten Zunder sorgt. Ihre Einführung zu Beginn des Films wurde planlos zwischen zwei Szenen gequetscht, bevor sie für rund die Hälfte der Laufzeit vergessen wird, ganz kurz wieder zu sehen ist und dann bis zum Schlusskampf auf sich warten lässt. Da ist wohl ein Subplot der Schere zum Opfer gefallen. Dies wäre ärgerlich, denn Teresa Palmer kommt als Nummer Sechs zwar nur die bescheidene Aufgabe der kernigen Kämpferbraut zu, doch wenigstens hat sie sichtbaren Spaß. Das kann man über das restliche Ensemble nicht unbedingt sagen.
«Ich bin Nummer Vier» ist einer dieser blassen, schnell vergessenen Pseudo-Blockbuster, wie man sie dutzendweise in der Grabbelkiste des nächstgelegenen Supermarkts findet. Und selbst wenn man Gefallen an ihm fände, sollte man ihn sich irgendwann als kaum beachtete Geräuschkulisse während eines Spieleabends unter Freunden ansehen, so wüsste «Ich bin Nummer Vier» noch immer zu enttäuschen. Denn die überdeutlich angedeutete Fortsetzung wird es aufgrund der schwachen Kinoeinnahmen wohl kaum geben.
Fazit: «Ich bin Nummer Vier» wirkt wie eine unausgegorene Pilotfolge zu einer Sci-Fi-Teenie-Serie. Standardmäßige Charakterisierungen, altbekannte Situationen, viele blank gelassene Passagen in der Hintergrund-Mythologie und ein Ende, das sämtliche Türen speerangelweit offen lässt. Wäre «Ich bin Nummer Vier» der Beginn einer Fernsehserie, stünde eine Fortsetzung vielleicht zur Debatte. Als Kinofilm ist «Ich bin Nummer Vier» aber ein klarer Fehlschuss.
«Ich bin Nummer Vier» ist seit dem 17. März in vielen deutschen Kinos zu sehen.