Hingeschaut

«Der Fall Sexy Cora» - Ein ungewöhnliches Leben

von
RTL II zeigte eine Reportage über das Leben der kürzlich verstorbenen Erotikdarstellerin.

Am 20. Januar verstarb die Erotikdarstellerin Sexy Cora, die mit bürgerlichem Namen Carolin Wosnitza hieß, an den Folgen eines Herzstillstands im Alter von nur 23 Jahren. In der Reportage «Ein viel zu kurzes Leben - Der Fall Sexy Cora» beleuchtet RTL II ihren ungewöhnlichen Lebensweg. Die Sonderausgabe der Reihe «Exklusiv - Die Reportage» zeichnet das Leben der gebürtigen Berlinerin nach. Knapp drei Monate nach ihrem tragischen Tod sollen die Zuschauer erfahren, wie aus dem unschuldigen Teenager mit Berufswunsch Krankenschwester ein Pornostar wurde. Warum ließ sich die junge Frau immer wieder freiwillig operieren, und was ging bei der letzten Operation schief?

Die Reportage beginnt mit den Reaktionen von Carolins Angehörigen und Freunden auf den tragischen Todesfall. Ihre Großeltern, ihr Onkel Volker sowie der Ex-«Big Brother»-Mitbewohner Carlos bringen ihre Trauer zum Ausdruck. Die Kamera begleitet Carolins Witwer und Manager Tim zu einem liebevoll geschmückten Grabmal. Er erklärt, dass er die Marke "Sexy Cora" weiterführen und auch künftig Internetvideos und DVDs mit seiner verstorbenen Ehefrau vermarkten wird. Dies wird in der Reportage kritisch kommentiert, da viele Angehörige dieses Vorhaben als geschmacklos und Tim als eiskalten Geschäftsmann betrachten, der noch so lange wie möglich Kapital aus dem Label "Sexy Cora" schlagen will.

Die Aufarbeitung von Carolins Leben wird in der Reportage immer wieder von der Vorstellung weiterer Pornodarstellerinnen unterbrochen. Im Rahmen von Interviews erfährt der Zuschauer, wie das Geschäftsmodell der Amateurpornos funktioniert, und wie groß dieser Markt ist. Die Darsteller Lena & Björn, ehemalige Freunde von Carolin, erklären, wie schwierig es ist, ein Leben zu führen, in dem man als Paar gemeinsam und auch mit wechselnden Partnern Pornos dreht - ein für viele Menschen nicht vorstellbares Lebenskonzept.

Nachdem man im ersten Teil der Reportage kaum Informationen über Carolins Lebensweg erfahren hat und stattdessen hauptsächlich über das Geschäft mit ihrem Namen nach ihrem Tod in Kenntnis gesetzt wurde, folgen nun Interviews mit ihrem Onkel und ihren Großeltern, die von Carolins Kindheit und ihrem guten verwandtschaftlichen Verhältnis erzählen und verschiedene Fotos zeigen. Als Carolin in die Pubertät kam, ließ der Kontakt spürbar nach. Der gute Freund und Barkeeper Steffen Justin erläutert: "Cora war immer sehr vernünftig. Sie hat nichts getrunken und nie angefangen zu rauchen." Kurz darauf begann Carolin, sich Tattoos stechen zu lassen, die ein Kunstwerk darstellen sollten. Dann lernte sie in einer Diskothek ihren späteren Ehemann Tim kennen, brach die Schule ab und fing eine Ausbildung zur Krankenschwester an. Bald zieht das junge Paar zusammen, und aufgrund von Geldknappheit übernimmt Carolin wechselnde Jobs als Tänzerin und Hostess, bevor sie Kontakte zum Rotlichtmillieu knüpft und schließlich für kurze Zeit als Prostituierte arbeitete, was Tim allerdings in der Reportage nicht eindeutig zugeben wollte.

Im folgenden Teil wird der Einstieg in die Pornobranche ausgiebig beleuchtet. Aus einem kurzen Privatvideo bei einem Amateurportal folgte bald eine eigene Website und ein eigenes Unternehmen. Carolin und Tim wurden schnell zum erfolgreichsten Porno-Paar der Branche. Die Hamburgerin hat ihren Eltern lange Zeit nichts von ihrem Berufsweg erzählt und einige Angehörige erfuhren von ihrem Dasein als Erotikdarstellerin erst durch das Fernsehen. Produzent Klaus Goldberg erläutert kritisch, dass man mit Pornos längst nicht mehr so viel verdient wie noch vor ein paar Jahren, und dass es schwer sei, aus der Branche wieder herauszukommen. Es handle sich um einen äußerst komplizierten Lebensweg und man habe nur wenig Freunde außerhalb der Branche. Carolin ließ sich im Alter von 18 Jahren zum ersten Mal die Brüste vergrößern. Anschließend folgten zahlreiche weitere chirurgische Eingriffe und Tätowierungen. Klaus Goldberg sieht in diesem Verhalten eine Persönlichkeitsstörung und hätte Carolin nicht zum Schönheitschirurgen, sondern zum Psychiater geschickt.

Auch allgemein wird in der Reportage erfreulicherweise das Leben in der Pornowelt nicht glorifizert, sondern wiederholt hinterfragt. Es werden einige aussagekräftige Ausschnitte aus Carolins Zeit bei «Big Brother» gezeigt, als sie sich erstmals kritischen Fragen seitens ihrer Mitbewohner stellen musste. Immer wieder klingen dabei Selbstzweifel und eine Sehnsucht nach einem normalen Leben durch. Ihre Zuneigung zu Mitbewohner Tobias führt allmählich zu einem Umdenken und Carolin beginnt, sich öffentlich von ihrem Beruf zu distanzieren ("Es tut so weh. Ich bin immer nur die billige Porno-Darstellerin. Aber was soll ich denn sonst machen?"). Bei «Big Brother» lernten die Bewohner und Zuschauer in Carolin keine Pornodarstellerin, sondern eine ganz normale 23-Jährige mit Träumen und Wünschen kennen. Witwer Tim erkannte seine Frau nicht wieder, meint in der Reportage allerdings, dass das "nur Fernsehen" war, und deshalb nicht allzu ernst zu nehmen sei. Die Bilder aus der Realityshow sprechen jedoch eine andere Sprache.

Dennoch hat die Angst vor dem Verlust der finanziellen Sicherheit verhindert, dass Carolin nach «Big Brother» mit ihrem Porno-Leben bricht. Ex-Darstellerin Leonie Saint erklärt, dass ein Ausstieg aus dem Pornobusiness sehr schwierig sei und äußert sich sehr negativ über den Umgang mit Darstellerinnen in der Branche. Bemerkungen wie "Hör auf rumzuheulen und mach deinen Job" seien gang und gäbe. Ein normales Leben sei in dieser Branche kaum möglich, und viele Darstellerinen fingen deshalb an, Drogen zu nehmen. Tim war Carolins Manager und hat sie ständig begleitet, aber sie hatten kaum private Momente. Am Schluss der Reportage wird nochmal Carolins letzte Brust-OP thematisiert, von der ihr alle Beteiligten abgeraten haben. Auch der Chirurg, der ihre fünfte Brustvergrößerung abgelehnt hat, kommt zu Wort und weist auf die Risiken derartiger Operationen hin. Die Dokumentation endet mit berührenden Kommentaren zu dem tragischen Tod von Carolin Wosnitza: "Es ist schlimm, wenn man ein Kind verliert" (Carolins Großmutter).

Insgesamt gab es in der Reportage leider zu viele Elemente, die nichts mit Carolins Leben zu tun hatten, wie etwa die fragwürdige Promotion für andere aufstrebende Pornosternchen. Dennoch ist die Dokumentation erfreulicherweise überraschend seriös geworden, und zeichnete sich nicht durch eine reißerische und sensationslustige Machart aus, was bei RTL II allzu oft der Fall ist. Das Geschäft der Pornobranche wurde weder moralisch verurteilt, noch beschönigend verklärt. Die Reportage zeigte eine junge, sympathische Frau, die ihren Körper zur Ware machte - und am Ende den denkbar höchsten Preis zahlte.

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