In der zweiten Staffel der deutschen Krimi-Serie macht der Essener Polizist eine Entwicklung durch und arrangiert sich mit der Moderne.
Deutschlands Lieblings-Bulle Mick Brisgau sorgt bei Sat.1 derzeit wieder für spitzenmäßige Einschaltquoten. Die deutsche Serie «Der letzte Bulle», die von der Granada Produktion für Film und Fernsehen in Zusammenarbeit mit Green Sky Films hergestellt wird, befindet sich seit dem 14. März 2011 in der zweiten Staffel. Dabei setzte man die Reihe nahtlos dort fort, wo man nach 13 Folgen im Mai 2010 aufgehört hatte: Der Essener Polizist Mick Brisgau (Henning Baum) lag durch einen im Einsatz erlittenen Kopfschuss im Koma und wacht nach 20 Jahren auf. Er muss feststellen, dass sich so einiges verändert hat. Eine ganze Staffel hat es gebraucht, nun scheint Brisgau endlich im modernen Zeitalter angekommen zu sein. Zumindest scheint er sich mit den Dingen allmählich arrangieren zu können und akzeptiert sogar das Aus seiner Beziehung zu Lisa Brisgau (Floriane Daniel). Dazu beigetragen hat sicherlich auch seine Therapeutin Tanja Haffner (Proschat Madani), die sich in den Macho der alten Schule verguckt hat.
Da auch Mick Brisgau allmählich Gefühle für sie entwickelt, beugt er sich ihren Methoden, öffnet ihr sein Herz und verabscheut die gemeinsamen Sitzungen gar nicht mehr so sehr, wie noch in der ersten Staffel zu beobachten war. Entsprechend verblüffend ist auch die Tatsache, dass Mick Brisgau in der letzten von Sat.1 gezeigten Folge mit dem Titel „Die Nackttanker von Huttrop“ gar nicht glücklich ist, als Tanja Haffner die gemeinsamen Sitzungen für beendet erklärt und Brisgau als „geheilt“ einstuft. «Der letzte Bulle» versucht das auf seine Art zu verhindern. Als Tanja Haffner ihre Empfehlung bei Polizeichef Martin Ferchert (Helmfried von Lüttichau) mimt Brisgau den Nackttanker und zieht vor Haffner und den Kollegen blank. Ferchert verordnet ihm weitere Therapie-Sitzungen und Mick hat sein Ziel erreicht.
Gerade diese unkonventionellen und altmodischen, meist auch unangepassten Methoden von Mick Brisgau in einer mittlerweile sehr angepassten, modernen Alltagswelt sind die Eckpfeiler der Serie «Der letzte Bulle», die die Zuschauer in Massen zum Einschalten bewegen. Von der Polizeipsychologin bekommt Brisgau eine gute Entwicklung bescheinigt und doch will er genau das gar nicht wahrhaben. Dabei hat sich nicht nur Mick Brisgau, sondern auch ein stückweit die Serie selbst in der zweiten Staffel verändert. Die Narrenfreiheit besitzt Mick Brisgau immer noch, doch schöpft er sie nicht mehr so aus wie noch in der ersten Runde. Mit dem jungen Kontrollmenschen Andreas Kringge (Maximilian Grill), der mit Brisgaus Tochter Isabelle (Luise Risch) zusammen ist, hat sich Mick arrangiert.
Zuvor stört ihn noch die Tatsache, dass sein neuer Partner mit seiner Tochter zusammenkommt, die er selbst nur als kleines Baby gekannt hat. Auch mit ihr trifft er sich gelegentlich, kommt ihr ein Stück näher. Zur Mitte der zweiten Staffel hat sich Mick Brisgau auch damit abgefunden, dass seine Frau Lisa, die mit dem Rechtsmediziner Roland Meisner (Robert Lohr) angebandelt hatte, sowohl ihn als auch Meisner verlassen hat und vorerst abgetaucht ist. Im Zuge dessen sind auch die vorprogrammierten Konfrontationen zwischen beiden Streithähnen seltener geworden. Auch Brisgaus Umgang mit den Alltäglichkeiten des 21. Jahrhunderts hat sich gebessert.
Kurzum: «Der letzte Bulle» hat eine Entwicklung hinter sich, die Tanja Haffner in der Episode „Die Nackttanker von Huttrop“ Mick Brisgau sogar bescheinigt. Naivität und Pragmatismus sind einem Arrangieren mit der neuen Welt gewichen. Auch wenn Mick Brisgau immer noch nicht mit DNA-Spuren umgehen kann oder GPS-Signale orten kann, so scheint er immerhin mit dem Internet warm geworden zu sein. Nach der anfänglichen Staffelfolge „Mord auf Distanz“, in der der „letzte Bulle“ einen Ausflug in den wilden Westen macht und in seiner Rolle gänzlich aufgeht, macht sich diese Entwicklung bereits deutlich. Ein gutes Beispiel ist auch die zweite Folge, in der Mick Brisgau auf männliche Stripper trifft. Von denen hält er zwar wenig, doch da einer von ihnen vergiftet wurde, kämpft der Essener Polizist für Gerechtigkeit. Auch mit dem Geo-Caching, der GPS-Schnitzeljagd macht Mick Brisgau in den weiteren Folgen Bekanntschaft („Wer findet, der stirbt“). In der Folge „Die Nacktanker von Huttrop“ beweist Mick Brisgau schließlich noch seinen Umgang mit den Medien. Dass die Nackttanker, deren Ziel ein Protest gegen die hohen Benzinpreise ist, seine volle Sympathie erhalten, verwundert die Kollegen auf dem Präsidium und auch Kollege Kringge missfällt die Einstellung, doch am Ende zeigt es Mick Brisgau wieder allen.
Um seine Ziele zu erreichen, muss er gar in alte Verhaltensmuster zurückfallen, obwohl er sich insgeheim geändert hat. Der Essener Polizist, der nach 20 Jahren aus dem Koma erwacht ist, ist erwachsener geworden und kommt Stück für Stück in der modernen Welt an. Sätze wie „Für dich waren es 20 Jahre, für mich nur ein Nickerchen“, beschreiben diese Entwicklung. Gerade das muss man auch den Serien-Machern zu Gute halten, denn die stetige Entwicklung des Hauptcharakters ist die Voraussetzung dafür, dass die Serie am Leben erhalten bleibt. Bei «Der letzte Bulle» hat man das hervorragend gelöst. So machen auch die Fälle immer wieder auch Anflüge auf die technischen Neuheiten und sind nicht ganz so gewöhnlich wie noch in der ersten Staffel.
Die Figur Mick Brisgau wird sozusagen auch gezwungen sich mit den alltäglichen Dingen des 21. Jahrhunderts auseinander zu setzen. Noch mehr im Fokus stehen dabei seine familiären Problem, die er im Laufe der zweiten Staffel in den Griff zu bekommen scheint. Ist er zu Beginn der Staffel noch fest davon überzeugt, dass Lisa zu ihm zurückkehren wird, so hat er sich nach sechs Folgen mit dem Liebesaus schon so gut wie abgefunden. Für Mick Brisgau steht mit Tanja Haffner nun eine zweite Frau im Mittelpunkt. Eben um diese nicht gleich wieder zu verlieren, torpediert er die eigenen Entwicklungen, die auch die Serie gemacht hat. «Der letzte Bulle» zieht blank. Das nicht nur in der Episode, die zuletzt ausgestrahlt wurde, sondern auch in Bezug auf seinen eigentlichen Charakter. All das, was Mick Brisgau in der ersten Staffel noch im Weg gestanden hat, hat er zur Mitte der zweiten Runde weitgehend abgelegt. Der Clou dabei ist, dass Mick Brisgau sich dennoch treu geblieben ist. Die größte Veränderung hat der Serienfigur nicht geschadet, sondern sie noch sympathischer gemacht. Das zeigt sich auch an den Zuschauerzahlen, die stetig wachsen. Die Entwicklung hat der deutschen Serie gut getan. Sie erfreut sich jetzt noch größerer Beliebtheit.
Sat.1 zeigt «Der letzte Bulle» jeweils montags um 20.15 Uhr.