Die Kino-Kritiker

«Freunde mit gewissen Vorzügen»

von
Justin Timberlake und Mila Kunis versuchen sich als «Freunde mit gewissen Vorzügen». Lesen Sie in unserer Kinokritik, wie frech die Romantikkomödie wirklich ist.

Beziehungen sind scheiße. Davon sind Dylan (Justin Timberlake), der aufstrebende Art Director eines erfolgreichen Blogs, und Headhunterin Jamie (Mila Kunis) seit ihren jüngsten Enttäuschungen felsenfest überzeugt, und deshalb soll ab sofort alles anders werden. Als Dylan von Jamie nach New York gelockt wird, um sich bei GQ um eine Führungsposition zu bewerben, funkt es schon bald zwischen ihnen. Sie kommen wunderbar miteinander aus, Dylan steht auf Jamies Augen, Jamie steht auf Dylans Mund… Was liegt da näher, als ein hochheiliger Schwur: Nur Freundschaft! Eine Freundschaft mit unverbindlichem Sex. Und es scheint tatsächlich zu funktionieren, denn so ganz ohne Gefühlsduselei kann man sich Dinge erlauben, die man sich in einer Beziehung nie trauen würde…

Der unvorbereitete Kinogänger, der im Vorfeld nur den Trailer oder vielleicht ein paar TV-Spots erwischte, dürfte von «Freunde mit gewissen Vorzügen» mehrfach überrascht werden. Denn die romantische, derbe Komödie mit gewissen Parallelen zu Ivan Reitmans Natalie-Portman/Ashton-Kutcher-Vehikels «Freundschaft plus» ist sowohl unerwartet ambitioniert, als auch enttäuschend selbstverräterisch.

Regisseur Will Gluck, der auf sein Kindodebüt mit der mauen Teenie-Klamotte «Fired Up!» den wesentlich frischeren und fescheren «Einfach zu haben» mit Emma Stone folgen ließ, eröffnet seine dritte Regiearbeit mit vorbildlicher Energie. Die erste Phase des Films, in der Headhunterin Jamie mit verschiedensten Tricks versucht, Dylan von den Vorzügen New Yorks zu überzeugen, sprüht vor gelungenen Ideen, schneidigem Dialog und einem unwiderstehlichen Stadtkolorit. Fast könnte man denken, der Film sei als eine hippe, jugendorientierte Liebeserklärung an New York City konzipiert. Und es geht wunderbar auf: Die für romantische Komödien unverzichtbare Exposition, in der das Publikum die Figuren kennen lernt, kommt endlich wieder zügig daher.

Aufgrund der vielen kleinen Sticheleien zwischen ihren Leinwandfiguren und der großartigen Chemie zwischen Timberlake und Kunis vergeht die Zeit wie im Fluge. Und nicht nur das: Auch wenn das Zielpublikum dieser Komödie es garantiert nur bedingt zu schätzen weiß, gibt die hier gezeichnete trendige Atmosphäre der niemals schlafenden Metropole den perfekten Rahmen für die titelgebende Vorstellung der zwanglosen Sexbeziehung im Zeitalter von Apple und Google. So, wie Las Vegas der ideale Hintergrund für «Hangover» war, atmet «Freunde mit gewissen Vorzügen» zu Beginn eine Traumvorstellung von New York.

Doch genauso, wie «Freunde mit gewissen Vorzügen» damit überrascht, sich nicht allein auf seinen Darstellern und den zotigen Sprüchen auszuruhen, kommt mit fortgeschrittener Laufzeit auch die enttäuschende Erkenntnis, dass das Drehbuch nicht so rebellisch ist, wie es sich zunächst feiert. In der ersten Hälfte werden die Genrekonventionen an- sowie zerrissen. Ein wunderbar übertriebener Film-im-Film mit Jason Segel hilft ebenso dabei, «Freunde mit gewissen Vorzügen» als eine jugendlich-flotte Dekonstruktion des Genres zu betrachten, wie allein schon der simple Umstand, dass diese Figuren über Schnulzen Bescheid wissen. Während viele Romantikkomödien so tun, als entdeckten ihre Protagonisten das Rad der Beziehungswelt, sind Jamie und Dylan auf dem Wissensstand der Kinozuschauer: Filme übertreiben, Filme gaukeln große Gefühle vor und Filme folgen einer gewissen Dramaturgie. Diesem Hollywoodklischee schwören sie ab – und man möchte meinen, das gelte genauso für den Film.

Während sich die überreizten, stereotypen Handlungsmomente zur Mitte von «Freunde mit gewissen Vorzügen» noch kaum spürbar einmogeln, holt der Film im letzten Drittel alle Versäumnisse nach. Die Missverständnisse werden theatralischer, die Gesten größer, und auch wenn ihre Frequenz nicht nachlässt, so werden die Gags um einiges zahmer. In der Ausführung grenzt dies, trotz eines gefühlvollen sowie witzigen Subplots mit Richard Jenkins als Dylans Vater, an Selbstverrat. Notwendig wäre dieser Verrat nicht: «Zack & Miri Make a Porno» bewies bereits, dass es möglich ist, über zwei Freunde, die „einfach nur Sex“ wollen, eine sich selbst treu bleibende, feiste Romantikkomödie zu drehen, die trotzdem ein befriedigendes Ende findet.

Was aber wohl für die meisten zählt, ist das Kernstück von «Freunde mit gewissen Vorzügen»: Die Phase, in der die Hauptfiguren ihre Sexbeziehung zelebrieren. Und auch wenn der Humor dabei längst nicht so derbe und radikal ist, wie ihn Justin Timberlake in Interviews verkaufen möchte, so wagt er sich natürlich weit über die Genrenorm hinaus. Die mit Doppeldeutigkeiten und neckischen Gemeinheiten voll gestopften Dialoge sitzen, Will Gluck schafft es, den Matratzensport sehr witzig zu inszenieren, ohne vollkommen albern zu werden, und vor allem haben Justin Timberlake und Mila Kunis eine ansteckend gute Laune vor der Kamera. Als Boni obendrauf gibt es mit einem aufgedrehten Woody Harrelson als schwulen Sportjournalisten und Patricia Clarkson («The Green Mile») als Mila Kunis’ freigeistige Leinwandmutter zwei vorzüglich-komische Nebenfiguren im Herzstück des Films.

Fazit: «Freunde mit gewissen Vorzügen» liefert, was die Trailer versprechen: Rasanten Humor rund um eine Sexfreundschaft zwischen zwei gut aussehenden Menschen im besten Alter. Wer für knalligen Sexhumor nicht zu prüde ist, bekommt dank der vielen Einfälle und der Inszenierung von «Freunde mit gewissen Vorzügen» eine sehr gelungene Strecke an Gags erleben. Und das Duo Timberlake/Kunis empfiehlt sich gleich für zahlreiche weitere Kooperationen. «Freunde mit gewissen Vorzügen» liefert zudem zahlreiche Anreize für einen baldigen Stadturlaub in New York. Dieser Esprit verliert sich jedoch mit der Laufzeit, bis zum Schluss nur noch Stangenware übrig ist.

«Freunde mit gewissen Vorzügen» ist ab Donnerstag in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/51894
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