ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann spricht mit uns über die neuen «Heiter bis tödlich»-Serien, glaubt weiter an «Drei bei Kai» und freut sich auf den Start von Thomas Gottschalks neuer Vorabendshow.
Herr Beckmann, wie geht’s dem Patient Vorabend? Auf dem Weg der Besserung, aktues Fieber oder geht es sogar schon Richtung Intensivstation?
(schmunzelt) Wir wissen, dass wir hier dicke Bretter bohren. Wir wollen die Sehgewohnheiten der Menschen verändern – gerade der Vorabend ist wirklich von sehr traditionellem Sehverhalten geprägt. Wenn wir also ein neues Angebot starten, um da eben Veränderungen herbeizuführen, dann muss klar sein, dass dies niemals kurzfristig gelingen kann.
Verändert haben Sie den Vorabend schon im Sommer durch die Verlängerung von «Verbotene Liebe», das jetzt doppelt so lange dauert. «Marienhof» wurde eingestellt. Wie fällt Ihr Fazit aus?
Wir haben aus zwei Formaten eins gemacht – betrachtet man nun die Sendestrecke 18.00 bis 18.50 Uhr, so stehen wir etwa 0,5 Prozentpunkte besser da als vorher. Mehr kann man in dieser kurzen Zeit vielleicht gar nicht erreichen – wir sind zufrieden, weil die Werte gestiegen sind. Zudem ist es für uns natürlich günstiger eine Soap zu produzieren als zwei. Die freigewordenen Finanzmittel halfen uns, die «Heiter bis tödlich»-Serien anzuschieben. Etwas Schöneres kann doch gar nicht passieren: Weniger Ausgaben, leicht bessere Quote und das sogar bei den Jüngeren. «Verbotene Liebe» wird also garantiert weiterlaufen. Wenn ich mir die Folgen heute ansehe, dann sind sie in ihrer Wertigkeit und Qualität besser als vor einiger Zeit. Das neue Mallorca-Motiv und die Rückkehr der ersten Figuren-Riege Jan, Julia und Clarissa stellen für unsere Zuschauer eine Attraktion dar.
Sie sprechen gerade schon den Strang auf Mallorca an. Da hieß es im Frühjahr, bis Herbst werde gedreht. Auch darüber hinaus?
Da das Mallorca-Motiv bei den Zuschauern sehr gut ankommt, wird es auch 2012 diesen Handlungsstrang bei «Verbotene Liebe» geben. Wenn Sie so wollen: Die erste Vorabend-Operation ist geglückt, das Format «Verbotene Liebe» ist auf der sicheren Seite.
Sie haben nun «Drei bei Kai» gestartet. Zufrieden?
Ja. «Drei bei Kai» hat mehr geholt als zuletzt «Das Duell», wie Sie ja auch richtig schrieben. Natürlich hätten wir uns aber gewünscht, dass die Aufmerksamkeit zu Beginn noch etwas größer ist. Ich glaube aber, dass der richtige Effekt erst dann eintritt, wenn der gesamte Vorabend steht – und das dauert einfach noch. Wir wollen den Menschen klarmachen, dass wir ihnen etwas wirklich Neues und Sehenswertes bieten. Mit dem Quoten-Verlauf von «Drei bei Kai» - auch über die Werbung – bin ich ganz zufrieden, wir haben da nichts verloren. Jetzt gilt es so viel Aufmerksamkeit zu erzeugen, dass gleich zu Beginn mehr Zuschauer dabei sind.
Nun ist eine erste Folge ja nie so gut wie eine zehnte, sind Sie inhaltlich dennoch zufrieden?
Mir gefällt das Konzept. Zwei, drei Elemente sind da wirklich richtungsweisend. Bei uns treffen die verschiedenen Generationen aufeinander, die Konflikte zwischen Enkeln und Großeltern bescheren uns Emotionen, die man im Fernsehen in dieser Form selten sieht. Dann bieten wir, zum Beispiel mit unserer Schnellraterunde, noch verschiedene Tempi an. Nicht zuletzt muss ich sagen, dass Kai Pflaume seine Aufgabe wirklich ganz wunderbar macht – er ist ein toller Moderator und ich bin froh, dass er bei uns ist. Natürlich aber haben Sie auch recht: Im Dezember wird nun die zweite Staffel gedreht, da nach können wir das Format dann noch einmal weiter optimieren. Das ist die Feinabstimmung, bei der wir einfach auch das Feedback der Zuschauer einfließen lassen können.
Sie starten nun am Vorabend drei «Heiter bis tödlich»-Krimis. Kommt nach der Talk-Schwemme nun also eine Krimischwemme?
Nein, da kommt keine Krimi-Schwemme. Schauen Sie, das «Großstadtrevier» läuft seit 25 Jahren wirklich hervorragend bei uns im Programm. Wir haben festgestellt, die Sendung passt vom Ton und von der Qualität her perfekt zur ARD. Was also montags so gut klappt, das hat auch von Dienstag bis Donnerstag eine Chance. Wir wollen dem Zuschauer fortan eine programmliche Alternative bieten. Dabei setzen wir auf drei Pfeiler: Spannung, Humor als ganz wichtiger Faktor und natürlich auf die Regionalität. Die jeweilige Region wird ganz stark Einfluss nehmen auf die Geschichten. Freitags lassen wir die Woche dann mit einem Quiz-Format für die ganze Familie ausklingen.
Immerhin – die deutschen Produzenten haben Sie glücklich gemacht mit den Aufträgen.
Das haben Sie vor einiger Zeit auch schon richtig geschrieben. Der Umbau auf dieser Fläche mit diesen Produktionen ist wirklich einzigartig. Es ist uns gelungen eine Gemeinschaftsfinanzierung mit den verschiedenen Landesrundfunkanstalten auf die Beine zu stellen. «Heiter bis tödlich» passt sowohl zu unseren Anstalten Regionalprogrammen als auch zum Ersten – wir versöhnen das Programm damit sozusagen. Das Die Gemeinschaftsfinanzierung hilft uns ungemein, diese große Kraftanstrengung zu bewältigen. Ich weiß aber auch, dass diese Krimis nicht von vornherein stark laufen werden, wir denken da mittelfristig, weil die Etablierung von Neuem gerade am Vorabend Zeit braucht.
Sie sprechen von einer programmlichen Alternative: Crime bietet das ZDF mit der «SOKO» ab 18.00 Uhr, auch in verschiedenen Regionen. Bleibt der Humor als USP…
Ich sehe unsere neuen Serien nahe am «Großstadtrevier» - und das unterscheidet sich schon von den «SOKOs». Sie werden das sehen. Wenn Sie eine Krimiserie mit Humor verknüpfen wollen, dann können Sie darin nicht so harte Fälle angehen – bestes Beispiel ist der sehr erfolgreiche «Tatort» aus Münster. Bei diesen Produktionen sind sehr starke Figuren von Nöten, auch das «Großstadtrevier» liefert sehr markante Typen. Es geht in diesen Serien nicht in erster Linie um Kapitalverbrechen– wenngleich es auch bei uns mal einen Mord gibt – es geht viel mehr um die Beziehungen der Figuren und die zwischenmenschlichen Geschichten.
Mit alten «Mord mit Aussicht»-Folgen wärmen Sie den Sendeplatz am Mittwoch derzeit schon einmal an. Die Quoten aber lassen doch etwas zu wünschen übrig, oder?
Wir zeigen aktuell schon montags bis mittwochs Krimis. Am Dienstag anlässlich des 25. Geburtstags des «Großstadtreviers» Klassiker der Serie. Damit bin ich sehr zufrieden, da laufen teilweise echte Klassiker mit Heidi Kabel, die man einfach zeigen muss, wenn man so ein Jubiläum feiert. Die entsprechen natürlich nicht dem heutigen Sehverhalten und haben dafür wirklich gute Werte geholt – im Vergleich zu «Das Duell» haben wir uns gesteigert. «Mord mit Aussicht» wurde nicht für den 18.50 Uhr-Slot hergestellt, das darf man nicht vergessen. Die Quoten waren in Ordnung, in etwa vergleichbar mit «Das Duell».
Sie starten am 25. Oktober nun mit der ersten «Heiter bis tödlich»-Serie, danach kommt jede Woche eine weitere hinzu. Ein ungewöhnliches Modell. Wieso haben Sie dieses gewählt?
Wir können so jede Woche die Aufmerksamkeit auf ein Format lenken. Hätten wir alle drei Serien in einer Woche gestartet, hätten wir parallel teasern und trailern müssen. So bekommt aber jeder Krimi seine Aufmerksamkeit und seine eigenen Trailer. Nochmal: Es geht uns darum, Sehgewohnheiten zu durchbrechen – und ich glaube, dass uns diese Programmierung dabei hilft. Zudem – und das ist eher ein nebensächliches Argument – gewinnen wir etwas Zeit. Wir haben diese Formate, für die man sonst gerne mal zwei Jahre Vorlaufzeit hat, in weniger als einem Jahr hergestellt. Da braucht sich nur einmal ein Darsteller den Fuß verknacksen und wir kommen in zeitliche Probleme. Das war ein Ritt über den Bodensee und deshalb ist jede Woche, die wir gewinnen, gut.
Mit wie vielen «Heiter bis tödlich»-Serien wollen Sie durch das Jahr gehen?
Aktuell werden sieben produziert. Letztlich hängt es davon ab, welche finanziellen Mittel wir noch zur Verfügung haben werden. Und natürlich werden wir auch genau schauen, welche Themen und welche Ausrichtung beim Publikum besonders gut ankommt und das mit dem vergleichen, was wir noch auf dem Schreibtisch liegen haben.
Sie lernen den Zuschauern jetzt: «Heiter bis tödlich», 18.50 Uhr. Schon im Januar aber wird es zeitlich automatisch ein wenig nach vorne gehen, da Thomas Gottschalk vor der «Tagesschau» unterkommen muss. Sind Sie unglücklich, dass Sie den 18.50 Uhr-Slot nach drei Monaten dann wieder aufgeben müssen?
Wenn Sie sich jetzt auf meinen Stuhl setzen würden und die Chance hätten, dass der vielleicht größte Moderator Deutschlands zu Ihnen in den Vorabend kommen möchte, was würden Sie tun? Ich würde dieses Experiment immer eingehen. Ich finde das unglaublich spannend. Manche werfen der ARD immer vor, wenig experimentierfreudig zu sein – wir beweisen jetzt das Gegenteil. Wenn Thomas Gottschalk mit diesem Elan und Willen eine Sendung machen will, dann kann man das niemals ablehnen. Klar ist: Thomas Gottschalk wird einen Platz vor der «Tagesschau» brauchen – und dann verschiebt sich alles davor. Uns geht es vor allem darum, den Zuschauern zu sagen: Bisher habt ihr am Vorabend irgendein anderes Programm geschaut, jetzt passiert etwas im Ersten. Es lohnt sich, darauf mal einen Blick zu werfen.
Und Thomas Gottschalk beginnt seine Sendung am 23. Januar?
Das möchte ich nicht dementieren, kann es aber nicht bestätigen.
Vielen Dank, Herr Beckmann.