Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Das verfilmte Schicksal

von
Kachelmann-Prozess, Guttenberg-Skandal, Kampusch-Hölle: Wollen wir solche Stoffe wirklich sehen?

Ohne sie kommt die mediale Unterhaltungsindustrie längst nicht mehr aus: die tagtäglichen Skandale. Einige von diesen sind kleiner und eignen sich als Überbrückungsthemen für das berüchtigte Sommerloch, einige können monatelang Schlagzeilen produzieren – und interessieren die Leserschaft auch noch nach langer Zeit, obwohl sich ein Großteil dieser vielleicht vom Thema angewidert fühlt. Aber was skandalös ist, erregt Aufsehen und Diskussionen – man will ja schließlich mitreden können. In dieser Woche wurde bekannt, dass der Prozess gegen den ehemaligen Wettermoderator Jörg Kachelmann verfilmt wird – aus der Sicht der Nebenklägerin und Ex-Geliebten Claudia D.

Dass ein solcher Film produziert werden würde, war vorauszusehen. Auch unabhängig davon, wie das Urteil gegen Kachelmann ausgefallen wäre. Dieser selbst vermarktet seine Gedanken zum Fall übrigens selbst im kommenden Jahr innerhalb des angekündigten Buches „Mannheim“. Der Film soll dagegen die Sicht einer Klägerin darstellen, die letztlich den Prozess verlor, da Kachelmann freigesprochen wurde. Unfassbar pathetisch klingt die Stellungnahme von Henning Marten in der Pressemitteilung der Produktionsfirma Story House Productions: „Es ist unglaublich, wie Justiz, Anwälte, Presse und die sogenannte Öffentlichkeit mit diesem Fall umgesprungen sind - ihn für die unterschiedlichsten Zwecke instrumentalisiert haben. Und mittendrin Claudia D., die einen Stein zurück warf und eine Lawine auslöste."

Die Macher versichern indes, dass Jörg Kachelmann im Film nicht beschuldigt oder beleidigt werden würde. Dennoch klingt allein die Ankündigung einer Produktion über eine Ex-Geliebte Kachelmanns und Nebenklägerin des Prozesses wie eine äußerst einseitige Angelegenheit – zumal Claudia D. als Informationsquelle mit ihren Erinnerungen und Aufzeichnungen Einfluss auf das Drehbuch hat. Rechtens dürfte die Produktion am Ende sein, da trotz des Freispruchs einige Unklarheiten die Geschichte um Kachelmann weiterhin in viele Richtungen auslegen lassen, aber eine annähernd objektive Aufarbeitung des Falls darf nicht erwartet werden. Und dies ist nicht ungefährlich: Schließlich können Filme den Ruf eines Menschen – gerade wenn sie einseitig erzählen und Objektivität vermissen lassen – nachhaltig verändern und Zuschauer mit einem Eindruck zurücklassen, der möglicherweise nicht der Wahrheit entspricht.

Viele weitere Schicksale dienen den Medien als Grundlage für Filmstoffe: Angekündigt wurde kürzlich beispielsweise auch ein Projekt über den ehemaligen Verteidigungsminister Guttenberg, der als Polit-Star durch seine Doktorarbeit tief fiel und mittlerweile komplett aus der Öffentlichkeit verschwunden ist. Auch Filme über Marco W., Natascha Kampusch, Michael Jacksons Gerichtsprozesse oder den „Kannibalen von Rotenburg“ wurden bereits gezeigt oder befinden sich in der Produktion. Gemeinsam haben die bereits veröffentlichten Produktionen meist, dass sie mäßigen bis gar keinen Erfolg haben – und nur noch wenige Schlagzeilen machen. Vielleicht weiß das Publikum, dass es mit einem Film nur eine (einseitige und vielleicht nicht der Wahrheit entsprechende) Story erzählt bekommt, obwohl die Realität viel spannender ist. Vielleicht aber interessieren sie das Publikum auch nicht mehr, weil solche Filme frühestens ein oder zwei Jahre nach dem eigentlichen Fall ausgestrahlt werden: Denn dann sind bereits neue Einzelschicksale in den Schlagzeilen, die sich viel besser zu Klicks, Lesern und damit zu Geld machen lassen als alte Geschichten, die in den Medien bereits so exzessiv verarbeitet wurden, dass sie als verbrauchtes Material schlichtweg uninteressant geworden sind.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.

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