Sonntagsfragen

Sam Davis: „Mehr Entwicklungsgeld für Fiktion“

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Der ehemalige Fiktion-Chef von RTL und Endemol, der jetzige CEO der Firma Rowboat, spricht über die derzeit etwas schwächelnden deutschen Serien der Privaten und über seinen ZDF-Film «Das Wunder von Kärnten».

Am Montag läuft im ZDF ihr Film «Das Wunder von Kärnten» - so kurz vor der Ausstrahlung, sind Sie entspannt?
Es ist wie immer: Ich bin ein bisschen nervös. Es ist nie einfach gegen Günther Jauch anzutreten, die ARD setzt auf Blacky Fuchsberger. Ich hoffe, mit dem Film auch RTL und Sat.1 ein paar Zuschauer abjagen zu können. Der Film ist wirklich emotional und hat durchaus einen broad Appeal, der auch ein junges Publikum, das auch Spannung schätzt, anspricht.

Die Hauptrolle spielt Ken Duken, der sicherlich noch nicht zur obersten Riege der Schauspieler gehört, in seinen bisherigen Produktionen aber immer erstklassige Arbeit abgeliefert hat. Ist das insofern erstaunlich?
Sie haben Recht: Ken ist eine Geheimwaffe. Konzentriert auf - und offen für tolle Rollen. Sie dürfen nicht vergessen: Ich schätze die Hälfte seiner Werke hat er nicht in Deutschland gemacht. In Norwegen ist er ein richtig großer Star, er spricht fließend Englisch. Ken hat sich von Rolle zu Rolle kontinuierlich weiterentwickelt und ich glaube, jetzt ab Montag, werden noch einige Fans dazu kommen.

Wie mutig sind öffentlich-rechtliche und private TV-Sender heute?
Wieder mehr und mehr. Wir spüren im Fiktion-Bereich durchaus eine große Relevanz, in Deutschland und auch im Ausland steigt die Minutenanzahl. Als Produzent sehe ich es natürlich sehr gerne, dass in diesem Bereich wieder aufgerüstet wird. Aber natürlich sind wir im Bereich der Wirtschaftlichkeit erst noch auf dem Weg.

Was musste sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren ändern?
Als nicht-neutraler Beobachter sieht man ganz deutlich, dass deutsche Fiktion bei den Privaten weniger geworden ist. Ich begrüße es aber, dass diese Sender inzwischen das Verhältnis zwischen Preis und Leistung im Qualitätssegment wieder anpassen. Ich ziehe momentan eine sehr positive Bilanz, glaube aber, dass die deutsche Fiktion noch mehr kann.

Wie schätzen Sie die neuen Serien ein? «Countdown», «Die Draufgänger», die beide kürzlich auch erst abgesetzt wurden…
Ich möchte das mit einer Flut an einem Strand vergleichen. Die ersten Wellen sind immer noch kleiner, haben nicht die Intensität. Ich hoffe, dass nun noch mehr nachkommt. Für mich ist eine andere Frage wichtig: Wie viele Piloten werden bestellt? Was trauen sich die Sender in diesen auch inhaltlich? Ich glaube, dass der Weg, in diesem Bereich mehr anzugreifen, stimmt.

Ich habe eher das Gefühl, wir könnten wieder vor einer Krise stehen. Noch einmal: «Countdown» nach Staffel drei abgesetzt, «Danni Lowinski» in Staffel drei wieder und wieder mit Negativrekorden…
Die meisten Musikproduzenten sagen immer: Es ist die zweite Platte, das zweite Album, das wirklich zählt. So ähnlich ist es im Fernsehen auch. Am Piloten und den ersten Folgen arbeitet man lange und sehr intensiv. Danach müssen möglichst schnell weitere Episoden her. Dadurch wird die Qualität in den nachfolgenden Staffeln häufig nicht mehr erreicht oder die Konkurrenz programmiert erfolgreich dagegen.

Das liegt aber in der Natur der Sache. Heißt also, dass man das Problem nicht wirklich angehen kann?
Es wäre begrüßenswert, wenn etwas mehr Entwicklungsgeld zur Verfügung stünde und der Produzent aus elf oder zwölf Büchern für eine achtteilige Staffel aussuchen könnte. Die drei nicht so guten wandern dann einfach in den Papierkorb. Natürlich sind auch große Outdoor-Kampagnen wichtig für Serien, manchmal würde ich das dort investierte Geld aber lieber direkt in der Produktion sehen.

Wie wichtig sind große Köpfe und starke Figuren? «Die Wanderhure» hat mehr als acht Millionen Menschen geholt.
Wenn wir jetzt nur von TV-Movies reden, dann ist es natürlich ein riesiger Vorteil, wenn wir von einer Figur sprechen, die als Buch schon über eine Million Mal über den Ladentisch ging. Solche Leitmotive sind dem Zuschauer bekannt, bevor er überhaupt eine Minute zugeschaut hat. Unser Verkaufsargument beim «Das Wunder von Kärnten» ist ein klassischer Held; ein Arzt, der alles tut, um das Leben eines kleinen Mädchens zu retten. Beim ORF hatten wir damit mehr Zuschauer als «Die Wanderhuren».

Ich will noch einmal kurz zurückblicken: Hatte man es in den 90ern, als zum Beispiel auch RTL noch regelmäßig Movies zeigte, nicht einfacher auch mal schwächere Stoffe unterzubringen. Damals funktionierten auch deutsche Serien am Stück – obwohl manche davon wahrlich nicht so stark waren.
Da haben Sie Recht. Sehen Sie, bei 90-Minütern haben wir keine Chance eine Fanbase aufzubauen. Bei Serien funktioniert das: Da kommen Menschen mit der dritten oder vierten Folge hinzu. Bei TV-Movies müssen wir im Vorfeld, durch Trailer, durch Interviews, durch gute PR, für Aufmerksamkeit sorgen. Und nicht zuletzt kommt es auf die Stärke des Sendeplatzes an. Der Sonntag- und Montagabend im ZDF und auch der Degeto-Freitag in der ARD bieten uns einen gewissen Unterbau – das sind gelernte Film-Slots – da schalten die Zuschauer ein und entscheiden dann nach den ersten Minuten, ob sie dabeibleiben. Wenn ich an den großen TV-Roman bei RTL in den 90ern zurückdenke, da war es fast schon sekundär, welcher Film letztlich lief, ganz einfach, weil die Marke dermaßen stark war.

Also hat man es heute in der Tat schwieriger.
Ich glaube schon. Schauen wir doch mal in die USA. Warum ist denn «The Walking Dead» so erfolgreich? Vielleicht entspricht dieser Idealismus und Kannibalismus einfach sehr der amerikanischen Kultur? Schauen Sie auf Showtime-Serien wie «Californication», «Shameless» oder «Homeland» - großartige Formate. Hierzulande müssen solche Serien ein Massenpublikum erreichen – Amerika ist ein Nischenmarkt, da müssen sie nur die Pay-TV-Kunden befriedigen, die den Sender abonniert haben. Da kann man mutiger sein.

Ihre Firma Rowboat gibt es seit März 2010 – welche Projekte von Ihnen finden demnächst den Weg ins Fernsehen?
Zwei weitere Filme haben wir schon abgedreht; das ist zum einen «Ein Sommer in Elsass», ein ZDF-Film, der im April kommt und zudem wird es bald die MDR/ORF-Produktion «Am Ende der Lüge» zu sehen geben.

Ich danke für das Gespräch.

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