Zwei erwachsene Männer schnallen sich Dildos an und nutzen sie in einem Billardspiel als Queues. Sie ahmen mit überdimensionalen Teddys exotische Sexpraktiken nach. Sie wetteifern darin, wer sich das meiste Kleingeld in die Unterhose stecken kann. Auf einem Bauernhof betätigen sie sich in solchen Spielen wie „Wer kann länger auf einer Kuh sitzen bleiben?“ – oder sie bitten Dieter Bohlens Ex-Lebensgefährtin Naddel, sich in einem von mehreren Heuhaufen zu verstecken. Wem es gelingt, in kürzerer Zeit die Naddel im Heuhaufen zu finden, hat gewonnen. Und wenn die befreundeten Zankhähne nicht gerade auf allen Vieren durch die Kölner Innenstadt robben, dann lassen sie ihr Sperma untersuchen.
Das kann doch nur waschechtes Trash-TV zum Fremdschämen sein, über das jeder mit einer Spur von Geschmack die Nase rümpft? Nicht so voreilig! Allein schon die Nominierung für den Grimme-Preis, die «Elton vs. Simon» im Jahr 2011 einheimsen konnte, sollte vorschnellen Kritikern zu bedenken geben. Diese Unterhaltungssendung hat etwas an sich, das sie aus dem Bodensatz der schmerzvollen Blödelshows emporhebt und zu einem Ausnahmeformat wandelt. Man muss sich nichts vormachen, intellektuellen Anspruch kann man in einer Show, in der sich Stefan Raabs Showpraktikant und der «Comedystreet»-Scherzkeks um die Wette Lollis an den nackten Oberkörper pappen, mit der Lupe suchen. Doch Elton und Simon gelingt es, ein potentiell saudämliches Konzept zu nehmen und damit aus dem Bereich des juvenilen Schrott-TVs auszubrechen. Denn in all das Chaos, die Anarchie und das spätpubertäre Kräftemessen hauchen sie ehrlichen Charme und skurrile Ideen, die es wert sind, geschätzt zu werden. Weshalb sich «Elton vs. Simon» als legitimes Stück Unterhaltungsfernsehen mit wahrem Kultcharakter beweist.
Von derber Kanada-Comedy zum sympathischen Kräftemessen zweier Kumpels
Das bestechende Qualitätsmerkmal von «Elton vs. Simon» kam in den ersten Jahrgängen der Sendung am besten zur Geltung: Die Testausgabe aus dem Sommer 2004 und die in den zwei Folgejahren ausgestrahlten Staffeln orientierten sich formell noch sehr eng am kanadischen Vorbild «Kenny vs. Spenny». Elton und Simon forderten sich zum Beispiel in einem Wachbleib-Wettbewerb oder einem Schweigegelübde-Wettstreit heraus. Diese fanden in einer geräumigen WG statt und wurden von einem Kamerateam begleitet. Das Doku-Format räumte den einzelnen Wettstreiten viel Raum ein und ermöglichte es, die freundschaftliche Konkurrenz zwischen Elton und Simon in ihren sonderlichen Facetten abzubilden. Und diese ist der Clou von «Elton vs. Simon». Selbstredend wird es immer Verteidiger des Originals «Kenny vs. Spenny» geben, gerade auch, weil es krasser, härter, mutiger und gemeiner ist. Allerdings bedeutet das nicht, dass es auch besser sein muss.
Vergleicht man beide Formate, so steht «Kenny vs. Spenny» mit seinen härteren Aktionen, selbst bei harmlosen Wettbewerben, eher in der Tradition der zahllosen «Jackass»-Trittbrettfahrer. Das ist auch den extremeren Charakteren der kanadischen Titelgeber verschuldet: Kenny ist ein manipulativer, egomanischer Bastard, der mit allem durchkommt und Spenny der weinerliche Verlierer, der sich zu gut für eine solche Show hält. Es ist schwer, mit diesen Protagonisten zu sympathisieren, die Show ist also gezwungen, durch ihre Aktionen und derben Einfälle ein jugendliches Publikum anzuziehen. Bereits bei «Elton vs. Simon» bezweifelten in den ersten Jahren kritische Betrachter die Glaubwürdigkeit der Sendung, aber «Kenny vs. Spenny» fühlt sich noch weiter von der Realität entfernt an.
Elton und Simon zeigten sich in den ersten zwei Staffeln ihrer Wettbewerbsserie wesentlich bodenständiger und nahbarer als das kanadische Dup, weshalb sich eine faszinierendere Eigendynamik entwickelte. Aus den meisten Duellen ging Elton als Sieger hervor, der sich aber regelmäßig von den Wettbewerbsthemen, seinen eigenen Ideen und Simons Einfällen beschämt zeigte. Anders als der offensivere Simon behielt Elton stets ein bemerkbares Schamgefühl bei, er offenbarte Furcht vor Gesichtsverlust – jedoch ohne sich über das Format zu beklagen oder das winselnde Sensibelchen abzugeben. Dafür kam Eltons Siegeswillen zu stark durch, weshalb er sich auch umso stolzer gab, wenn er ein Spiel für sich entscheiden konnte. Simon brachte dagegen die skurrileren Einfälle mit in die Sendung sowie auch die frecheren Sprüche, ohne dabei eine dermaßen schwer zu schluckende Fernsehpersönlichkeit wie Kenny zu entwickeln.
Es waren diese Jedermann-Qualitäten, die «Elton vs. Simon» in den ersten zwei Staffeln zum Kult werden ließen. Sie beruhten auf nachvollziehbaren Grundideen, die verbissen zu ihren absurden Konsequenzen weitergetrieben wurden. Dass das Doku-Format nicht wie bei vielen Reality Dokus durch Überdramatisierungen und all zu filmische Stilmittel verfälscht wurde, gab dem Gesamtpaket dann noch eine ungeschliffene, authentische Independent-Aura. Eine bestechende Mixtur.
Ein unerwarteter Formatwechsel
Dass es nie zu einer dritten Staffel in der gewohnten Form kam, lag daran, dass Elton die Dreharbeiten zu anstrengend wurden. Da Fans und ProSieben aber stetes Interesse an neuen Folgen zeigten, wurde das Format als Spielshow neu geboren. Die im Sommer 2008 ausgestrahlten Ausgaben hatten jedoch einige Schwächen: Da sie nicht live waren, konnte man je nach Spielverlauf gegen Schluss bereits den Gewinner erahnen und die Wortgefechte zwischen Elton und Simon zogen, trotz längerer Sendezeit, nun klar den kürzeren. Auch haben Spiele wie „Basketballspielen in Ritterrüstung“ oder „Limbo“ nicht den gleichen Kultcharakter, den die Doku-Episoden versprühten.
Dennoch kam «Elton vs. Simon: Die Show» beim Publikum an, selbst wenn Fans noch lieber die Doku-Variante gesehen hätten. Der Charakter von Elton und Simon schien noch immer durch, und in den gelungeneren Ausgaben bewies die Redaktion auch ein gutes Gefühl für die Auswahl an Spielen. Längere Einspieler weckten Erinnerungen an das Gefühl der vorherigen Inkarnation von «Elton vs. Simon», skurrile Aktionsspiele wie menschliches Bowlingspielen brachten die Sensibilität von Slapstick-Actionshows wie «Takeshis Castle» mit sich und dann kam es immer wieder zu originellen Absurditäten, die konventionelle Spiele zu einmaligen, medialen Zerrbildern normaler Wettbewerbssendungen umformten. Unter anderem las der mit seiner eigenen Sprechweise das «TV total»-Publikum polarisierende Komiker Dr. Welf Haeger ein Diktat vor und durch Eltons und Simons Versuche, Dr. Haeger zu ertragen, entstand eine sonderbare Komik, die echtes Trash-TV niemals ihr Eigen nennen könnte.
Die zweite Showstaffel aus dem Jahr 2010 mischte ihre Spiele noch besser durch, war weniger vorhersehbar geschnitten und konnte so fast nahtlos an den Esprit der Ursprungsfolgen anschließen. Manche Spiele könnte man sich auch beinahe in «Schlag den Raab» vorstellen. So mussten Elton und Simon fünf rohe Eier unter Verwendung verschiedenster Materialien (Schaumstoff, Heu, Luftpolsterfolie, Hackfleisch, ...) so sicher verpacken, dass sie einen Sturz aus 15 Metern unbeschadet überstehen.
Das ist nicht verrückter, als für ein Preisgeld in der Hohe von 1,5 Millionen Euro Münzen in ein Glas zu schnipsen. Aber der Ton macht die Musik. Frank Buschmann würde beim «Schlag den Raab»-Eierfallenlassen ins Mikro brüllen, dass dieses Spiel „ein wahrer Eiertanz“ sei. Ernste Spannungsmusik liefe im Hintergrund der minimalistischen, galanten Studiodekoration. Und Stefan Raab würde vor lauter Anspannung jedes Ei fast schon nach unten schreien. «Elton vs. Simon» konzentrierte sich auf die seltsamen Konstruktionen der beiden Komiker. Ihr Wettbewerb nahm sich ernst genug, um spannend zu sein, war aber auch viel lockerer und dadurch auf eine eigensinnige Weise komödiantisch.
In ein solches Umfeld eingebettet ließ es sich dann auch herzlich und ohne schlechtes Gewissen über Aktionen wie Dildo-Billard lachen. Und auch die von manchen Zuschauern geschundene Moderation durch Johanna Klum trug ihr Scherflein zum Gelingen von «Elton vs. Simon: Die Show» bei. Klum musste sich zwar erst adjustieren, in den ersten Shows funkte sie noch zu sehr dazwischen, schlussendlich fungierte sie aber als perfekt besetzter und positionierter Gegenpol zum Wahnwitz der Show. Mit bewusst ausgespielter Normalität und unschuldig-neugierigem Tonfall, doch auch Durchsetzungsvermögen, wurde sie gewissermaßen zur als Schiedsrichterin agierenden kleinen Schwester der in erwachsenen Körpern gefangenen, pubertierenden Jungs Elton und Simon. Auch das wirkte sich positiv zur Dynamik der Show aus.
Die letzte Verbeugung
Mit der zweiten Show-Staffel feierte «Elton vs. Simon» unverhofften Quotenerfolg, bis zu 18,7 Prozent der 14- bis 49-Jährigen schalteten im Sommer 2010 rein und machten ProSieben, trotz schwächelnder Quoten bei den letzten Ausgaben, Lust auf eine weitere Runde. Aber erneut war es Elton, der auf die Bremse trat, da ihm auch dieses Format zu aufreibend wurde. Bloß eine Live-Ausgabe konnte er sich noch vorstellen. Dieses Abschiedsgeschenk für die Fans nimmt jetzt mit fast zwei Jahren Verspätung Gestalt an.
Somit wird «Elton vs. Simon» zum Abschluss endgültig zum anarchisch-blödelnden Gegenentwurf von «Die perfekte Minute», «Schlag den Raab» und Co. – oder zum großen Samstagabend-Auswuchs eines einstigen, aus Kanada übernommenen Comedy-Geheimtipps. So oder so dürfte wohl auch «Elton vs. Simon: Die Live-Show» durch Charme und verrückte Ideen etwas, das eigentlich völliger Trash oder wenigstens ein Guilty Pleasure sein müsste, zu unerklärlich kurzweiliger Unterhaltung erheben. Und danach ist für immer Schluss. Das ist im ersten Moment eine schlechte Nachricht für die eingeschworene Fangemeinde – allerdings spricht es auch für die Macher, dass sie ihr Glück nicht für's Geld und ProSiebens Marktanteile weiter herausfordern und «Elton vs. Simon» mit dem Versuch eines großen Knalls zu Grabe tragen.