Die Kritiker

«Geliebtes Kind»

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Susanne hat alles getan, um ihrer hübschen Tochter Liz späteres Leid zu ersparen. Oder hat Susanne den Spitzfuß ihrer Tochter als Schönheitsfehler empfunden, als Makel, der entfernt werden muss? Jedenfalls war die Kindheit von Liz geprägt von zahlreichen Operationen, die wenig Erfolg brachten. Durch ihren Umzug ins Internat hat Liz sich vor Jahren von der schwierigen Beziehung zu ihrer perfektionistischen Mutter befreit.

Viele Jahre hat die 16-jährige Liz nun schon im Internat verbracht. Dass sie humpelt, spielt weder eine Rolle in ihrer Freundschaft zu Marie, noch in der Beziehung zu Robert. Als sie sich aber eines Tages von Robert verleugnet fühlt, verlässt sie Hals über Kopf das Internat und zieht zurück zu ihrer Mutter.

Susanne lebt seit einiger Zeit mit ihrem jüngeren Lebensgefährten Andi zusammen und hofft nun, nach der plötzlichen Rückkehr von Liz, auf einen Neuanfang mit ihrer Tochter. Sie hat sich als Verwalterin jenes Hochhausviertels einen Namen gemacht, in dem die beiden früher gelebt haben. Alte Konflikte zwischen ihnen kommen hoch, gleichzeitig steigt auch die Spannung zwischen Liz' Mutter und ihrem Lebensgefährten. Als Liz erfährt, dass Susanne hinter ihrem Rücken und gegen ihren Willen eine neuerliche Operation ihres Fußes plant, spitzt sich die Auseinandersetzung zu.

Darsteller
Mathilde Bundschuh («Rosannas Tochter») als Liz
Anica Dobra («Die Alpenklinik») als Susanne
Simon Böer als Andi
Steffi Kühnert («Krauses Braut») als Karin
Tom Gramenz («Prora») als Robert
Olga von Luckwald («Die Chefin») als Marie
Petra Welteroth («Heidi und Erni») als Frau Verheyen

Kritik
Die ersten zehn Minuten machen keinen guten Eindruck. Zu gewollt melodramatisch fällt die Einführung aus, zu sehr wirkt es so, als möchte Drehbuchautor Dieter Bongartz alle möglichen „Coming-of-Age“-Elemente abgrasen und auf Teufel-komm-raus einen auf jugendlich machen.

Aber es wird besser. Deutlich besser. Spätestens wenn Liz aus dem Internat nach Hause kommt und von ihrer Mutter und deren Lebensgefährten in ihrem neuen Heim herumgeführt wird, merkt man, dass Bongartz sehr viel mehr kann. In kurzer Zeit wird aus Liz eine äußerst vielschichtige Figur, von der wir erfahren, dass sie schon einiges mitgemacht hat. Die jahrelangen Scherereien mit ihrer Behinderung (bzw. vor allem, wie andere Leute mit ihr deswegen umgehen) haben sie verschlossen gemacht, auch ein bisschen zerrüttet. Aber sie ist tough geblieben. Schön, dass Bongartz sich erlaubt, ihre Geschichte auch in einem angemessenen Stil zu erzählen. Von all den behelfsmäßigen Plotversatzstücken um kreischende oder weglaufende Teenies im Pubertätswahn bleibt man hier verschont. Bongartz setzt seinen Stoff anders um: leiser, filigraner, beobachtender.

Besonders beeindruckend ist jedoch die Arbeit von Mathilde Bundschuh, die den Facettenreichtum ihrer Figur gekonnt und feinfühlig auf die Leinwand überträgt und ihre Liz dabei sehr natürlich anlegt, wodurch sie auf jede Art von Künsteleien verzichten kann. Dieser Film könnte ihr Durchbruch werden, da sie eine ungeheure Bandbreite beweist und durch ihr nuancenreiches Spiel völlig überzeugen kann. Der restliche Cast macht solide Arbeit, während Anica Dobra zeigen kann, dass sie auch in dramaturgisch anspruchsvolleren Filmen ganz gut aufgehoben ist.

Regisseurin Sylke Enders macht hier und da den Fehler, die Semiotik von «Geliebtes Kind» etwas zu überfrachten, da sie manchmal zu sehr auf symbolgeschwängerte Motive setzt – dies ist aber wohl eher den Sendeplatzgepflogenheiten als einer mangelnden Kompetenz geschuldet und insgesamt kann auch die szenische Umsetzung überzeugen. Zusammen mit einem Drehbuch, das arm an Mängeln aber reich an gehaltvoller Figurenskizzierung ist, und einer hervorragenden Hauptdarstellerin ergibt das einen sehr ansehnlichen Film.

Das Erste zeigt «Geliebtes Kind» am Mittwoch, 25. April 2012, um 20.15 Uhr.

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