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Die ARD-Talker und ihre Quote – eine Zwischenbilanz

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Jüngst haben die "Gremien-Gremlins" der ARD ihre eigenen Talkshows wieder kritisiert. Aber wie kommen Jauch, Plasberg und Co. auf ihren neuen Sendeplätzen eigentlich beim Fernsehpublikum an? Eine Zwischenbilanz, gut neun Monate nach Beginn der Programmreform.

Auch in diesem Sommer ebbt die Kritik an der großen ARD-Talkshowreform und ihren fünf Diskussionsformaten nicht ab: „Ziel muss es generell sein, dass die einzelnen Talkformate sich stärker profilieren und klar unterscheidbare Konzeptionen entwickeln. Die Stärken der Moderatorinnen und Moderatoren müssen deutlicher zur Geltung kommen.“ Diese Zeilen stammen nicht aus irgendeiner Zeitungskritik, sondern von der ARD selbst. Sie sind den Empfehlungen der 225. Sitzung des Programmausschusses am 02.05.2012 zu entnehmen, die „Bild.de“ in dieser Woche öffentlich gemacht hat.

Bei all dem Tadel, der sich auf die inhaltlichen Konzeptionen bezieht, darf aber auch die Einschaltquote nicht vernachlässigt werden: Hatte die risikoreiche Talkshow-Rochade zumindest einen positiven Effekt auf die Zuschauerzahlen? Oder müssen die Sendungen neben all der inhaltlichen Kritik auch noch sinkendes Publikumsinteresse beklagen? Zeit also ist es für eine Analyse der Zuschauerzahlen, nachdem sich seit Sonntag die Mehrzahl der Sendungen in der Sommerpause befindet.

«Günther Jauch»


Seine Sendung war diejenige, welche die Talkshow-Reform erst nötig machte – umso fataler wäre es, wenn Günther Jauch die Quoten seiner Vorgängerin Anne Will am Sonntag nicht hätte steigern können. Ein Blick auf die nackten Zahlen lässt aber eine positive Entwicklung erkennen: Hatte «Anne Will» in der Saison 2010/11 durchschnittlich 4,06 Millionen Zuschauer und 14,3 Prozent Marktanteil erreicht, waren es bei «Günther Jauch» nun 4,53 Millionen und 15,5 Prozent. Der neue ARD-Talker profitierte besonders von Themen um die Affäre Wulff, welche ihm im Januar zwei Mal mehr als fünf Millionen Zuschauer bescherten.

Im Vergleich der «Jauch»-Sendungen 2011 und 2012 zeigt sich, dass die Einschaltquote zwar stabil bleibt, aber kaum steigt: Bis zur Winterpause interessierten sich 4,52 Millionen Menschen für den Talk nach dem «Tatort», seitdem waren es 4,54 Millionen. Der Marktanteil beim Publikum ab drei Jahren blieb mit 15,3 Prozent gegenüber 2011 (15,7 Prozent) nahezu stabil. Rechnet man den EM-Malus vom Sonntag heraus – die Sendung hatte aufgrund eines parallelen Europameisterschafts-Spiels nicht einmal drei Millionen Zuschauer –, ist der allgemeine Trend sogar leicht positiv: Die durchschnittliche Reichweite läge ohne die Show vom 10. Juni bei 4,64 Millionen, der Marktanteil bei 15,6 Prozent.

«Hart aber fair»


Frank Plasbergs Debattierclub stand in den vergangenen Monaten teils deshalb in der Kritik, weil kaum mehr politische Themen im Fokus standen, sondern vermeintlich belanglose Talks wie beispielsweise über das Heimwerken. Allerdings: Auch schon in Vorjahren hatte «Hart aber fair» oft auf buntere gesellschaftliche Themen gesetzt und das Hochpolitische ausgeklammert. Stark geändert hat Frank Plasberg seine Sendung also nach dem Wechsel auf den Montag nicht – und dies honorieren die Zuschauer: Durchschnittlich schalten 3,18 Millionen Menschen seit dem Sendeplatz-Wechsel ein, in der Vorsaison waren es mit 3,11 Millionen sogar einige weniger. Dies aber hängt mit der Startzeit zusammen: Seit August 2011 beginnt «Hart aber fair» schon um 21 statt um 21.45 Uhr und erreicht damit zwangsweise mehr Zuschauer. Aussagekräftiger ist daher der Marktanteil: Dieser verringerte sich von 12,7 Prozent auf dem Mittwochs-Sendeplatz auf nun 10,0 Prozent am Montag. Ein erwartbarer Verlust – und einer, der nicht so schlecht ist, wie er zunächst erscheint: Denn am Montagabend hatte Das Erste um 21 Uhr oft große Quotenprobleme; Formate wie die Porträtreihe «Legenden» waren meist kaum auf zweistellige Quoten gekommen. Dahingehend hat sich der neue Sendeplatz für Plasberg also bezahlt gemacht.

Noch erfreulicher wird diese Entwicklung dadurch, dass «Hart aber fair» im Jahr 2012 deutlich zulegen konnte: Hatten bis zur Winterpause 3,05 Millionen Menschen eingeschaltet, waren es seit Januar nun 3,29 Millionen. Der Marktanteil stieg von 9,6 auf 10,3 Prozent. Besonders beim jungen Publikum legte Plasberg zu: 2011 war man bei den 14- bis 49-Jährigen auf eine Reichweite von 0,48 Millionen gekommen, während in diesem Jahr bisher 0,65 Millionen eingeschaltet haben. Die Durchschnittsquote verbesserte sich entsprechend von 3,7 auf 5,1 Prozent – dies ist eine relative Steigerung von mehr als einem Drittel.

«Menschen bei Maischberger»


Sandra Maischberger durfte als einzige ihren angestammten Sendeplatz am Dienstag um 22.45 Uhr behalten. Dementsprechend unspektakulär fällt das Quotenfazit aus: Gegenüber der Vorjahresstaffel blieb die Reichweite von «Menschen bei Maischberger» stabil; sie lag 2010/11 bei 1,77 Millionen, seit August 2011 nun bei 1,74 Millionen.

Der Marktanteil verringerte sich allerdings von 12,5 auf 11,6 Prozent. Schuld daran ist vor allem das schwache zweite Halbjahr 2011, das mit 1,54 Millionen Zuschauern und einer Quote von 10,7 Prozent den Durchschnitt negativ beeinträchtigte. Im neuen Jahr sendet «Menschen bei Maischberger» wieder auf erfolgreichem Normalniveau: Seit dem 17. Januar haben die Talkshow 1,94 Millionen und 12,6 Prozent des Gesamtpublikums eingeschaltet. Bei den jungen Zuschauern betrug die Quote – wie bei der vorherigen Staffel – 5,9 Prozent.

«Anne Will»


Seit Ende August, also seit der Verlegung auf den Mittwochabend, interessieren sich 1,64 Millionen Menschen für das Format «Anne Will». Dies entspricht einem durchschnittlichen Marktanteil von 10,7 Prozent, mit dem die ARD durchaus zufrieden sein kann: Zwar hatte Will am Sonntag noch mehr als 14 Prozent der Fernsehzuschauer erreicht, allerdings auch auf dem lukrativen Sendeplatz nach dem «Tatort». Nun schafft die Sendung zweistellige Marktanteile aus eigener Kraft und liegt auch nicht mehr weit hinter den Werten von Sandra Maischbergers Talk zurück, der am Tag vorher ebenfalls um 22.45 Uhr beginnt und auf ein oft quotenstärkeres Vorprogramm aufbauen kann. Zudem hat Maischberger auch nicht erfolgreich angefangen; ihre Marktanteile steigerten sich kontinuierlich von weniger als zehn Prozent (2006/07) auf nun mehr als zwölf Prozent – dies zeigt: Geduld und Zeit zahlen sich langfristig oft aus.

Diese These kann auch bei «Anne Will» mit Fakten untermauert werden, denn im Jahresvergleich legte der Talk bereits leicht zu: 2012 schauten 1,65 Millionen Menschen die Sendung, gegenüber 1,63 Millionen im Jahr 2011 nach der Sendeplatz-Verlegung. Der Marktanteil verbesserte sich beim Gesamtpublikum von 10,4 auf 10,9 Prozent und bei den jungen Zuschauern von 4,6 auf 4,9 Prozent.

«Beckmann»


Ausgerechnet Reinhold Beckmann, der dienstälteste ARD-Talker ist es, dem die Programmreform geschadet hat: Durch die Verlegung vom Montag auf den Donnerstag verringerte sich seine Zuschauerzahl von 1,58 Millionen in der Staffel 2010/11 auf 1,03 Millionen seit der Sendeplatz-Verlegung. Der Marktanteil fiel drastisch von 11,3 auf 7,4 Prozent.

Noch beunruhigender ist die Entwicklung im Jahr 2012: Zwar steigerte «Beckmann» seine Reichweite seit Januar minimal auf 1,04 Millionen Zuschauer gegenüber 1,02 Millionen zwischen September und Dezember 2011. Aber die durchschnittliche Quote verringerte sich gleichzeitig von 7,7 auf 7,1 Prozent. Selbst Harald Schmidt hatte im Vorjahr noch deutlich bessere Zahlen eingefahren: Die letzte Staffel seiner ARD-Show fuhr auf dem «Beckmann»-Sendeplatz 1,27 Millionen Zuschauer und 9,1 Prozent Marktanteil ein.


Welches Fazit bleibt also für die fünf ARD-Diskussionsrunden nach Gremien-Schelte, inhaltlicher Kritik, mangelnder Themenkoordination und befürchtetem Talkshow-Overkill? So schlecht, wie Jauch und Co. geredet werden, sind sie beim Fernsehpublikum nicht angekommen. Im Gegenteil: Ausnahmslos alle Sendungen steigerten im Jahr 2012 ihre Reichweite, drei von ihnen verzeichneten zudem bedeutende Zuwächse bei den Marktanteilen. Kleinere Problem-Sendeplätze wie am Montag- und Mittwochabend haben durch Frank Plasberg und Anne Will nicht nur an Profil, sondern auch an Zuschauern gewonnen. Und Günther Jauch lockt mit seinem neuen Talk knapp eine halbe Million Menschen mehr zu sich als das vorherige Diskussionsformat. Einzig Reinhold Beckmann fehlen die Zuschauer: Seine Sendung präsentiert sich am ohnehin quotenschwachen späten Donnerstagabend noch schwächer als frühere Sendungen auf diesem Sendeplatz.

Wenn all diese Einschaltquoten eines bedeuten, dann ist es die Tatsache, dass man selbstbewusst und zuversichtlich in das zweite Jahr der Talkshow-Reform starten kann. Angesichts der größtenteils guten Zuschauerzahlen sogar so selbstbewusst, dass die – teils berechtigte – Kritik durchaus aufgegriffen werden sollte: Mehr Fachwissen und damit einher gehend neue, andere Gäste; eine breitere Themenauswahl und keine Dopplungen; sinnvoller gewichtete Zusammenstellungen der einzelnen Diskussionsrunden; kurz: mehr Mut zum eigenen Profil, zum unverkennbaren Konzept. Es wäre der zweite Schritt, der nach dem ersten – einer hinsichtlich der Quoten erfolgreichen Etablierung des neuen Talkshow-Sendeschemas – nun folgen müsste.

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