Deutschland trifft auf seinen Angstgegner Italien: Erwartet die Fernsehwelt ein neuer Reichweitenrekord? Oder machen Public Viewings einen neuen Bestwert unmöglich?
Mit dem EM-Semifinale Deutschland – Italien stellt sich diesen Donnerstagabend die Frage aller Fragen: Kann Italien seinen Titel wiedererlangen? Die Verantwortlichen beim Ersten hätten gewiss nichts dagegen, Italien nach sechs Jahren Wartezeit wieder ganz oben zu sehen. Und bevor böse Lesermails eingehen: Die Rede ist natürlich vom Titel des Quoten-Rekordhalters. Während der WM 2006 in Deutschland bannte die Halbfinalbegegnung zwischen den Gastgebern und Italien 29,66 Millionen Menschen an die privaten Fernsehgeräte – was einem Marktanteil von unfassbaren 84,1 Prozent entsprach. Somit gelang dem Aus der deutschen Nationalmannschaft der Sprung in die Fernsehgeschichtsbücher: Nie zuvor wurde eine höhere Reichweite gemessen.
Dieser Rekord hielt allerdings bloß vier Jahre: Bei der WM 2010 stellte das Halbfinale Deutschland – Spanien einen neuen Bestwert auf, erstmals wurde die Marke von 30 Millionen Zuschauern geknackt. 31,10 Millionen Fußballbegeisterte verfolgten das Spiel – Public-Viewing-Zahlen wie immer nicht berücksichtigt. Beim Gesamtpublikum hatte dieses Spiel aber eine leicht niedrigere Sehbeteiligung als das legendäre Aus gegen Italien 2006: Gemessen wurden gegen Spanien "nur" 83,2 Prozent. Bei den 14- bis 49-Jährigen hatte die Partie gegen Spanien hingegen die Nase vorn: 13,97 Millionen junge Fußballfans bedeuteten sensationelle 86,1 Prozent, 2006 wurden beim Halbfinale mit deutscher Beteiligung 12,31 Millionen und 84,5 Prozent erzielt.
Aber wie stehen denn nun die Chancen, dass mit dem EM-Spiel gegen Angstgegner Italien wieder ein neuer Reichweitenrekord aufgestellt wird? Viele behaupten, dass das immer populärer werdende "Rudelgucken" diesem Meilenstein im Weg stehen könnte. Zum Vergleich: Bei der EM 2008 maß das Viertelfinale zwischen Deutschland und Österreich 28,04 Millionen Zuschauer – eine Zahl, die die insgesamt außerordentlich gefragte Euro 2012 bislang nicht einholte. Das Halbfinale gegen die Türkei legte 2008 dann weiter zu und erreichte 29,54 Millionen Fernsehende. Orientiert man sich nur nach der allgemein geäußerten These, dass Public Viewing immer verbreiteter ist, erklärt sich die Reichweitendifferenz zwischen der EM 2008 und der EM 2012 von selbst.
Jedoch darf man der generellen Wahrnehmung nicht einfach so vertrauen. 2008 gab die ZDF-Mediaforschung eine repräsentative Telefonumfrage in Auftrag, im Rahmen derer 1.000 Personen gefragt wurden, ob sie EM-Begegnungen zuhause oder auswärtig verfolgt haben. Demnach sahen 6,45 Millionen das erste Deutschland-Spiel des Turniers bei öffentlichen Veranstaltungen, das Vorrundenspiel gegen Kroatien sahen 9,45 Millionen Menschen außer Haus, die Begegnung mit Österreich sahen nur 7,46 Millionen Menschen abseits der eigenen vier Wände, während das Viertel- und Halbfinale rund zehn Millionen Rudelgucker maßen. Das Finale gegen Spanien zog 12,84 Millionen Fußballfans nach draußen.
Dieses Jahr übernahm die ARD diese Umfragemethode und kam somit auf ähnliche Werte. Das Gruppenspiel Deutschland gegen Portugal kam demnach ebenfalls auf rund sechs Millionen Public-Viewing-Besucher (mehr dazu), was nicht dafür spricht, dass Public Viewings generell mehr Leute ziehen als noch 2008. Ein auf der Hand liegender Faktor ist derweil das Wetter: Wer mag schon bei strömenden Regen sein gemütliches Wohnzimmer verlassen, um auf einem Marktplatz unter einem Regenschirm zu stehen und zu versuchen, das Spiel zu verfolgen?
Und hier scheint Petrus den Italienern nicht wohl gesonnen: Der Donnerstagabend soll in den meisten Regionen Deutschlands trocken sein und somit ideal für Public Viewings. Wenn bei der Euro 2012 die Höchstmarke noch fallen soll, so müsste Deutschland ins Finale einziehen – und da das vergangene EM-Finale mit deutscher Beteiligung nicht zuletzt durch das Rudelgucken am Reichweitenrekord vorbeirauschte, wären heftige Regenschauer am Spieltag dieser EM wohl auch fast schon Grundvoraussetzung.