Wie schnitt die Talkerin in der zurückliegenden TV-Saison ab? Wir ziehen ein Quotenfazit…
Nicht nur in der Presse, sondern auch intern gab es in der letzten Zeit Kritik an den vielen ARD-Talkshows. Denn seit der – kürzlich zu Ende gegangenen – TV-Saison 2011/12 wird an gleich fünf Tagen der Woche geredet. Durch den neuen Talk von Günther Jauch am Sonntagabend änderten sich viele Sendeplätze – und dementsprechend auch die Quoten. Die Karten wurden neu gemischt. Während vor allen Dingen «Beckmann» (von Montag auf Donnerstag) zum größten Verlierer der Programmreform wurde, konnten sich Sendungen wie «hart aber fair» (montags) oder «Menschen bei Maischberger» (dienstags) gut auf ihren neuen Sendeplätzen einleben. Selbst «Anne Will», die zuvor sonntags nach dem «Tatort» lief, konnte auf ihrem neuen Slot, dem Mittwoch gegen 22.45 Uhr, aus eigener Kraft Quote machen.
Seit dem 31. August 2011 kann Will sich nicht mehr auf ihr Vorprogramm verlassen. Damals war es mit dem «Tatort» im Rücken ein Leichtes, gute Quoten zu erreichen. Doch wie sah es nun erstmals ohne diesen Vorlauf aus? Zum Start jedenfalls mau. Insgesamt schalteten 1,22 Millionen Zuschauer ab drei Jahren ein, der Marktanteil lag bei 8,5 Prozent. Zum Vergleich: Im Juli 2011 verabschiedete sich Will noch vor mehr als drei Millionen Zuschauern in die Pause. Auch die Jüngeren konnte man mit dem Thema „Wut im Bauch“ nicht begeistern: Nur 0,22 Millionen 14- bis 49-Jährige waren mit von der Partie, das entsprach einem Marktanteil von 3,4 Prozent. Die erste September-Ausgabe legte zu und landete bei 1,84 Millionen Zuschauern. Damit erreichte man erstmals seit der Sendeplatzverlegung einen zweistelligen Marktanteil in Höhe von 12,3 Prozent. Die drei weiteren Ausgaben lagen zwischen passablen 1,35 und 1,48 Millionen Zuschauern.
Erst im Oktober war man wieder zweistellig. Am 5. Oktober ging es um das Thema „Ob Fußballtrainer oder Putzfrau – Jobs immer gnadenloser?“. Offensichtlich traf man damit den Nerv des Publikums, denn insgesamt schalteten 1,73 Millionen Menschen ein, die für einen Marktanteil von 12,1 Prozent sorgten. Eine Woche später befasste man sich – unter dem reißerischen Titel „50 Jahre Ali in Almanya – immer noch nix deutsch?“ – mit der Integration. Das wollten dann sogar 1,80 Millionen Zuschauer sehen (11,6 %).
Am 19. Oktober 2011 lief die Talkshow ausnahmsweise schon ab 21.45 Uhr. Grund hierfür war eine anschließende Besprechung zum Thema Mobbing, anlässlich des im Vorfeld ausgestrahlten Films «Homevideo». Das wirkte sich positiv auf die Quote aus. Im Schnitt saßen 2,51 Millionen Zuschauer vor den TV-Geräten, 0,55 Millionen waren zwischen 14 und 49 Jahren alt. Das war die bisher stärkste Ausgabe seit der Verlegung auf den Mittwochabend. Die Marktanteile beliefen sich auf 9,6 und 5,0 Prozent. Im Gegenzug dazu startete die nächste Sendung erst um 23.20 Uhr. Die Quoten gingen wie erwartet zurück. Für „Einmal unten, immer unten – Aufstieg nur für Reiche?“ interessierten sich lediglich 1,12 Millionen Menschen.
Der November und Dezember 2011 verliefen weitestgehend unspektakulär. Im Schnitt schalteten 1,67 Millionen Zuschauer ein. Interessanter waren da schon die Quoten im Januar 2012, als es Wirbel um den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff gab. Gleich nach der Winterpause nahm sich Will am 25. Januar 2012 diesem Thema an. „Der erste Diener des Staates – fehlen uns heute die preußischen Tugenden des Alten Fritz?“ lockte insgesamt 1,99 Millionen Zuschauer zur ARD, das entsprach einem Gesamtmarktanteil von 11,8 Prozent.
Auch der Februar war ein Monat, der viel Gesprächsstoff zu bieten hatte – unter anderem eben durch den Rücktritt Christian Wulffs. Am 22. Februar lautete das Thema schließlich „Gauck, der Unbequeme – wie lange wird das Volk ihn dafür lieben?“. Insgesamt 2,05 Millionen Menschen und damit fast 0,20 Millionen mehr als in der Vorwoche schalteten hierfür den Fernseher an. Der Marktanteil beim Gesamtpublikum lag bei 12,2 Prozent, bei den Jüngeren wurden 5,0 Prozent gemessen. Dass diese Stärke alleine auf Wulff zurückzuführen war, konnte man gut an der nächsten Ausgabe erkennen, die sich einem anderen Thema widmete. Als es am 29. Februar „bloß“ um „Eingeliefert, ausgeliefert – wenn das Krankenhaus zum Risiko wird“ ging, sahen nämlich nur noch 1,36 Millionen zu.
Doch schon in der darauffolgenden Woche ging es wieder um die Wulff/Gauck-Geschichte. Am 7. März schalteten 2,21 Millionen Zuschauer ein. Am 14. März jedoch ebbte das Interesse ab. Der Diskussion zu unserem neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck wollten nur 1,33 Millionen Menschen beiwohnen. Einen starken Abend erwischte Will am 21. März, als man das Privileg hatte, nach dem DFB-Pokal-Halbfinale senden zu dürfen. Natürlich profitierte davon die Sendung „Geld oder Leidenschaft – wer regiert die Fußballwelt?“. Insgesamt 2,44 Millionen Zuschauer sorgten für sehr gute 22,1 Prozent Marktanteil. Von den 14- bis 49-Jährigen sahen 0,93 Millionen zu, womit 18,8 Prozent Marktanteil ermittelt werden konnten. So gut lief es für Will in dieser Gruppe noch nie. Selbst mit dem «Tatort» als Lead-In waren solch hohe Werte nicht drin gewesen.
Der April brachte dann Ernüchterung – besonders die am 25. April gezeigte Sendung über den Preis-Wahnsinn an den Zapfsäulen ging baden. 0,72 Millionen Zuschauer schalteten ein, 0,16 Millionen davon waren zwischen 14 und 49 Jahre alt. Das hatte sehr schwache Marktanteile von 3,4 und 1,7 Prozent zur Folge. Das waren die schlechtesten Werte seit dem Start des Talks im Jahr 2007. Schuld daran dürfte das Gegenprogramm gewesen sein. In Sat.1 lief schließlich ein Bayern-Spiel mit über 13 Millionen Zuschauern.
Im Mai gab es dann nochmals ein Hoch zu verzeichnen. 2,22 Millionen Zuschauer ab drei Jahren interessierten sich am 16. Mai für die Debatte um den Rausschmiss von Norbert Röttgen. Das hatte 14,7 Prozent Marktanteil zur Folge. Ansonsten verliefen die weiteren Monate ohne nennenswerte Veränderungen. Während der EM war der Talk ohnehin nicht zu sehen. Mit 1,74 Millionen Zuschauern sowie 12,0 Prozent Marktanteil bei allen verabschiedete sich Will am 11. Juli versöhnlich in die Sommerpause.
Die ARD kann also ein gutes Fazit ziehen. Das erste Fernsehjahr nach der Programmreform hat «Anne Will» gut überstanden. Im Schnitt wurden die 35 Ausgaben von 1,63 Millionen Menschen gesehen, daraus resultierten 10,7 Prozent Marktanteil. Bei den Jüngeren gab es wie gewohnt schlechtere Quoten. Durchschnittlich standen 0,32 Millionen Zuschauern sowie 4,8 Prozent Marktanteil zu Buche.