Hingeschaut

«Deutsches Fleisch» - Garantiert Gammelfrei

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Wie hat sich der einzige fiktionale Beitrag des diesjährigen ZDFneo-TVLabs geschlagen? Ein Kommentar von Julian Miller.

Vor einiger Zeit, als er noch Programmdirektor war, äußerte ZDF-Intendant Thomas Bellut den Wunsch, durch ein Vorabends-TV-Lab im Hauptsender des Zweiten Deutschen Fernsehens ein deutsches Pendant zur US-Sitcom «Two and a Half Men» zu finden. Besagtes Projekt lässt noch auf sich warten. Im diesjährigen ZDFneo-TV-Lab hat man dagegen so etwas wie eine Mischung aus «South Park», «2DTV» und «Family Guy» gefunden. Der Titel: «Deutsches Fleisch». Deutscher kann ein Titel kaum sein.

Das ZDF beschreibt die Prämisse des Cartoons folgendermaßen: „Der versnobte Baron, der bei Frauen erfolglose und korpulent gebaute Kowalsky, der alternative und liebliche Malte mit seinem an der Schulter fest gewachsenen bösen Mini-Zwillingsbruder Wibknecht und der ehemalige afrikanische Kindersoldat Issa verbringen die Tage gemeinsam an Gittis Imbissbude.

Gitti ist ein ehemaliges DDR-Pornosternchen und serviert heute frittierte Hasen am Spieß. Sie ist die liebenswerte Freundin des Barons und hilft den vier Freunden, wo immer sie nur kann. In ihrem Imbisswagen lebt der Revoluzzer-Hase Fidel mit seinen kuscheligen Artgenossen. Diese versucht er täglich, mit neuen genialen Methoden vor dem Frittierfett zu retten. Leider sind seine Versuche bisher noch niemals von Erfolg gekrönt gewesen. Sehr zum Gefallen von Uwe Hitla: Frittierte Hasen im Schokoladenmantel sind schließlich seine Leibspeise. Sie bieten ihm genau die Nervennahrung, die er als Ehemann und Vater für seinen aufreibenden Familienalltag so dringend benötigt.“

In der am Donnerstagabend gelaufenen Testfolge will der Baron, der in einem Tank aus gefrorenem Stickstoff lebt, sich endlich einen neuen Körper beschaffen – um genau zu sein, den Körper seines Sohnes, den er dafür entführen lässt und dessen Gehirn er wiederum in Sidos Körper pflanzen will. Der Rapper spricht sich dabei selbst, wie es in amerikanischen Prime-Time-Cartoons bei prominenten Charakteren häufig vorkommt.

So anarchisch wie hier geht es selten im deutschen Fernsehen zu, nicht einmal bei den ZDFneo-Brüdern Joko und Klaas oder dem verlorenen oder verstoßenen Sohn Benjamin von Stuckrad-Barre. «Deutsches Fleisch» scheint das Fernsehen, wie Hans Magnus Enzensberger es einmal geschrieben hat, als Nullmedium aufzufassen, das primär in einer Beschäftigung mit sich selbst existiert. Eine Botschaft sucht man hier, zumindest auf den ersten Blick, vollkommen vergeblich. Das Format ist abstrus, bescheuert, vollkommen bekloppt – und es steht dazu.

Es ist nicht der Versuch, ein kritisches Deutschlandbild zu entwerfen, zumindest nicht in weiten Teilen. Doch hier und da kommen in all dem Wahn und Nihilismus durchaus gesellschaftskritische Töne durch, etwa mit den „Hitlas“, einer Familie im modernen Deutschland, die sich so verhält und so aussieht wie Adolf Hitler und das nicht einmal weiß. Eine Allegorie?

«Deutsches Fleisch» kann vor allem durch seine hohe Gagdichte, seine schrägen und völlig überzeichneten Figuren und die aberwitzigen Plots punkten. Es gibt kein dramaturgisches Korsett, nicht einmal ein klares Konzept. Für viele Formate wäre das der Todesstoß, doch durch den schier grenzenlosen Ideenreichtum der Autoren ist das gerade die Stärke des Formats. In diesem Cartoon ist alles möglich. Dass man der Produktion das vermutlich äußerst geringe Budget schon auf den ersten Blick ansieht, fällt dagegen nahezu gar nicht ins Gewicht. Prädikat: Zum Verzehr empfohlen. Und garantiert kein Gammelfleisch.

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