Die Kritiker

«Schief gewickelt»

von  |  Quelle: Inhalt: ZDF

Hervorragend besetzt: Der neue ZDF-Film «Schief gewickelt», unter anderem mit Ken Duken und Julie Engelbrecht.

Inhalt:

Eddy Brennfleck ist mit allen Wassern des Musikbusiness gewaschen. Jede Menge Goldene Schallplatten zieren das Büro des A&R-Managers der Global Records. Nun will Eddy heiraten. Und damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn die attraktive Sängerin Eloise hat nicht nur die schönste Stimme der Stadt, sondern wird auch von der Konkurrenz - rein vertragstechnisch - stark umworben. Mit dem geplanten Doppelschlag wären Global Records sonnige Verkaufszahlen sicher, und die hat Global Records bitter nötig, denn rosig sehen die Finanzen nicht aus. Da liegt die Frage nah, ob die Hochzeit vielleicht nur ein Werbetrick ist.

Eddys Lebensmotto "Easy" gilt für die alleinerziehende Mona und ihren kleinen Sohn Bobby nicht. Nur mit Ach und Krach bringt sie ihre kleine Familie durch. Dass ihr One-Night-Stand mit Eddy nicht folgenlos geblieben ist, hat Mona dem Lebemann nicht verraten. Trotzdem kann sie sich jetzt nicht bremsen, als sie von Eddys Heiratsplänen erfährt. Kurzerhand schickt sie ihm anonym eine von Bobbys stinkenden Windeln per Post in sein Büro. Und das ist erst der Anfang. Als Bobby wegen wiederholten Zuspätkommens seiner Mutter aus dem privaten Kinderhort fliegt, macht Mona mit den postalischen Windelsendungen weiter. Eddy hat die Message verstanden und wird nervös. Denn wenn Eloise von Eddys Kind erfährt, platzen Hochzeit und Album.

Zusammen mit seinem Chef, dem Musikproduzenten Möbius, begibt er sich auf die Suche nach seinem Kind und klappert alle Ex-Affären der letzten Jahre ab. Als Eddy Mona endlich ausfindig macht, ist er von Bobby hingerissen. Er und Mona tasten sich behutsam vor. Währenddessen laufen die Hochzeitsvorbereitungen auf Hochtouren. Doch Eddy ist nicht ganz bei der Sache. Durch Monas Vorliebe für die einfachen, puren Dinge inspiriert, will Eddy mit den Rock 'n' Rollern Vincent und Trudy ein ehrliches Album auf Vinyl produzieren. Möbius ist schockiert, schließlich geht es bei Global Records nicht um Selbstverwirklichung, sondern um Verkaufszahlen. Es gibt nur erfolgreiche und nicht erfolgreiche Musik, zählt Möbius Eddy vor.

Als Eloise dann doch noch von Bobbys Existenz erfährt, läuft in Eddys Leben überhaupt nichts mehr easy. Noch könnte er zurückrudern und Eloise heiraten. Doch Eddy ist schon zu schief gewickelt, um einfach wieder "back on track" zu gehen.

Darsteller
Ken Duken («Add a Friend») als Eddy Brennfleck
Cosma Shiva Hagen («Der Bibelcode») als Mona Müller
Julie Engelbrecht («Die Tänzerin – Lebe deinen Traum») als Eloise Engel
Uwe Ochsenknecht («Schtonk») als Möbius
Alexander Scheer («Berlin, Berlin») als Vincent
Zora Holt («Wilde Engel») als Trudy
Bjarne Mädel («Der Tatortreiniger») als Klopka
Gisela Schneeberger («Franzi») als Inga Brennfleck
Melika Foroutan («Von Mäusen und Lügen») als Carmen

Kritik
Bei einem derartigen Cast, der mit Bjarne Mädel, Melika Foroutan, Uwe Ochsenknecht und Zora Holt bis in die Nebenrollen erstklassig besetzt ist, erwartet man etwas Besonderes. Eine Komödie, die einen mitreißt, die ein Zeitgefühl trifft, bei der die Punchlines lückenlos aneinandergereiht sind, sich die einzelnen Schrullen der Figuren zu einem netten, amüsanten großen Ganzen summieren.

Diese Erwartungshaltung wird leider zu weiten Teilen enttäuscht. Schuld daran ist die biedere ZDF-Dramaturgie, deren Leitlinien sich auch bei «Schief gewickelt» durchsetzen: Eddy und Mona tänzeln nahezu eineinhalb Stunden lang aus einer rein dramaturgischen Notwendigkeit umeinander herum, spielen das Kriegen-sie-sich-oder-kriegen-sie-sich-nicht-Spielchen, dessen Antwort bereits in der Prämisse gefallen ist. Denn in einem Film dieser Art muss die Liebe am Schluss mir nichts, dir nichts die Milieugrenzen überschreiten können, am Ende muss die als liebenswert und schutzbedürftig dargestellte, bodenständige untere Mittelschicht die kältere Oberschicht mit ihrem Leben ohne Limits ausbooten, muss sich der Held für die Kaffeeschubse entscheiden und dafür die Künstlerin zurückweisen. Man glaubt es erst, wenn man es sieht, denn so suggestiv und unglaubwürdig wird nicht mehr oft erzählt. Nicht einmal bei den Öffentlich-Rechtlichen. Denn insbesondere in der völlig unplausiblen Resolution fallen alle Hemmungen und sogar die Kitschohrfeige vor dem Traualtar wird Kopf nickend abgedreht.

Der Film mag noch so viele nette Ideen und hübsche Running-Gags entwickeln, mit noch so viel Detailverliebtheit erzählen. Die narrativen Mängel stecken schon in der dramaturgischen Grundlage, die jeden Anspruch an Glaubwürdigkeit untergräbt und alles der Suggestivität opfert. Natürlich rächt es sich dann sehr schnell, wenn man seine Figuren alles „aus dem Bauch“ entscheiden lässt, anstatt plausible Handlungsmotive zu entwerfen. Beispiel Mona, die ihrem ehemaligen One-Night-Stand die vollgekackten Windeln ihres Sohnes mit der Post schickt, ihn dann aber nur als den Erzeuger sieht und mit ihm eigentlich nichts weiter zu tun haben will. Ein Widerspruch in sich, den die Autoren Lars Becker (auch Regie), David Schwarz und Thomas Schwebel, die das Drehbuch nach dem gleichnamigen Roman von Regula Venske verfassten, nicht auflösen. Stattdessen legt man das Augenmerk auf die Sentimentalität und, je länger der Film dauert, auch immer mehr auf Kitsch.

Dabei wäre hier so viel möglich gewesen. Denn nicht nur Ken Duken und Cosma Shiva Hagen, letztere im Rahmen der Möglichkeiten, die die dramaturgische Vorlage noch zulässt, bieten eine sehr charmante Performance. Nicht häufig trifft man ferner auf eine derartig hochkarätige Support-Besetzung, angefangen mit Julie Engelhardt, die als liebenswerter Ruhepol in all dem Wahn sehr reizend spielt, über Uwe Ochsenknecht, der den degenerierten Plattenmufti voll heißer Luft und wenig Substanz zwar überzeichnet, aber glaubhaft inszeniert, bis hin zu Bjarne Mädel in der Rolle des gescheiterten Studiomusikers, der eine letzte kleine Chance bekommt, und dem Running-Gag-Musikerduo, das von Alexander Scheer und Zora Holdt mit sehr viel Liebe zum Detail gespielt wird.

Bei den beiden letzteren Figuren offenbart sich ohnehin erst das Potential, das dieser Film hätte nutzen können: nämlich den Blick hinter die Kulissen auf den Wahn des Musikgeschäfts, dadurch dass Scheers und Holdts Figuren von Gothics zu Techno-Musikern und dann zu altmodischen, genuinen Rockern gemacht werden. Die Botschaft ist eindeutig: Im Musikgeschäft ist der Künstler nichts wert, kann er nur als zurechtgebogenes Produkt einer Plattenfirma und von Leuten wie Möbius existieren. Was man aus einer solchen Grundlage alles hätte machen können. Doch stattdessen erzählt man in erster Linie eine Romanze gemäß den alten Methoden und dramaturgischen Strukturen. Und ist damit letztlich schief gewickelt.

Das ZDF zeigt «Schief gewickelt» am Donnerstag, 27. September 2012 um 20.15 Uhr.

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