Die Kino-Kritiker

«Abraham Lincoln – Vampirjäger»

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Wenn einer der bekanntesten US-Präsidenten der Geschichte heimlich auf Vampirjagd geht, geht Stil vor Substanz.

Mit «Grindhouse» läuteten Quentin Tarantino und Robert Rodriguez 2007 eine neue Ära des Trash-Films ein, in der talentierte Regisseure ihre Liebe für das Schundkino ausleben, indem sie haarsträubende Leinwandideen, die man einst nur in C-Movies hätte erleben können, mit hohem Budget verwirklichen. Dieser selbstbewusste Edeltrash tritt in dreierlei Geschmacksrichtungen auf. Da wären Produktionen wie «Cowboys & Aliens», die ihr abgedrehtes Konzept bierernst durchziehen, und Filme wie die Blaxploitation-Hommage «Black Dynamite», die sich über ihre verrückte Art lustig machen. Und dann gibt es jene Filme, die exakt den Mittelweg gehen. Zu diesen gehört auch «Abraham Lincoln – Vampirjäger», der mit seinen absurd übertriebenen Actionszenen keinen Hehl aus seiner konzeptuellen Albernheit macht, jedoch nicht durchweg dem Publikum zuzwinkert und auf einer Metaebene seine bewussten Macken kommentiert.

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Drehbuchautor Seth Grahame-Smith, Bestseller-Autor der grotesken Literaturparodie «Pride and Prejudice and Zombies» und der Schreiberling hinter Tim Burtons mauer Vampirkomödie «Dark Shadows», wirft «Abraham Lincoln – Vampirjäger» einen Blick hinter die historisch verbrieften Errungenschaften des 16. US-Präsidenten, um von seinen anderen, vermeintlich wahren Taten Lincolns zu berichten. Nachdem er im Jahr 1818 als unschuldiger Bursche mit ansehen musste, wie eine mysteriöse Kreatur der Nacht seine Mutter mit einer tödlichen Krankheit infiziert, schwört der Farmersjunge Blutrache. Einige Jahre später packt der zu einem entschlossenen, aber unkoordinierten Jugendlichen herangewachsene Abraham all seinen Mut zusammen und überfällt nachts den sinistren Jack Barts (Marton Csokas), der hinter dem Mord an seiner Mutter steckte. Doch wie Abe schmerzhaft erfährt, sind Vampire nur äußerst schwer zu töten. Bloß dank des charismatischen, doch wortkargen Henry Sturges (Dominic Cooper), kann Abe dem mächtigen Blutsauger entkommen. Henry weiht Abe in die Geheimnisse der Vampirjagd ein und entsendet ihn in den von den schaurigen Kreaturen unterwanderten Süden der USA. Dort ist Abraham tagsüber Mädchen für alles im Gemischtwarenladen von Joshua Speed (Jimmi Simpson) und Vampirkiller bei Nacht ...

Ob man zum Zielpublikum von «Abraham Lincoln – Vampirjäger» gehört, lässt sich erstaunlich leicht feststellen. Schon die eigene Reaktion auf den Titel allein, oder die Grundidee des Films, genügt, um abzuschätzen, wie man auf das fertige Werk reagieren wird. Wer bei der überzogenen Idee beschämt grinst, die Augen rollt oder sich fragt, wie dämlich Hollywoodfilme denn noch werden können, muss mit einem Kinobesuch gar nicht erst liebäugeln. Wer sich aber ein verwundertes oder gar ein überzeugtes „Hehe, cool ...“ nicht verkneifen konnte, liegt schon eher auf einer Wellenlänge mit Produzent Tim Burton, Autor Grahame-Smith und Regisseur Timur Bekmambetow («Wanted»), die in «Abraham Lincoln – Vampirjäger» nicht mehr und nicht weniger machen, als 105 Minuten lang die gleichermaßen coole wie saudämliche Vorstellung auskosten „Wie hätte es ausgesehen, wäre Abraham Lincoln ein Vampirjäger gewesen?“

Da man diese Vorstellung kaum in einem ernsthaften Rahmen weiterspinnen kann, insbesondere nicht in einer Ära des postmodernen High-Concept-Kinos, kommt dieses Stück historischer Fiktion nicht als Schauermär oder grimmer Horrorfilm daher, und erst recht nicht als übernatürliches Drama, sondern als jegliche physikalischen Gesetze ignorierendes, stylisches Actionfest. Wenn Lincoln das Herrenhaus eines wohlhabenden Vampirs heimsucht, wechselt die Farbästhetik binnen weniger Sekunden passend zur Dramaturgie des Kampfes von eiskaltem, unheimlichen Dunkelblau zu einem agilen, aggressiven Rotton und wieder zurück. Nach ausgiebigem Training kann Lincoln stattliche Bäume mit nur einem Axthieb fällen und von ihm mit seine Silberaxt getroffene Blutsauger schießen selbstredend quer durch über die gesamte Leinwand. Und um den 3D-Effekt voll auszunutzen, zersplittern währenddessen zerstörte Gegenstände in Ultrazeitlupe in ihre Einzelteile.

Von einem mitten in einer Herde Pferde stattfindenden Kampf bei Sonnenuntergang abgesehen, der durch schlecht animierte CG-Pferde, übertriebenem Weichzeichner-Gebrauch und einer die Stunts schwer erkenntlich machenden Beleuchtung zum öden Tiefpunkt des Films wird, sind bereits die Actionmomente allein für jeden Liebhaber überzogener Kampfsequenzen Grund genug, «Abraham Lincoln – Vampirjäger» eine Chance zu geben. Stylische Kameraarbeit und beeindruckende Kampfchoreographien gehören zu den Markenzeichen Timur Bekmambetows und die Absurdität, Lincoln mit Vampiren kämpfen zu sehen, verleiht den Actionszenen zusätzlichen trashigen Charme.

Dass Timur Bekmambetows 3D-Vampiractioner im Gegensatz zum derzeit ebenfalls in den deutschen Kinos gezeigten 3D-Zombiegemetzel «Resident Evil: Retribution» nicht zum Großteil aus reiner Action besteht, ist in diesem Fall ein klarer Pluspunkt: Bekmambetow und Grahame-Smith erzählen in aufwändiger, detailreicher Kulisse eine fantasiereiche Story, die mit sanftem Augenzwinkern Eckpunkte aus Lincolns Biografie (und somit aus der US-Historie) mit übernatürlichen Konzepten verbindet. Ihre Entscheidung, diese „wahre, unerzählte“ Geschichte weder der Lächerlichkeit preis zu geben, noch ganz bodenständig durchzuziehen, ist weitestgehend von Vorteil: Dass übermächtige Vampire den Bürgerkrieg beinahe für die Südstaaten entschieden hätten, ist eine von vielen amüsanten, in der unaufgeregten Durchführung Bekmambetows aber nicht von der Gothic-Atmosphäre des Films ablenkenden Ideen, die «Abraham Lincoln – Vampirjäger» auch über die Action hinaus zu einem spaßigen, seiner Natur gewissen Trashfilm machen.

Trotzdem ist der mittlere Part des Films zu lang geraten: Um Lincolns Lebensgeschichte und das übernatürliche Konzept unter einen Hut zu bringen, fielen einige biographische Stationen Lincolns der Schere zum Opfer, während andere weiterhin angedeutet werden. Das mag Lincoln-Kenner kurz zum Schmunzeln bringen, dramaturgisch erweisen sich Nebenbuhler um die Gunst seiner späteren Frau und politische Widersacher, die kurz nach ihrer Einführung ins filmische Nirgendwo verschwinden, allerdings als Ballast. Dass Szenen, die sich ausschließlich um Abraham Lincoln drehen, oftmals etwas zäh geraten sind, liegt zudem an der zwar sympathischen, allerdings auch blassen Darstellung von Benjamin Walker, der nicht die Präsenz aufweist, die dieser Rolle gebührt. Umso cooler ist dafür Dominic Cooper, der als mysteriöser Lebemann und knallharter Mentor (teils auch dank seiner ausgefallenen Garderobe) jede Szene an sich reißt, in der er aufkreuzt.

Wer also genügend Geduld mitbringt, um während des modernen Neo-Trashs kleinere Längen durchzustehen, und sich beim Titel «Abraham Lincoln – Vampirjäger» das Grinsen nicht verkneifen kann, darf seine Neugier mit einem Kinobesuch befriedigen. Denn die überdrehte, stylische 3D-Action wurde definitiv als ungewöhnlicher Popcorn-Spaß für die große Leinwand konzipiert. Wem die Grundidee zu dämlich ist oder wer von modernem Trash die geballte Selbstironie eines «Planet Terror» verlangt, sollte dagegen zweimal darüber nachdenken, ob ihm dieser Film den Eintrittspreis und 3D-Zuschlag wert ist.

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