Die Kritiker

«King»

von  |  Quelle: Inhalt: VOX

Eine Serie mit einer Hauptkommissarin, die Fashion und Victims liebt, aber ein Format, das erstaunlich hektisch und rau daherkommt. Überfordert das die Zielgruppe?

Inhalt:


Jessica King ist Polizistin und liebt Schuhe über alles. Wer denkt, dass dies nichts miteinander zu tun hat, wird von Jessica eines besseren belehrt: Sie nutzt ihre Dienstmarke, um gelegentlich auch nach Ladenschluss noch neue Pumps, Stiefel oder Sandalen kaufen zu können. Ihr Leben könnte perfekt sein - wenn sie nicht zum Callcenter für städtische Beschwerden strafversetzt worden wäre, nachdem sie ihren Vorgesetzten der sexuellen Belästigung beschuldigt hat. Doch das Blatt scheint sich zu wenden: Eines Abends, als Jessica und ihr Ehemann Danny elegant gekleidet auf dem Weg zu einem Fest sind, wird sie vom neuen Chief ins Präsidium zitiert. Dieser befördert sie überraschenderweise zur Leiterin des "Major Crimes Task Force". Die Abteilung beschäftigt sich aktuell mit der Entführung der siebenjährigen Lori Gilbert. Sowohl Jessicas neue Kollegen als auch der vorherige Leiter sind alles andere begeistert, schließlich taucht ihre neue Vorgesetzte auf schwindelerregenden High Heels und im schulterfreien Cocktailkleid auf. Doch schnell bringt sie frischen Wind in die Ermittlungen.

Darsteller:


Amy Price-Francis («The Cleaner») ist Jessica King
Alan van Sprang («The Tudors») ist Derek Spears
Gabriel Hogan («Die Kennedys») ist Danny Sless

Kritik:


Sie liebt „Fashion & Victims“ – sagt zumindest der Sender VOX, wenn er über seine neue Krimiserie mit Hauptfigur Jessica King spricht. Auch die Beschreibungen, dass die Serienheldin ein Mode-Junkie und eine Schuhfetischistin ist, lassen bei manchem vielleicht die Hoffnung aufkeimen, die kanadische Produktion würde klassische Crime-Fans in gleichem Maße ansprechen wie Anhänger von Serien wie «Sex & the City». Das ist weit gefehlt. Zwar mühen sich die Macher das ohnehin schon tendenziell weibliche Genre „Krimi“ durch die Positionierung der weiblichen Hauptfigur noch weiblicher zu machen, aber die klassischen Modethemen bleiben doch weites gehend außen vor.

Stattdessen erwartet die Zuschauer etwas unerwartetes: Nämlich die raue Welt Torontos, ein fast schon ungewöhnlich schmutziger Krimi, den es in ähnlicher Form zuvor meist nur bei «The Shield» gegeben hatte. Das ist eine unglaublich ungewöhnliche und herausfordernde Kombination. Im Grunde genommen ist «King» aber zunächst erfrischend ehrlich und real: Die Hauptfigur geht auf’s Klo, kommt wieder, sagt, „Die Toilette ist immer noch verstopft“. Das Ganze spielt sich in einem herrlich normalen Polizeibüro ab – ohne futuristische Einrichtung, fast schon ein bisschen old-fashioned. Neben Jessica King sind Kommissare und Polizisten zu sehen, denen auch einmal mehr oder minder krasse Fehler unterlaufen, auf Grund derer sich die Ermittlungen in eine vollkommen falsche Richtung entwickeln.

Und: Gleich zu Beginn eröffnet die Serie mit einem alles andere als standardisierten Fall, nämlich einer Kindesentführung. Hier dürften vor allem die weiblichen Zuschauer wieder vermehrt angesprochen werden, die aber wohl Probleme haben mit der barschen Darstellungsweise – was auch den Hauptcharakter angeht. Ein Gefühl von Wohlbefinden und schon gar nicht von Entspannung kommt beim Betrachten von «King» nicht auf. Vielmehr kommt die von Amy Price-Francis gespielte Jessica King als polternd, befehlend, respektlos und tough herüber. Ihre Ansagen sind klar und deutlich – „Bitte“ und „Danke“ sind aus ihrem Wortschatz fast vollkommen verschwunden.

An ihre Seite gestellt bekommen hat sie Sergeant Derek Spears (frisch degradiert, gespielt von Alan van Sprang), den eigentlichen Charakterkopf des Formats. Spears hat mit seiner neuen Rolle natürlich Probleme und auch mit seiner neuen Chefin. Da wäre es also wieder, das ungleiche Ermittler-Paar, das in fast jedem Krimi der Neuzeit auftaucht. Zwar sagt King im Laufe des Piloten „Es geht nicht um uns beide, es geht (um die entführte) Laurie,“ allerdings ging es den Machern natürlich schon um die Beziehung der beiden Ermittler zueinander.

Neben all diesen Themen kommt auch zur Sprache, dass die Hauptfigur seit Jahren vergeblich versucht ein Kind zu bekommen – und deshalb sogar aufgehört hat zu rauchen. Das bisherige Scheitern in diesem Punkt belastet natürlich auch die Beziehung zu Kings Ehemann Danny Sless, ebenfalls ein Detective. Sless wird meisterhaft verkörpert von Gabriel Hogan. In der Betrachtung der drei zentralen Figuren macht also gerade die Hauptdarstellerin den schwächsten Eindruck; ohne Frage ist Price-Francis (spielte schon in Hit-Serien wie «24» oder «The Cleaner» mit) in der Rolle der eigenwilligen/-artigen King nicht die beste Figur – und wurde für diese trotzdem ausgezeichnet. Letztlich ist Price-Francis‘ Spiel wohl nur gewöhnungsbedürftig: Das vermag weniger an ihr selbst, sondern vielmehr an dem Drehbuchkonstrukt liegen. Die Schöpfer Greg Spottiswood und Bernard Zukerman geben dem Zuschaer nämlich zunächst kaum Möglichkeiten mit der Serienheldin warm zu werden.

Sie drücken beim Erzählen der Geschichten dermaßen auf die Tube, dass der geneigte Krimifan fast schon mit Herzrasen zu kämpfen hat. In 15 Minuten passiert so viel wie in manch anderer US-Serie in 45 Minuten nicht. Das tut dem Format aber nicht gut – vielmehr lässt es die Handlung und die Akteure hektisch wirken. Dass hinter Kings harter Schale auch ein sehr weicher Kern zu stecken scheint, kann somit leicht übersehen werden.

Was also bleibt unter dem Strich hängen? Ein mutiges Serienkonzept, weil es frauenaffine Themen mit der rauen Welt einer „Major Crimes“-Einheit realitätsnah verbindet, eine leider noch zu schnelle und deshalb teilweise Lücken beinhaltende Erzählweise und das nächste ungleiche Ermittler-Paar, das sich immerhin aber auf anderer Ebene begegnet, als das in Deutschen Schmunzel-Krimis usus ist.

VOX zeigt «King» ab Mittwoch, 17. Oktober 2012 um 21.10 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/59773
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