Ohne Frage gilt William Friedkins «Der Exorzist» bis heute als einer der furchteinflößendsten Horrorfilme aller Zeiten. Lange traute sich nach diesem Erfolg niemand mehr so recht, einen ähnlichen Genrevertreter abzuliefern, da Friedkins Meisterwerk auch gleich zwei Fortsetzungen nach sich zog, die dem Original nicht im Ansatz das Wasser reichen konnten. Doch seit einigen Jahren erleben Exorzismus-Filme eine kleine Auferstehung. Mit «Exorzist: Der Anfang» versuchte man vergebens, die Vorgeschichte zum Klassiker zu erzählen. Titel wie «Der Exorzismus von Emily Rose» und zuletzt «Der letzte Exorzismus», «The Devil Inside» oder die «Paranormal Activity»-Franchise ließen den Erfolg des Exorzismus-Genres zurückkehren.
Von den Kinogängern in Übersee und hierzulande werden die Spukgeschichten immens gut aufgenommen. Mehr als einen Dämonen und einen Priester mit schwarzer Kutte braucht es scheinbar nicht, um einen sicheren Nummer-1-Hit zu landen. Dieses Phänomen blieb auch vorm dänischen Regisseur Ole Bornedal nicht verborgen, der sich mit «Nachtwache» und dem englischsprachigen Remake «Freeze – Alptraum Nachtwache» einen Namen im Horrorgenre machte. Als Stammgast auf dem Fantasy Filmfest präsentierte Bornedal in diesem Jahr mit «The Possession» seine neueste Regiearbeit aus der Abteilung Exorzismus. In den USA schoss der Schocker – wenig überraschend – direkt auf die Poleposition der Kinocharts, obwohl im Grunde nur Altes wieder aufgewärmt wurde.
Bei einem Flohmarktbesuch ersteht die kleine Em (Natasha Calis) ein antikes Kästchen. Das Mädchen ist begeistert von ihrem neuen „Schatz“. Ihre Eltern Clyde (Jeffrey Dean Morgan) und Stephanie Brenck (Kyra Sedgwick) schenken der neuen Obsession zunächst keine große Beachtung, bis Em sich zunehmend sonderbar verhält und immer aggressiver wird. Bei seinen Nachforschungen, was es mit dem geheimnisvollen Kästchen auf sich hat, stößt Clyde auf einen alten, jüdischen Volksglauben, nach dem in dem Kästchen ein Dibbuk gefangen sein soll – ein Totengeist, der von den Seelen der Lebenden zehrt. Es besteht keine Gefahr, solange der Dibbuk in seiner Kiste gefangen ist.
Doch Em hat den Deckel geöffnet und einem Parasiten gleich hat sich der teuflische Insasse bereits tief in seinen unschuldigen Wirtsorganismus gebohrt…
Bornedal verzichtet bei seiner Inszenierung auf die fast schon obligatorische Handycam und suggeriert dem Zuschauer eine vermeidlich wahre Begebenheit gar nicht erst. Gradlinig und in stimmigen Bildern findet der Grusel den Weg in die Kinosäle, wackelige Einstellungen mit Record- und Batterie-Anzeige im Display braucht es da nicht. Wie eingangs erwähnt trumpft die x-te filmische Teufelsaustreibung weder mit einer facettenreichen Handlung noch mit großen Neuerungen auf. Allerdings versucht der dänische Regisseur im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen, eine Gänsehautatmosphäre zu erschaffen und verlässt sich dabei nicht einzig und allein auf Effekthascherei oder terrorisierende Besessene.
Völlig außen vor gelassen werden umherfliegende Bücher, knallende Türen, orkanartige Insektenstürme und die bereits auf dem Poster groß zur Schau gestellte aus einem Mund kommende Hand zwar nicht, allerdings verfehlen diese Schockmomente auch selten ihre Wirkung. Im Zusammenspiel mit dem bombastischen Sound, der es versteht, das Grauen durch die Lautsprecherboxen zu transportieren, ergibt sich so ein atmosphärisch dichtes Szenario, welches in seiner Intensität nicht immer auf dem höchsten Level angesiedelt ist, die Geschichte aber ansprechend wiedergibt. Nun mag manch einer behaupten, dass dies kein großes Kunststück sei. Andere themengleiche Filme zeigten in letzter Zeit jedoch, dass es auch anders, auch wesentlich schlechter laufen kann.
Der größte Coup von «Possession» ist aber seine Hauptdarstellerin Natasha Calis. Die erst 13-jährige kanadische Schauspielerin verkörpert das gepeinigte Mädchen mit einer solchen Inbrunst und Überzeugung, dass es einem kalt den Rücken hinunterläuft. Ihre bösen Blicke und gellenden Schreie, wenn der Dibbuk Besitz von ihr ergreift, treffen geradewegs ins Mark und sorgen nicht nur bei ihren Filmeltern für Angst und Schrecken. Somit kann sich Bornedal wirklich glücklich schätzen, Calis für die Rolle gewonnen zu haben. Mit einer weniger talentierten Akteurin wäre das Gesamtergebnis wohl deutlich bescheidener ausgefallen.
Die übliche Besetzung hingegen tut das Nötigste, ohne groß aufzufallen. Jeffrey Dean Morgan («Jonah Hex», «Taking Woodstock»), der als Zwillingsbruder von Bond-Bösewicht Javier Bardem durchgehen könnte, gibt den besorgten Vater und von seiner Frau getrennten Ehemann solide. Etwas schräg kommt Matisyahu als Exorzist Tzadok rüber, der etwas zu klischeebehaftet wirkt. Er darf seinem„Job“ zudem erst im tosenden Finale wirklich nachgehen.
«Possession» ist einer von vielen Exorzismus-Filmen, unter ihnen aber sicherlich einer der besseren. Die Story von Juliet Snowden und Stiles White verzeichnet zwar einige Durchhänger und lässt neue Impulse vermissen, dank der großartigen Natasha Calis, ansehnlichen Bildern und einer dröhnenden Tonspur schafft Ole Bornedal letztlich dann doch ein lautes Dämonenspektakel. Beim Filmende werden sich – wie so oft – die Geister scheiden, wenn es darum geht das Geheimnis um den mysteriösen Dibbuk aus der Schatztruhe zu lüften. Angesichts des im Vorfeld bereits zu erwartenden Erfolgs schielt Regisseur Bornedal wie selbstverständlich mit der letzten Einstellung auf einen möglichen Nachfolger. Den braucht es dann allerdings doch nicht.
«Possession – Das Dunkle in dir» startet am Donnerstag, den 8. November, in den deutschen Kinos.