Alte Folgen von «Zwei bei Kallwass», «Richterin Barbara Salesch» und den Talkshows von Britt Hagedorn, Sonja Zietlow, Johannes B. Kerner und Jörg Pilawa – wenn das das Gold ist, das Sat.1 in seinen Archiven bunkert, will man den vermoderten Dreck gar nicht erst sehen.
Aber ob Gold oder Dreck oder irgendetwas dazwischen – bei Sat.1 hält man das Material, das man in den letzten Jahrzehnten an Niedrigniveaufernsehen in diesen Genres so produziert hat, nach wie vor für sendefähig. Denn alte Folgen dieser Shows werden bald zu einem tragenden Eckpfeiler des neuen Senders Sat.1 Gold, der neben ProSieben Maxx im nächsten Jahr auf Sendung geht.
Zuschauen sollen hauptsächlich Frauen ab 50, die man liebevoll die „Gold-Zielgruppe“ nennt. „Best Ager“ ist wohl entweder zu englisch oder in der Euphemismustretmühle schon zu einem Synonym für „alte Säcke“ geworden. Man wäre schon zu gern in der Sat.1-Gold-Chefetage bei der ein oder anderen Besprechung dabei gewesen, bei der man sich die Frage stellte, was der Gebissträger von heute so konsumiert – um sie dann mit «Barbara Salesch» und alten «Sonja»-Wiederholungen zu beantworten.
Aber nur Talk- und Fake-Gerichtsformate wären sogar für Sat.1-Verhältnisse ein bisschen dünn. Ein wenig Auflockerung kommt zwischendurch von Wiederholungen (qualitativ im einundzwanzigsten Jahrhundert auch für deutsche Verhältnisse eher als dünn zu bezeichnender) Serien wie «Für alle Fälle Stefanie» und «Mit Herz und Handschellen». Und ob «Wolffs Revier» oder «Edel & Starck» heute noch jemand sehen will, darf wohl auch bezweifelt werden. Zuletzt gräbt vielleicht einer der Programmplaner noch «Blackout» aus – nur dass man das in einem «Britt»- und «Barbara Salesch»-Umfeld wohl schlecht unterbringen könnte. Schließlich war «Blackout» gutes Fernsehen.
Die Wiederholungen des Großteils der alten Formate, mit denen Sat.1 Gold einen Großteil seiner Sendezeit bestreiten wird, können dem Sendernamen nicht einmal in Ansätzen gerecht werden. Die besten unter ihnen sind mit wenigen Ausnahmen wie «Clever» weder Gold noch Silber, sondern allenfalls Bronze – das Meiste jedoch eher ein Fall für die umgehende Entsorgung.
Da lobt man sich die Handvoll Eigenproduktionen, mit denen man in Unterföhring das Wiederholungsgewäsch unterfüttern will, auch wenn diese vermutlich nicht unbedingt höchsten journalistischen Standards gerecht werden können. Die «Gesundheitsakte» soll wie die «Schicksalsakte» laut Senderankündigung mehr in die Tiefe vordringen als die «Akte» im Hauptsender. Auch «Wunderwelt Wissen» kommt zurück. Ferner soll es ein Mittagsmagazin mit dem Titel «Gesund und lecker» geben, sowie das dreistündige «Süddeutsche TV Thema», hinter dem ein spannendes Konzept steckt, was man bei all der hier ob der sonderbar anmutenden Programmplanung vorgetragenen Polemik anerkennen muss.
Einen wirklichen Kracher kann Sat.1 Gold aber eigentlich nur in der Person der Geschäftsführerin Katja Hofem vorweisen, die bereits den ProSiebenSat.1-Frauensender sixx hochgezogen und dabei alle Erwartungen übertroffen hat. Dort hatte sie aber auch besseres Material zur Verfügung: Denn «Für alle Fälle Stefanie» ist kein «Gossip Girl», geschweige denn ein «Lost», ja nicht einmal ein «Sabrina – Total verhext». Damit einem Sender Profil zu geben und Zuschauer (gleich welcher Altersgruppe) anzuziehen, wird schwer fallen. Vor allem in Zeiten, in denen man jeden Tag reflexartig zur Fernbedienung greift, nur um kurz nachzusehen, ob der Mutterkanal Sat.1 überhaupt noch auf Sendung ist.