Sonntagsfragen

'Wer da von Asi spricht, muss schon ziemlich weit oben sein'

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...sagt filmpool-Geschäftsführer Stefan Cordes im Zusammenhang mit seiner neuen Sat.1-Vorabendserie «Patchwork Family». In den Sonntagsfragen sprachen wir mit ihm über die Castings, wie er Laiendarsteller auf ein Leben als Promi vorbereitet und ob er das Duell mit «Köln 50667» scheut.

Herr Cordes, wie hat die RTL II-Sendung «Berlin – Tag & Nacht» Ihrer Meinung nach das Genre Soap verändert?
«Berlin – Tag & Nacht» hat das Genre in verschiedenen Bereichen verändert. Wenn wir zurückblicken, hatten wir vor «Berlin» keinerlei Erfahrung in Sachen Daily Soap – wir haben uns da relativ wild reingestürzt und deshalb zu Beginn auch Lehrgeld bezahlt. Man kann nicht sagen, dass wir damals das Genre schon beherrscht haben – wir hatten lediglich Erfahrungen in Sachen kleinerer Ensemble-Geschichten, beispielsweise durch «X-Diaries». Aber wir haben uns bereit gefühlt für diesen Schritt. Das war vor fünf, sechs Jahren noch anders: Da hatten Vittorio Valente und ich schon einmal die Idee, eine Serie über eine Berliner Großfamilie zu machen. Aber damals waren wir vielleicht noch nicht erfahren genug, eine Soap zu produzieren. Der größte Unterschied zu einer klassischen Soap ist schließlich, dass wir nicht mit richtigen Schauspielern arbeiten.

Das ist richtig. Warum nicht?
Es hängt nicht mit finanziellen Aspekten zusammen – wir zahlen den Darstellern ähnliche Gehälter wie in anderen Soaps. Vielmehr geht es uns darum, dass die Darsteller ihren Charakter und ihre Geschichte stärker in die Serie mit einbringen, als bei der normalen Arbeit mit Schauspielern. Wie auch schon bei «Berlin – Tag & Nacht» war es bei «Patchwork Family» so, dass die Geschichten aus den Typen heraus entstanden sind. Wir haben zuerst gecastet und uns dann überlegt, wer in diese Familie passt – und erst dann haben wir die Storys dazu geschrieben. Es ist ganz wichtig, dass diese Großfamilie zusammenpasst, dass man ihnen ihre Konflikte abnimmt. Deshalb haben wir für «Patchwork Family» so lange und intensiv gecastet wie noch nie.

Wundert es Sie eigentlich, dass auch nach 1,5 Jahren «Berlin – Tag & Nacht» noch keine andere Firma mit einer solchen authentischen Soap auf dem Markt ist?
Es gibt ja durchaus Entwicklungen in diese Richtung. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, warum unsere Mitbewerber das vielleicht nicht so stark vorantreiben, wie wir es tun. Vielleicht liegt es daran, dass es trotz allem immer noch als Asi-TV verschrien ist.

Spannend, dass Sie den Begriff selbst nennen. Ist das denn Asi-TV Ihrer Meinung nach?
Von einem sehr hohen Ross herab blickend, ist natürlich viel von der Welt verachtenswert. Schauen Sie sich «Patchwork Family» an: Da werden Geschichten über eine verbeamtete Polizistin und einen selbständigen Fahrlehrer erzählt, die in Berlin ein großes Haus gemietet haben. Wer da von „Asi“ spricht, der muss schon ziemlich weit oben sein, um von da aus abschätzig nach unten zu blicken.

Wäre «Patchwork Family» - so wie es technisch umgesetzt ist – ohne «Berlin – Tag & Nacht» und die dort gesammelte Erfahrung möglich gewesen?
Nein, ohne «Berlin – Tag & Nacht» wäre das so einfach nicht gegangen. Das dort entwickelte Know-How ist wichtig für unseren weiteren Weg. Natürlich profitierten wir aber auch von technischen Weiterentwicklungen, gerade was die Kamera-Technik angeht.

«Patchwork Family» wird fiktionaler erzählt, während «Berlin» sich ja weiterhin am Doku-Stil entlang hangelt…
«Patchwork Family» ist allgemein szenischer aufgelöst. Aber es gibt noch andere Unterschiede: Wir erzählen ausschließlich Geschichten über Familienbeziehungen. Im Laufe der ersten Woche werden wir Großelternpaare einführen, Onkel und Tanten werden kommen. Bei «Berlin – Tag & Nacht» haben wir mit Joe und Hannah zwar auch eine kleine Familie, aber keine im klassischen Sinne.

Viele waren im Bezug auf «BTN» erstaunt, was das schnelle Erzähltempo angeht. Kann man um 18.00 Uhr genauso schnell erzählen oder muss man berücksichtigen, dass der Zuschauer pro Woche arbeitsbedingt vielleicht noch zwei oder mal drei Folgen anschauen kann?
Das Tempo und die Szenenanzahl von «Patchwork Family» sind sogar höher als bei «Berlin». Wir erzählen da schon sehr dicht. Ob die Leute das mögen, werden wir sehen.

Wie viel Krawall darf es denn am Sat.1-Vorabend sein? In Ihren RTL II-Formaten «Köln 50667» und «BTN» gab es in der vergangenen Woche drei Prügeleien, eine davon endete für eine Figur sogar im Krankenhaus.
Man kann im Zusammenhang von «Patchwork Family» nicht von Krawall sprechen. Krawall ist kein Begriff, der zu einer Familie passt. Dort gibt es Konflikte. Wir haben diese Familie gebaut, um die sich dort verändernden Beziehungen zu erzählen. Wer in einer temperamentvollen Familie lebt, der weiß, dass es dort nicht immer friedlich zugeht. Meine eigenen Kinder schreien sich auch an – das ist auch nicht tragisch. «Patchwork Family» zeigt keine gestörte Familie, wo regelmäßig die Fäuste fliegen – im Gegenteil haben wir auch sehr ruhige Momente.

Laiendarsteller sind die Teenie-Stars von heute und/oder morgen. Welche Verpflichtung haben Sie als Produktionsfirma den meist medienunerfahrenen Leuten gegenüber?
Das ist ein wichtiger Prozess. Als Schauspieler ist man darauf vorbereitet, wenn man eine Rolle annimmt. Ein Schauspieler weiß, was auf ihn zu kommt. Für ihn kommt die Popularität dann nicht so überraschend. Eine feste Rolle in einer filmpool-Soap verändert hingegen unerwartet das komplette Leben. Wir arbeiten mit Menschen, die früher einen ganz normalen Beruf hatten, mit Darstellern, die vor Kurzem noch Schüler waren. Man muss den Weg dann gemeinsam finden. So eine Soap ist auch noch einmal etwas anderes, als wenn man mit uns mal eine Woche lang auf Ibiza dreht. Einige unserer Darsteller standen vor der Frage: Was mache ich nach der Schule? Ein Studium? Eine Ausbildung? Bei «Patchwork Family» gab es vor Produktionsstart auch eine Umbesetzung, weil es besser war, dass ein Darsteller eine Ausbildung beginnt, statt eine Fernsehen-Karriere zu wagen. Aber dieser gemeinsame Prozess ist ungemein wichtig. Als TV-Produzenten können wir den Darstellern ja auch keine Garantie geben, dass die Sendung in zwei Jahren noch läuft.

Das heißt, Sie führen viele Einzelgespräche mit den Darstellern?
Da muss viel vorausschauend geplant werden. Die Leute werden später einmal auf der Straße erkannt. Das ist anfangs sicherlich interessant, aber es verändert natürlich auch das Leben. Nicht nur das eigene. Auch das der Familie, der Kinder. Unsere jungen Darsteller können nicht mehr wie früher einfach unerkannt in einen Club gehen. Es gibt auch negative Reaktionen auf Darsteller. Das ist alles schwieriger, als man denkt. Wir raten unseren Darstellern, auch die privaten Facebook-Accounts zu schützen.

«Patchwork Family» hat viele schnell erzählte Storylines – teilweise anspruchsvoll miteinander verknüpft. Wo haben Sie Ihr Autorenteam her? Das muss im Bereich Soaps ja schon eine gewisse Erfahrung haben.
Die meisten haben schon eine längere filmpool-Erfahrung. Das heißt, dass sie von der Art, wie wir erzählen geprägt sind oder unseren Stil selbst mit geprägt haben. Entscheidend ist aber nicht unbedingt, was jemand vorher gemacht hat, sondern wie man sich auf neue Dinge einstellen kann und wie die Teams vorbereitet werden. Mit jeder neuen Serie beginnt das Autorem-Team im besten Sinne von Null. «Patchwork Family» ist von den Geschichten her ein ganz eigenes Format. Gleiches gilt auch für die realisierenden Teams: Wir haben Workshops für unsere Kameramänner vanstaltet, die in der Regel große Erfahrung als EB-Teams hatten, aber nicht in der nun verwendeten Zweier-Struktur.

Wehren Sie sich, wenn ich sage, Ihre neue Soap erinnert optisch an «Modern Family»?
Nein, im Gegenteil! «Modern Family» ist ein ganz wunderbares Format, das uns alle schon sehr inspiriert hat. Ich finde es wirklich ganz toll. Das ist doch schön, wenn eine Sendung wegweisend ist. Form und Struktur von «Patchwork Family» aber ist dann doch eine andere. Natürlich gibt es auch bei uns humoristische Elemente, aber wir sind keine Sitcom. Es ist eine hoffentlich sehr deutsche Familienserie.

Für Sat.1 haben Sie um 18.00 Uhr «Nachbar gegen Nachbar» gemacht – jetzt haben Sie sich sozusagen den Slot selbst weggeschnappt. Sehen Sie eine Chance auf eine Fortführung dieses Formates?
Da müssen Sie mit Sat.1 sprechen. Wir machen einfach gerne Programm. Bei uns ist jedes Team ehrgeizig. Jeder hat den Anspruch, der Beste zu sein und die beste Serie zu machen, auch wenn zwei filmpool-Produktionen gegeneinander laufen.

Spannend ist, dass Sie sich in Ihrer Funktion als Geschäftsführer um «Patchwork Family» kümmern, während Vittorio Valente (ebenfalls Geschäftsführer) für «Köln 50667» verantwortlich ist…
So ist das nicht strukturiert. Wir entscheiden gemeinsam, welche Projekte wir machen wollen, und wir haben im Grunde einen ähnlichen Geschmack und eine gemeinsame Leidenschaft für unsere Programme. Es muss halt organisatorisch klar strukturiert sein. Aber an der Firmenspitze sitzen wir beide programmlich zusammen, und das ist sicherlich eine große Stärke der filmpool, dass wir mit unseren Programm-Machern, so unterschiedlich alle auch sind, einen gemeinsamen Sinn für das haben, was wir machen wollen. Wir denken auch jetzt wieder gemeinsam darüber nach, was uns als nächstes Spaß machen könnte. Was für Programme wir für welchen Slot und welchen Sender gerne entwickeln würden.

Haben Sie Angst vor dem Duell mit «Köln 50667»?
Erzählerisch sind das sehr unterschiedliche Formate. «Köln 50667» ist eher spitz. In Köln haben wir keine Geschichten, die sich ganz klassisch auf das Thema Familie konzentrieren, auch wenn es natürlich eine spannende Vater-Tochter-Story gibt. «Patchwork Family» schlägt da eine andere Richtung ein. «Berlin – Tag & Nacht» gegen «Köln 50667» zu programmieren, wäre vielleicht nicht ganz so günstig, bei «Patchwork Family» habe wir da wenig Bedenken. Wir wünschen uns, dass beides miteinander funktioniert.

Vielen Dank für das Gespräch.




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