Hingeschaut

«The Voice Kids»: Wenn Kinder singen können

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Der «The Voice»-Ableger zeigte am Freitag, dass auch eine Musikshow mit Kindern ein echter Ohrenschmaus sein kann - und demontiert somit noch nachträglich «DSDS Kids».

Ob und wie Kinder Teil der televisionären Unterhaltung sein können und sollen ist ein beliebtes und immer wiederkehrendes Thema in der Medienkritik. Die Liste an gehypten Kinderstars, die an ihrem kurzzeitigen Ruf zerbrachen und jahrelange Traumata mit sich herumschleppten, ist lang. Insofern wurde auch der neueste Versuch von Sat.1, mit sehr jungen Menschen Profit und Quote zu generieren, bereits im Vorfeld sehr kritisch beäugt. Doch bei aller Fragwürdigkeit ob des Konzeptes von «The Voice Kids» und der allmählichen Überdehnung des «The Voice»-Hypes kann das Format nach Sichtung rein inhaltlich als überaus gelungen bezeichnet werden.

Konzeptionell orientieren sich die Macher sehr stark am großen Vorbild, genauer gesagt gibt es im Ablauf nahezu keine Differenzen. Nach einer gewohnt pathetischen Einleitung werden die Kandidaten vorgestellt, die anschließend vor der Jury singen und von ihrem Fachurteil abhängig sind. Bei der Jury allerdings muss sich der Zuschauer auf neue Gesichter einstellen, denn Tim Bendzko, Lena Meyer-Landrut und Söhne Mannheims-Mitglied Henning Wehland bewerten die Leistungen der jungen Gesangstalente. Ein weiteres neues Gesicht ist zudem Aline von Drateln im Backstage-Bereich, die allerdings nur als Gesprächspartnerin vor den Auftritten fungiert und den Kindern die Angst ein wenig nehmen soll. Alles andere ist quasi 1:1 aus «The Voice» bekannt.

Auch qualitativ gelingt es tatsächlich, seinem Vorbild in nichts nachzustehen. Sämtliche in der ersten Ausgabe vertretenen Sänger zwischen 8 und 14 Jahren sind in der Tat Gesangstalente, die zumeist sogar wesentlich größere Begabungen mitbringen als die allermeisten Bierzelt-Karaokestars der aktuell laufenden «DSDS»-Staffel. Noch krasser ist jedoch der Kontrast zum Quotenflop «DSDS Kids», das im Mai vergangenen Jahres sein Publikum mit weitgehend talentarm quäkendem Nachwuchs malträtierte. Hier wurden bereits einige Vierjährige vor die Kamera gezerrt, die ganz offensichtlich noch längst nicht über die Reife verfügten, vor einem Millionenpublikum aufzutreten. Dies alles ist beim neuesten Kindercasting wesentlich besser gelöst, weshalb das Ansehen eine wahre Wohltat ist und «The Voice» seine Vormachtstellung in der deutschen Castingszene weiter ausbauen lässt.

Auch der Umgang mit den jungen Kandidaten ist ein ganz anderer als man es in anderen Shows dieser Couleur gewohnt ist. Sie werden allesamt respektvoll behandelt und vor allem dank ihrer Leistungen ernst genommen, anstatt sie als zu unreif für diesen Rahmen zu deklarieren. Im Backstage schlüpft zwar von Drateln mitunter etwas zu stark in die Rolle der Tagesmutter, doch zumindest gelingt es dank ihres inhaltsarmen Smalltalks augenscheinlich, den Talenten ihre Nervosität vor dem Auftritt ein Stück weit abzunehmen - obgleich dies in den meisten Fällen wohl noch nicht einmal nötig wäre, wirken sie doch bewundernswert souverän auf der Bühne.

Ein besonderes Highlight der Premiere ist der Auftritt von Kieu, die mit einem klassischen Song antreten darf und sogar von allen drei Juroren in die nächste Runde gewählt wird. Etwas bedauerlich ist jedoch, dass sie anschließend noch eine Popnummer singen muss, statt ihrer von den Hörgewohnheiten der meisten Zuschauer abweichenden Musik treu bleiben zu können. Verbessert wurde dafür das kleine Extra, ein Talent pro Folge ebenfalls nur auf Grundlage seines Gesangs zu hören. Wurde man vorher doch durch die Sprechstimme sowie durch die Vorgeschichte zumindest ein wenig beeinflusst und konnte nur den eigentlichen Auftritt nicht sehen, wird der Fernsehende nun ins kalte Wasser geworfen, indem er lediglich die Stimme des Kandidaten hört - also einmal wirklich in die Rolle der Jury schlüpfen kann.

Auch der Jury gelingt es wieder, gut und relativ ungezwungen zu interagieren, wenngleich es ebenfalls analog zu «The Voice» eine Schwachstelle gibt: Lena Meyer-Landrut. Gottlob sieht sie (bisher) davon ab, sich von allen guten Geistern verlassen auf dem Boden zu wälzen, von kosmischen Schwingungen zu sabbeln, die unmittelbar aus dem Universum in ihr Hirn strömen oder den Kandidaten zu sagen, dass sie ihr "auf den Sack gehen", ohne dies näher begründen zu können, doch birgt sie einen ähnlich hohen, mit einer Prise Hysterie gewürzten Nervfaktor, der sich zumeist mit inhaltlicher Leere in ihren Kommentaren paart. Während Bendzko und Wehland beizeiten auch leise Kritik üben, findet Lena alles "geil", "der Hammer" oder "unglaublich". Auch nimmt Wehland die Rolle des Underdogs neben seinen sehr bekannten Kollegen ein, womit er etwas an The BossHoss erinnert. Dies stört aber weniger, da gerade neben der flippigen Lena ein eher zurückhaltender Ruhepol Not tut.

Alles in allem ist «The Voice Kids» ein sehr gelungenes Format, nach dessen Sichtung man wirklich Respekt hat vor der Leistung einiger junger Menschen. Fand man bei «DSDS Kids» noch tausend gute Gründe, warum man sich das mit der Familienplanung doch noch einmal genauer überlegen sollte, ist diese Sendung hier ein beeindruckendes Indiz dafür, dass man schon in Kindesalter zu großartigen Dingen fähig sein kann. Letztlich bleibt die Frage, ob es verantwortbar ist, solch junge Menschen ins Rampenlicht zu rücken und sie damit auch ein Stück weit ins Haifischbecken TV-Business zu werfen. Dem Unterhaltungswert der Sendung sowie dem guten Gefühl, dass hier respektvoll mit den Kindern umgegangen wird, tut dies jedoch keinen Abbruch. Oder wie Lena sagen würde: Das war der Hammer!

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