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Nofacebook: Wenn die eigene Identität verschwindet

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Was, wenn wir uns in sozialen Netzwerken selbst nicht mehr wiedererkennen? Wenn wir auf Facebook ein Bild zeichnen, das unser wahres Ich leugnet? Wenn die eigene Identität gegen eine Inszenierung getauscht wird? Diesen Fragen geht Christian Ulmen auf die Spur – in einem crossmedialen Serienprojekt.

Sie wohnt in Berlin, studierte an der Freien Universität. Sie mag Musik von Leonard Cohen, Daft Punk, Kate Bush, Joy Division. Zu ihren Lieblings-Fernsehserien gehören «Mad Men», «Breaking Bad» und «Twin Peaks». Sie bewundert Regisseure wie Michael Haneke, Werner Herzog, David Lynch – und Stanley Kubrick, selbstverständlich. Von Derrida, Dostojewski und Nutella ist sie ebenfalls Fan.

Eine ganz normale Frau also, zumindest auf den ersten Facebook-Blick. In dem sozialen Netzwerk gibt die 29-jährige Kate Harff der Öffentlichkeit preis, was sie mag, wo ihre Interessen liegen. Sie stellt ein paar Fotoalben ins Netz, postet täglich mehrere Einträge. Wie zig Millionen Menschen weltweit auch. Ihr Facebook-Profil vermittelt den Eindruck einer jungen, toughen Frau, mitten im Leben stehend, beruflich erfolgreich, gebildet, cool. Der Eindruck trübt: Kate Harff ist krank, ausgelaugt, überfordert. Freiwillig lässt sie sich vor ihrem 30. Geburtstag in eine Nervenklinik einliefern. Von dort kommen auch ihre Facebook-Einträge: Selbst in der Therapie will – oder kann? – sie die virtuellen Verbindungen nicht kappen. Obwohl sie weiß, dass das nicht die wirkliche Kate ist, sondern eher ihr Desiderat.

Sie fällt in einen Zustand, der nicht Burnout heißt, auch nicht Depression – der vielleicht noch keinen Namen hat. Den aber viele Menschen der digitalen Generation werden nachempfinden können. Kate Harff ist Protagonistin der neuen Serie «About:Kate», die am späten Samstagabend bei arte startet – zumindest im TV. Denn als crossmediales Experiment angelegt, ist Kate schon seit vielen Wochen im Netz aktiv, seit ihrer Einlieferung in die Nervenheilanstalt. Seitdem ist auch ihr Facebook-Profil öffentlich zugänglich; derzeit hat sie rund 1750 Freunde. Auf der arte-Website bloggt sie außerdem: Videos und Fotos als Symbole, die Aufschluss darüber geben sollen, wer die Figur Kate Harff wirklich ist. Denn allein darum geht es in diesem Serienprojekt: um die Suche nach der eigenen Identität.

Hinter all dem steht Christian Ulmen, der zuletzt mit dem provokanten «Who Wants To Fuck My Girlfriend?» vor und hinter der Kamera aktiv war. Nun geht der Fernsehschaffende in eine andere künstlerische Richtung: Aufrütteln nicht durch Provokation, sondern durch Konfrontation. Konfrontation beispielsweise durch das Facebook-Profil von Kate Harff, in dem wir uns alle auch ein bisschen selbst wiederfinden. Aber was heißt das für uns, wenn wir wissen, dass Kate mit genau diesem Leben nicht mehr klarkommt, das sie im Netz vorzugeben scheint?

Wir alle können an der Serie mitwirken, auch dies ist ein Teil der Konfrontation. Denn Videos und Fotos, die man derzeit auf arte hochladen kann, werden ab Folge drei von «About:Kate» als Material in die serielle Dramaturgie eingebaut. In welchem Zusammenhang, ist bisher unklar. Einzig steht fest, dass wir vom Zuschauer zum Akteur werden – unter anderem auch über eine App, die parallel zur Serie den eigenen Geistes- und Gemütszustand checken soll. Aus der Frage „Wer ist Kate Harff?“ soll allmählich die Frage werden: „Wer bin ich?“ Oder, wie es Autor Nicolas Carr mit seinem technologiekritischen Buch formuliert: „Wer bin ich, wenn ich online bin?“ Für ihn verändert die Art, wie wir das Internet nutzen, unsere Kognition: Wie und ob wir Informationen richtig verarbeiten, wie wir lernen, wie aufmerksam wir uns auf eine Sache konzentrieren können, ob wir unser Gehirn unbewusst mal abschalten lassen können.

„Wir geben dem Zuschauer keine Möglichkeit zu entfliehen – eine komplette Geschichte entwickelt sich über alle Kanäle“, so Produzent Christian Ulmen über seine neue Serie. Schon in vielen TV-Formaten wird der sogenannte Second Screen eingesetzt, der weitere Informationen und Unterhaltungsmöglichkeiten zum Programm bereitstellt. Hier geht Ulmen noch einen Schritt weiter: Erstens wird der Second Screen bisher kaum in der Fiction eingesetzt, zweitens nutzt man ihn auch für die Kreierung des sogenannten User Generated Content, der später in der Serie selbst Verwendung findet. Neben den Grenzen zwischen passivem Konsument und aktivem Produzent verschwimmen so auch jene zwischen eigener Wirklichkeit und Fiktion.

About:Kate

Ob Kate Harff zu ihrer eigenen Identität zurückfinden kann, ob sie sich irgendwann außerhalb des virtuellen Raums wiedererkennt? Mit den Zuschauern wird sie in den nächsten 14 Wochen auf Spurensuche gehen, in jeder Folge soll man der Wahrheit ein Stück näher kommen. „Suchmaschinen vervollständigen meine Gedanken automatisch. Diese Maschinen scheinen mehr über mich zu wissen, als ich selbst“, erkennt Kate bei ihrer Therapie. Lassen wir uns mit einweisen.

Wie das Experiment bei uns Zuschauern wirkt, sagen wir in einer Woche. Dann mit einer Kritik zur ersten Folge von «About:Kate», das am Samstag um 23.45 Uhr bei arte startet.

Kurz-URL: qmde.de/63443
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