Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir des Beweises, dass ein kompetenter Sportfachmann nicht zwangsläufig auch ein guter Talkmaster sein muss.
«No Sports» wurde am 07. Oktober 1994 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit, als der Kanal dank der Rechte an der Fußballbundesliga mit seinen Sportformaten «ran» und «ranissimo» große Erfolge feiern konnte. Der noch jungen Redaktion war es nämlich gelungen, die bisherigen Übertragungen schneller und attraktiver zu gestalten und den „Fußball zur Show“ zu machen. Wesentlich verantwortlich für diese Entwicklung war der damalige Sportchef Reinhold Beckmann, der auch durch die Sendungen führte.
An diesem Erfolg fand Beckmann offenbar selbst den größten Gefallen, der immer wieder angab, davon zu träumen auch große Unterhaltungsshows präsentieren zu wollen. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis er sich an einem eigenen Format versuchen würde. Dabei wagte er sich an die Moderation einer Late-Night-Show heran, was angesichts des durchwachsenen Erfolgs von Thomas Gottschalk mit seiner Variante äußerst mutig war. Rückendeckung erhielt er jedoch vom Medienmogul Leo Kirch, der nicht nur der Besitzer des Senders, sondern auch der verantwortlichen Produktionsfirma war. Um möglichst von der Popularität des Sportprogramms profitieren zu können, erhielt das einstündige Spektakel einen wöchentlichen Sendeplatz am Freitagabend um 23.00 Uhr und damit direkt im Anschluss an die Zusammenfassungen aus der Bundesliga. Beckmann kündigte sein neues Projekt, das im Kölner Kino Cinedom standesgemäß mit Schreibtisch und Live-Band produziert wurde, vollmundig als "große Party zum Start ins Wochenende“ und als „Vorspiel für die Nacht“ an. Diese zweideutige Formulierung ließ bereits erahnen, welche Richtung das Konzept einschlagen würde.
Das Ergebnis war äußerst fragwürdig und konzeptlos. Beckmann lieferte müde Gags, halbgare Aktionen und unausgewogene Interviews, die stets zwischen investigativ gewollt und unfreiwillig peinlich oszillierten. So hatte er in der Auftaktausgabe zwar die Ehegattinnen der damaligen Spitzenpolitiker der SPD zu Gast, stellte ihnen allerdings meist banale Fragen. Das spätere Gespräch mit dem Bruder von US-Präsident Bill Clinton verlief ähnlich. Entsprechend fand die Presse für Beckmanns Leistung keine netten Worte und bezeichnete sie als „schwachbrüstiges Gelaber“. Der Journalist Eckart Presler schrieb damals sogar: „Die Interviews des 38jährigen Bremers reichten von plumper Anmache bis hin zu widerlichen Schnüffeleien im Liebesleben der Gesprächspartner.“
Das Publikum zeigte ebenfalls nur geringes Interesse, denn nach dem starken Vorlauf der Fußballübertragungen schalteten trotz breiter Ankündigungen durch die Kollegen in der Regel zwei Drittel der Zuschauer ab, sodass meist nur 1,20 Millionen Menschen dran blieben, die zudem fast nur männlich und meist über 40 Jahre alt waren. Die anvisierte Quotenvorgabe von 1,5 Millionen Menschen wurde nie erreicht. Das führte auch dazu, dass die Werbepreise in Höhe von 40.000 DM pro Spot nicht mehr gerechtfertigt waren. Zudem soll die miese Qualität den Hauptsponsor Mercedes Benz gestört haben.
Es bestand folglich Handlungsbedarf. Beckmann selbst kündigte an, aus der Show das „wahnsinnige Tempo“ herausnehmen zu wollen, doch tatsächlich setzte man eher auf gewollte Tabubrüche. Unter anderem holte man kurz vor Mitternacht einen hohen bayrischen Beamten aus dem Bett, um ihn zu einem Erotikbuch zu befragen. Für den größten Skandal sorgte jedoch ein Beitrag von Stefan Raab, der damals noch beim Musikkanal VIVA arbeitete und als Sonderreporter verpflichtet wurde. Er besuchte den Bundespresseball in Bonn und überraschte die anwesenden Politikerinnen auf der Damentoilette, um sie dort zu interviewen. Außerdem forderte er den amtierenden Bundespräsidenten auf, mit ihm „Backe, Backe Kuchen“ zu singen. Die Aktion führte nicht nur dazu, dass der Sender Sat.1 ein indirektes Hausverbot für künftige Veranstaltungen ausgesprochen bekam, sondern auch für ein massives Presseecho. Selbst die BILD am Sonntag, die gewöhnlich nicht für leise Töne bekannt ist, bezeichnete die Sendung als „Schmuddel-Show“, die „keine Verletzung zivilisierter Umgangsformen“ auslassen würde. In der Folge versuchte der Redaktionsleiter Michael Voppe die Wogen zu glätten, in dem er das Format als „gewöhnungsbedürftiges Produkt“ bezeichnete. Zusätzlich entschuldigte sich Beckmann schriftlich bei Roman Herzog.
Ohne hohe Quoten im Rücken und angesichts dieser Skandale wurden bald interne Forderungen nach einer Absetzung laut, die auch Leo Kirch bald nicht mehr ignorieren konnte. Als «ran» in die jährliche Winterpause ging, verschwand auch «No Sports» vom Bildschirm. Auf die geplante Rückkehr im Februar wurde verzichtet. Offiziell machte Beckmann für den Misserfolg die Doppelbelastung als Sportchef und Talkmaster verantwortlich: „Durch mein Pendlerleben zwischen Hamburg und Köln hat die Qualität meiner Arbeit gelitten.“
«No Sports» wurde am 09. Dezember 1994 beerdigt und erreichte ein Alter von zehn Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Reinhold Beckmann, der Ende 1995 mit dem unlustigen Clipformat «ran fun» einen weiteren Versuch wagte, im Unterhaltungsbereich Fuß zu fassen und damit erneut scheiterte. Als er im Jahr 1998 zur ARD wechselte, präsentierte er dort mit «Guinness – Die Show der Rekorde» endlich eine von ihm ersehnte Samstagabendsendung, erhielt dafür jedoch ebenfalls viel Kritik. Kurz darauf startete er seine wöchentliche Talkshow «Beckmann», die anfangs zwar ebenfalls umstritten war, sich aber mittlerweile weitestgehend etabliert hat.
Möge die Show in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der Daily Talkshow nur für pubertierende Jugendliche.