Got to Dance
- Jury: Palina Rojinski, Nikeata Thompson, Howard Donald
- Moderation: Johanna Klum
- sechs Sendungen, je drei Audition-Folgen und drei Live-Shows
- Adaption der gleichnamigen britischen Show bei Sky1 (dort bisher vier Staffeln)
- die US-Adaption des Formats war Anfang 2011 bei CBS ein Quotenflop
Stattdessen ist Palina Rojinski als Jurorin eine Art Aushängeschild der Show, wirkt in ihrer neuen Rolle souverän, aber doch irgendwie enttäuschend: Nach ihren tollen Engagements bei den «Circus HalliGalli»-Nerds, im komödiantischen Nischenfernsehen und zuletzt auch bei der hochwertigen Fernsehserie «Zeit der Helden» kehrt Rojinski dem Anarchischen, dem Anspruchsvollen teilweise den Rücken – und entscheidet nun im langweiligen Mainstream-TV über Tanztalente. Immerhin: Als ehemalige deutsche Juniorenmeisterin in rhythmischer Sportgymnastik hat ihre Rolle in der Show einen fundierten Hintergrund.
Komplettiert wird die Jury von Take-That-Mitglied Howard Donald und Band-Choreographin Nikeata Thompson, die ihren Hintergrund in der Branche zumindest ansatzweise bei einigen Fachurteilen durchblicken lässt. Johanna Klum als vermeintliche ‚Moderatorin‘ der Show spielt dagegen faktisch keine Rolle. Ihre Screentime beschränkt sich auf wenige Minuten; selbst eine einführende Anmoderation auf der Bühne entfällt. Stattdessen muntert Klum die Kandidaten hinter den Kulissen auf, mit Halbsätzen, die wir schon in dutzenden Castingshows zuvor kennengelernt haben.
Die einfache wie bewährte Recall-Regel für «Got to Dance»: Nur wenn der Teilnehmer mit seiner Performance alle drei Jurymitglieder überzeugen kann, kommt er weiter. Doch hier beginnen bereits die Ärgernisse der Show: Die Performances wirken ausnahmslos professionell; die Jury entscheidet nach einem ausführlich gezeigten Auftritt nur zwei Mal innerhalb der Premierensendung gegen die Kandidaten. Andere negative Juryentscheidungen werden in hektischen Rückblicken zusammengeschnitten. Was daran noch spannendes Casting sein soll, muss der Zuschauer selbst ergründen. „Heilige Scheiße, das war gut“ und „Hammer, Hammer, Hammer“ sind Urteile, die die Teilnehmer mit hinter die Bühne nehmen dürfen.
Rund 20 Minuten dauert es, bis die ersten Tränen bei der Jury fließen – der Auftritt einer Kandidatin hat Jurorin Nikeata tief bewegt. Extreme Emotionen sind kein Problem bei einer Castingshow, solange sie auch zum Zuschauer transportiert werden können. Hier aber stellt sich nicht viel mehr als Gleichgültigkeit ein: Ein rund einminütig gezeigter Auftritt, kaum Hintergrundwissen über die Tänzerin und mehr als knappe Bewertungen der Jury reichen nicht, um das Publikum irgendwie mitzureißen. Entsprechende Emotionen wirken dann nicht nur zu dick aufgetragen, sondern dämpfen auch Erwartungen: Was soll denn noch kommen, wenn jetzt schon Tränen fließen?
Zumindest der nächste Teilnehmer weckt dann etwas Interesse: Mit nur neun Jahren zeigt der kleine Leandro eine tolle Hip-Hop-Performance, die Überraschungsmomente bereithält. Dass das Publikum – wie bei fast jedem Auftritt – sekündlich gröhlt und sich anschließend in kollektiven Standing Ovations ergießt, wirkt da ausnahmsweise kaum störend. Tatsächlich bleibt Leandro eine seltene Ausnahme in der Show, die zu arm an Höhepunkten ist. Vielleicht auch deshalb, weil sich starke und teils wirklich kreative Auftritte fast im Minutentakt aneinander reihen werden und dann in der Masse untergehen – man nimmt sich einfach zu wenig Zeit für seine Talente: In der ersten, bis 22.30 Uhr dauernden, «Got to Dance»-Ausgabe werden 16 ‚ausführliche‘ Performances dargeboten, dies sind durchschnittlich 5 mehr als bei den Blind Auditions von «The Voice of Germany».
Vielleicht wird die Show zugestopft, um ihr eigentliches Problem zu vertuschen: Eine eigene Identität fehlt. «Got to Dance» wirkt wie ein Potpourri sämtlicher anderer Castingsendungen, vom Entscheidungsmodus bis zum völlig langweiligen und austauschbaren Studiodesign. Neues suchen die Zuschauer beim kollektiven Tanzvergnügen vergeblich. Damit fehlt «Got to Dance» genau das Element, das neu startende Formate in diesem Genre brauchen: Nach über 13 Jahren exzessiver Castingerfahrung des TV-Publikums reicht es nicht mehr, einfach eine gewöhnliche Talentsendung auf den Schirm zu schicken, sie muss auch Innovationen bieten. «The Voice of Germany» hat dies mit seinen Blind Auditions zuletzt erfolgreich vorgemacht. Doch die Macher von «Got to Dance» scheinen diesen nötigen Trend zur innovativen Castingshow verpasst zu haben – langfristig gute Einschaltquoten dürften dem Format demnach kaum beschert sein.
Doch die Show hat auch einige wenige positive Facetten. «Got to Dance» tut niemandem weh, im wahrsten Sinne des Wortes: Kandidaten werden nicht ansatzweise vorgeführt oder von der Jury niedergemacht – kein Wunder, wenn gar keine schlechten Tänzer mit ausführlichen Auftritten gezeigt werden. Kritische Betrachtungen fallen dann logischerweise ebenfalls weg, genauso fehlt die Spannung. Eine ernstzunehmende Castingshow kann «Got to Dance» damit kaum sein, zumindest nicht nach der ersten Sendung. Vielmehr bietet sie Rhythmus fürs Auge, harmlosen und vielfach unspektakulären. Einige tanzverliebte TV-Zuschauer werden daran sicher ihren Gefallen finden, und daran ist nichts verwerflich.
Doch man kann auch verstehen, wenn «Got to Dance» vielen Menschen nicht gefällt: Kaum Dramaturgie, kein roter Faden, null Spannung, null Identität – es fehlt zu viel bei diesem halbherzigen Sommer-Fernsehevent, um ihm die kommenden Donnerstag- oder Freitagabende freizuräumen. Eigentlich müsste eine Show wie «Got to Dance» die eigene Lust darauf wecken, schnellstmöglich die Tanzflächen im nächsten Club zu stürmen. Stattdessen verspürt man nach den guten zwei Stunden mit zahllosen Hobbyzapplern vor allem: Müdigkeit.