„
”
Matthias Kohlmaier im TV-Blog der Süddeutschen Zeitung
«Tohuwabohu» heißt die mit ansehnlichem Abstand zum Votingchampion gekürte Wettbewerbs-Dokusoap, in der zwei Prominente eine Gruppe von Grundschulkindern für einen Tag hüten und unterhalten muss. Die Machart: Unauffällig, ruhig, unspektakulär. Fast schon bieder. Der Wettstreit: Harmlos. Es geht um nichts weiteres als das bloße Kompliment, bei den Kids beliebter zu sein als der Mitstreiter. Nettes, von Dramen und Superlativen befreites Familienfernsehen. Solche Sendungen lobt sich der Medienjournalist eher als diverse Krawallformate, die an dieser Stelle wahrlich nicht wieder einmal beim Namen genannt werden müssen. Aber ist «Tohuwabohu» ein würdiger Sieger eines Fernsehevents, das sich Ideenfabrik schimpft?
Blickt man auf das Vorabendprogramm, so stellt sich die berechtigte Frage, ob «Tohuwabohu» überhaupt im TVLab hätte getestet werden müssen. Dokusoaps, in denen Zeitgenossen ein perfektes Dinner, einen perfekten Tag oder ein perfektes Zuhause zu bieten versuchen, und anhand ihrer Leistung bewertet werden, gibt es in der hiesigen Fernsehlandschaft zwar nicht unbedingt wie Sand am Meer, wohl aber in einer respektablen Anzahl. Manche Sendungen dieser Marke scheitern, andere werden Dauerbrenner. Das Problem, das «Tohuwabohu» nach seinem TVLab-Sieg auf Social-Media-Plattformen einiges an Häme einbrachte, ist nicht, dass es einem Sendeplatz bei ZDFneo unwürdig ist. Der Stolperstein ist, dass es keinerlei Innovation beinhaltet, die rechtfertigen würde, dass das Format erst einen TVLab-Testlauf zu durchlaufen hatte.
Bereits über den Sieg von «Teddy's Show» unkten einige Vertreter des Feuilleton, dabei verdiente sich diese Comedyshow ihren Platz im TVLab damit, dass sie mit einer bewusst altmodisch-klassischen Fassade daherkam, jedoch einen YouTube-Star als Protagonisten bot und eben nicht das ZDF-Stammpublikum, sondern die Digital Natives ansprach. Dass diese Gewässer erst vorsichtig ausgelotet wurden, ist verständlich. Und dass ZDFneo «Deutsches Fleisch» mit seinem „«Family Guy» trifft «South Park» trifft Spießersatire trifft Hitlerwitz-Humor nicht gleich mit einer 88-teiligen Staffel begrüßte, dürfte niemanden überraschen. Im diesjährigen TVLab konnte der geneigte Zuschauer ebenfalls mehrere Formate antreffen, die den Stempel „Experiment“, „Wagnis“ oder wenigstens „Innovation“ verdient haben – «Tohuwabohu» aber gehört nicht dazu.
Insofern ist durchaus die Frage berechtigt, ob das TVLab 2013 etwas gebracht hat, gewann doch eine Sendung, die auch ohne Zuschauervotum keine zu großen Probleme gehabt hätte, den Weg ins Fernsehprogramm zu finden. Dennoch muss niemand Trübsal blasen: ZDFneo führte die vergangenen Jahre über bekanntlich nicht nur TVLab-Gewinner fort, sondern auch Projekte, die im Voting zurücklagen. Wer also das Männer-Lifestylemagazin «About Men» mit seiner Filmoptik, «Diese Kaminskis» und ihren gewaltigen Stinkefinger in Richtung «Mitten im Leben», «Köln 50667» und Co., Michel Friedmans Meinungsexperiment «Der Richter in Dir» oder eines der anderen TVLab-Formate in Serie sehen will, sollte sein Social-Media-Können nutzen, um den webaffinen Sender darüber in Kenntnis zu setzen.
Apropos „in Serie“: Nachdem bislang vornehmlich Non-Fiction-Formate im TVLab angetestet wurden, setzt ZDFneo 2014 voll und ganz auf fiktionales Fernsehen. Wie originell, experimentierfreudig oder ausgelassen deutsche TV-Macher wirklich sind (und wie spießig der Geschmack des ZDFneo-Publikums ist), zeigt sich dann also im Spätsommer 2014. Denn bei Serien ist das Gefälle zwischen „Dasselbe in Grün“ und „TV-Revolution“ größer als bei allen anderen Programmfarben.