Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Ein vorhersehbarer Generalanschiss

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 255: Die katastrophale Neuauflage eines wahren TV-Klassikers und der überforderte Jörg Kachelmann.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines Vorhabens, das von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

«Einer wird gewinnen» wurde am 16. Mai 1998 im Ersten geboren und entstand zu einer Zeit, als die ARD sich mal wieder auf der Suche nach einem neuen, großen Unterhaltungskonzept für den Samstagabend begab. Rund zwei Jahre zuvor war die Anstalt bereits mit den drei frischen Formaten «Showlympia», «Allein oder Fröhlich» und «Stimmung!» kläglich gescheitert. Aus einer offenkundigen Verzweiflung heraus entstand beim Hessischen Rundfunk schließlich die Idee, einen der größten Fernsehklassiker überhaupt zu reaktivieren.

Das Original von «Einer wird gewinnen», das mit insgesamt 89 Folgen von 1964 bis 1987 lief, lebte nicht nur von den witzigen Spielen, sondern vor allem von seinem Moderator Hans-Joachim Kulenkampff und dessen unverwechselbaren, frechen Art. Damit hinterließ er nicht nur enorme Fußstapfen, an denen jeder Nachfolger zwangsläufig scheitern musste, sondern auch ein Konzept, das noch aus einer Zeit stammte, in der das Fernsehen anders funktionierte. Es war also von Beginn an zweifelhaft, ob ausgerechnet die Neuauflage jenes TV-Klassikers für den erhofften frischen Wind im ARD-Programm sorgen konnte.

Das Grundgerüst blieb dabei nahezu unverändert und damit auch das Ziel, das Europäische Miteinander unter den Nachbarländern zu stärken. So traten pro Ausgabe erneut acht Kandidaten aus acht EU-Ländern in diversen Quizrunden und Aktionsspielen gegeneinander an. So mussten sie von grölenden Fußballfans, amtierenden Schönheitsköniginnen, weiblichen Wetteransagerinnen, erfolgreichen Schlagerkomponisten oder alten Werbespots die jeweilige Herkunft erraten. Umrahmt waren diese Elemente mit den Auftritten von prominenten Spielpartnern und Musikern wie Wolfgang Fierek, Cherno Jobatay, Vickey Leandros oder Ricky Martin.

Um für die Neuauflage eine angemessene Qualität gewähren zu können, wurde mit ihrer Umsetzung der ehemalige ZDF-Unterhaltungschef Wolfgang Penk vom zuständigen Redakteur Bernd Küsters beauftragt. Letzterer glaubte in dem Meteorologen Jörg Kachelmann bereits den geeigneten Moderator für das Projekt gefunden zu haben. Dieser war insbesondere durch seine witzigen Wetteransagen bekannt geworden und präsentierte eine belanglose Versteckte-Kamera-Variante mit dem Titel «Vorsicht Blöff». Zudem wurde er kurz zuvor einer der Gastgeber des MDR-Talks «Riverboat». Auch wenn er damit über einige Showerfahrungen verfügte, war man skeptisch, ob er eine solche aufwendige Hallenproduktion stemmen konnte. Dies soll angeblich auch Penk bereits vor dem Start geäußert haben. Küsters wiederum begründete seine Wahl damit, dass er sich für diese Aufgabe keinen glatten Abfrager, sondern einen Querkopf wie einst Kuhlenkampff wünschte und Kachelmann über diese Eigenschaften verfügen würde.

Allzu groß schien das Vertrauen in das Vorhaben dennoch nicht gewesen zu sein, denn man entschied sich, im Dezember 1997 zunächst eine Testfolge zu realisieren. Passend zu Kachelmanns beruflichen Wurzeln traten in dieser die Weather Girls auf. Das Ergebnis fiel jedoch derart ernüchternd aus, dass aufgrund der vielen Probleme der ursprünglich angesetzte Termin der Fernsehpremiere im März 1998 um zwei Monate nach hinten verlegt werden musste. Am Moderator, der bei der Aufzeichnung große Schwächen gezeigt haben soll, hielt Küsters trotzdem fest und kündigte vollmundig mindestens vier Live-Ausgaben im Laufe des Jahres 1998 an.

Als im Mai die Produktion dann endlich über den Schirm ging, setzte sich das Bild trotz vieler Änderungen nahtlos fort. Die gezeigten Spiele wurden als unoriginell, das Timing als mangelhaft, das Studio als zu klein und die Lichtgestaltung als gefühllos in den Kritiken bezeichnet. Dazu kamen technische Pannen, denn die zu erkennenden Fußballfans brüllten derart laut durch die Halle, dass die Kandidaten die Erläuterung des zugehörigen Spiels nicht mehr verstanden. Die Berliner Zeitung beschrieb das Ergebnis daher als „sehr ausgedehnt, langatmig und teilweise auch wirr“.

Am stärksten wurde Kachelmanns Leistung bemängelt, denn er wurde übereinstimmend als äußerst nervös wahrgenommen. Dies gab er selbst noch während der Livesendung zu und fürchtete sich darin bereits vor dem morgigen „Generalanschiss“. In diesem Zustand half es auch nicht, dass er sich unmittelbar vor der Übertragung erkältet hatte, was er den Zuschauern damit bewies, dass er seinen halb gelutschten Hustenbonbon in die Kamera hielt. Abgesehen von seiner Aufgeregtheit warf man ihm außerdem eine klischeehafte Interviewführung mit den Kandidaten vor, denn er fragte einen Italiener nach Nudeln, einen Holländer nach Wohnwagen und einen Finnen nach einer Sauna. Zwar hatte Kachelmann während der Premiere auch einige gute Momente und das Spielprinzip funktionierte noch grundsätzlich, aber es gelang dem Team trotzdem nicht, den einstigen Funken überspringen zu lassen. Der Journalist Stefan Niggemeier fasste dies treffend damit zusammen, dass „die ganzen Kleinigkeiten, die aus einem blöden Ratespiel eine große Samstagabendshow machen“, fehlten.

Ein ähnlicher Eindruck schien sich auch unter den Fernsehzuschauer verbreitet zu haben, denn der Auftakt erreichte trotz (oder wegen) seines großen Erbes lediglich eine Sehbeteiligung von 5,27 Millionen Zuschauern. Damit war das Experiment zwar erfolgreicher als die Versuche aus den Vorjahren, kam jedoch nicht im Ansatz an die früheren Quoten heran. Die zweite Ausgabe am 12. September konnte die Reichweite mit 5,10 Millionen noch halten, aber schon rund zwei Monate später sank das Interesse mit 3,86 Millionen Menschen spürbar. Als Kachelmann aufgrund einer grundsätzlichen Unzufriedenheit seinen Ausstieg ankündigte und das Format noch immer auf keinen grünen Zweig kam, folgte die unvermeidbare Einstellung.

«Einer wird gewinnen» wurde am 21. November 1998 beerdigt und erreichte ein Alter von drei Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Jörg Kachelmann, der noch bis zum Jahr 2009 durch das «Riverboat» und einige kleinere Talkprogramme führte. Im Herbst 2010 zog er sich dann aus privaten Gründen weitestgehend aus dem Fernsehen zurück und ist seitdem nur noch vereinzelt als Wetteransager bei kleineren Regionalsendern zu sehen.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der teilweise unsendbaren Talkhoffnung von Sat.1.

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