Hinter den Kulissen
- Produktion: Colonia Media Filmproduktion GmbH
- Drehbuch: Jürgen Werner
- Regie: Kaspar Heidelbach
- Kamera: Daniel Koppelkamm
- Produzentin: Sonja Goslicki
Vor einem Club in Duisburg wird der 20-jährige Daan erschossen aufgefunden. Nichts deutet auf einen Raubmord hin, zumal der junge Mann auch noch ein Briefchen mit Heroin bei sich hatte. Derweil treffen Schimanski und Marie-Claire in ihrer Wohnung auf zwei Typen, die soeben ihre Wohnzimmereinrichtung zu Bruch geschlagen haben. Wie sich herausstellt, hat der einsitzende Gangsterboss Kaijewski seine Handlanger auf Schimanski angesetzt, allerdings nur, um ihn für einen Auftrag zu gewinnen.
Im Gefängnis trifft Schimanski zu seinem Erstaunen auf einen verzweifelten Kaijewski. Dieser bittet ihn, seine verschwundene 14-jährige Tochter Jessica zu finden. Dass Kaijewski ein Kind hat, wusste bislang niemand, und das soll auch so bleiben. Schimanski und Jessicas Mutter, Claudia Pollack, die mit ihrem Mann Thomas eine Motorradwerkstatt betreibt, kennen sich noch aus alten Zeiten. Auch sie bittet Schimanski inständig, ihr die Tochter zurückzubringen. Schimanski erfährt, dass das Mädchen mit ihrem Freund Nils scheinbar von zu Hause abgehauen ist. Doch wer dieser Nils eigentlich ist und wo er lebt, weiß Jessicas Mutter nicht. Während seiner Recherchen trifft Schimanski auf Hänschen und Hunger, die mit dem Mord an Daan befasst sind. Sie sind genervt von dem alten Haudegen, der wieder einmal im Alleingang im gleichen Fall wühlt, mit seinen gewonnenen Erkenntnissen hinterm Berg hält und vor allem Hunger nicht ernst nimmt. Von einem Mitschüler Jessicas weiß Schimanski, dass Nils offenbar häufiger zusammen mit Daan am Strich in der Vulkanstraße gesehen wurde. Was verband die beiden jungen Männer miteinander, und welche Rolle spielt ein weiteres Mädchen namens Laura? Alle Spuren führen nach Rotterdam, wohin Nils offenbar mit Jessica verschwunden ist. Gemeinsam mit der verbitterten Gemüsehändlerin Susanne Mellert, die gesteht, auch seit Jahren ihre Tochter zu vermissen, macht sich Schimanski dort auf die Suche. Nils soll ein „Loverboy“ sein, der Jessica in die Prostitution treiben will.
Darsteller
Götz George («Schtonk!») als Horst Schimanski
Chiem van Houweninge («Vollgas – Gebremst wird später») als Hänschen
Denise Virieux («Ein Dorf sieht Mord») als Marie-Claire
Julian Weigend («Es kommt noch dicker») als Hunger
Anna Loos («Weissensee») als Susanne Mellert
Muriel Wimmer («Rosannas Tochter») als Jessica Pollack
Vladimir Burlakov («Marco W. – 247 Tage im türkischen Gefängnis») als Nils Katschek
Kritik
Schimanski ist älter geworden. Und schon vor zwei Jahren, als die letzte Folge ausgestrahlt wurde, wirkte die Reihe anachronistisch. Bei einem Sendeplatz, wo es schon als innovativ gilt, wenn man einen «Tatort» mal auf zwei Folgen streckt, will das etwas heißen.
Dabei tut das Format auch alles, um alt zu wirken. „Der Pott, der heißt jetzt iPod“, witzelt Georges Figur, „Die Kids reden ja heute nicht miteinander, die posten das“, jammert die Mutter des verschollenen Teenagers, bevor sie deren Rebellion mit einem überforderten „Naja, die Pubertät“ begründet. Während man in Erfurt gezwungen jung sein will, sich dabei aber mit aufgesetzten One-Linern im Stil von „Fuck and Go“ sowie bemühten Keckheiten à la „Stoffwechselbeschleuniger“ als Jugendsprech für Energy-Drinks lächerlich macht, will «Schimanski» vom Reiz des Vergangenen zehren. Der ältere Ermittler tritt zwar nicht mehr im Minutentakt Wohnungstüren ein wie früher; die Jugend von heute (also alle unter 40) kann ihm aber immer noch nichts vormachen. Dass er mit seinem Smartphone nicht umgehen kann, wird zur tragenden Charaktereigenschaft. Früher war vielleicht nicht alles besser, aber zumindest einfacher. Da war der Pott noch nicht Stichwortgeber für einen iPod-Kalauer.
Das könnte ja durchaus seinen Charme haben, wenn man trotz der vielleicht etwas veralteten Erzählweise und Ästhetik einen Plot gefunden hätte, der in seiner Komplexität den heutigen Sehgewohnheiten gerecht werden könnte.
Hat man aber nicht. Stattdessen muss die abgestandene Geschichte um die junge, naive Ausreißerin herhalten, die sich in einen charmanten Zuhälter verguckt, der sie sich mit Drogen und Alkohol gefügig macht, um sie schließlich auf den Strich zu schicken. Das setzt man jedoch nicht als feingeistige Charakterstudie um, sondern als banale Menschelei, mit möglichst vielen Klischees und möglichst wenig Eigendynamik, als kleinen Vorwand, um Schimanski aus dem Ruhestand zu holen. Das bedeutet: Die 14-jährige Ausreißerin ist nicht nur ein bisschen schwer von Begriff, sondern so stockdoof, dass sie ihrer Darstellerin Muriel Wimmer jede Möglichkeit zu glänzen nimmt. Und Burlakovs Zuhälter Nils ist eben der schmierige Antagonist mit dem durchtrainierten Oberkörper. Beide Darsteller hätten deutlich mehr leisten können. Hier werden sie aber zu Plattitüdenhülsen degradiert. Wimmer soll süß, aber doof spielen; Burlakov sexy, aber durchtrieben. Mehr Facetten gibt man ihnen nicht. Hauptsache, man kann zeigen, dass Götz George noch voll im Saft steht.
In all diesem Voyeurismus, mit dem sich der Zuschauer an der Infantilität der dümmlichen Jessica berauschen darf, wird aber sofort gespart, sobald es brutal wird. Denn wenn Loverboy Nils sein anderes Opfer vermöbelt, weil die ihm nicht genug Kohle einbringt, schaut die Kamera weg, sobald die Schläge in ihrem Gesicht landen, und montiert die Totale von Jessica als Kontrapunkt hinein, die im Nebenzimmer sitzt und das alles mitanhören muss. Foreshadowing für die, die ganz schwer von Begriff sind. Und deren Sehgewohnheiten irgendwo in den 90ern steckengeblieben sind. So wie Schimanski halt.
Das Erste zeigt «Schimanski – Loverboy» am Sonntag, den 10. November um 20.15 Uhr.