Hingeschaut

«The Taste»: Viel Show, wenig Kochen

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Im Fokus des neuen Kochcastings standen am Mittwoch deutlich eher Jury und Kandidaten denn der eigentliche Kochprozess. Dies war unterhaltsam, konnte allerdings keine drei Stunden Sendezeit tragen.

«The Taste»-Facts

  • Coaches in Deutschland: Tim Mälzer, Frank Rosin, Lea Linster, Alexander Herrmann
  • Entwickelt von Red Arrow, lief in den USA bei ABC.
  • Zum Start sahen gute 5,82 Millionen Menschen zu, am Ende waren es nur noch 3,36 Millionen. Für eine zweite Staffel gab es aber grünes Licht.
  • Anthony Bourdain, Nigella Lawson, Ludo Lefebvre, and Brian Malarkey sind die Coaches der US-Version.
  • In Deutschland produziert Red Seven die Show für Sat.1.
  • Moderation: Christine Henning («Weck Up», «Ehrensenf», «Du bist ein Werwolf - Leben in der Pupertät»)
Für «The Voice of Germany» läuft es bei ProSieben und Sat.1 auch im dritten Jahr noch immer derart gut, dass man den Casting-Hit nicht nur auf die Suche von sehr jungen Gesangstalenten bei «The Voice Kids» ausbaut, sondern konzeptionelle Schwerpunkte inzwischen auch immer öfter auf andere Genres überträgt. Nachdem «Got to Dance» im Sommer mit 14,3 bis 17,3 Prozent Marktanteil beim werberelevanten Publikum dank eines modernen Looks und fantastischer Talente mit dem leicht mühsamen Vorurteil aufräumte, für Tanzcastings gäbe es hierzulande keine Bühne, versucht man sich mit «The Taste» nun sogar an einer televisionären Talentsuche im Bereich Kochen. Doch hierbei zeigt das «The Voice»-Konzept erstmals Schwächen, da eine zu große Distanz zwischen Protagonisten und Publikum vorherrscht.

Im so genannten Blind Tasting, das die gesamte Auftaktfolge prägt, müssen die erfahrenen Experten Tim Mälzer, Lea Linster, Alexander Herrmann und Frank Rosin die Kochkünste der Kandidaten bewerten und beurteilen, ob sie den Betreffenden gerne in ihr Team integrieren möchten. Gefällt ihnen die in einem Löffel angerichtete Speise, drücken sie den grünen Knopf - und kämpfen anschließend um die Gunst des Kochtalents, das sich bei mehr als einer "Ja"-Stimme seinen Mentor für die Folgezeit auswählen darf. Um das Gericht anzufertigen, bleibt den Teilnehmern stets genau eine Stunde Zeit.

Dass die Anlehnungen an «The Voice» bereits rein konzeptionell riesig sind, kann von Seiten der Verantwortlichen kein Zufall sein. Niemand wird ernsthaft bestreiten, dass der fast gleich klingende Titel sowie die Bezeichnung Blind Tasting (statt Blind Audition) gezielt gewählt wurden, um sich im Show-Bereich weiterhin klar in diese Richtung zu positionieren. Dies mag zwar für eine latente kreative Armut und konzeptionelle Mutlosigkeit sprechen, doch gleichzeitig bekennt man sich auch zu einer hochwertig produzierten Sendung, die Talent und Qualität statt persönliche Schicksalsschläge und inszenierte Dramatik in den Mittelpunkt des Geschehens rückt.

Doch bei Kochsendungen gibt es per se einen großen Nachteil für den Zuschauer: Er selbst kann nicht den Geschmack des zubereiteten Produkts beurteilen und muss sich diesbezüglich auf die Kompetenz der Jury verlassen. Dass dies einem Erfolg von Kochsendungen nicht prinzipiell im Wege steht, zeigen die zahlreichen großen Quotenerfolge der vergangenen Jahre in diesem Ressort. Zumeist schaffen derartige Formate die Bindung zum TV-Konsumenten durch eine mehr oder minder gelungene Mixtur aus Service, indem man die professionelle Zubereitung seiner kulinarischen Idee detailliert erklärt und bisweilen sogar Rezepte nennt, und Unterhaltung, indem nicht einfach nur begabte Köche vor sich hin brutzeln, sondern echte Medienprofis mit hohem Entertainment-Faktor.

Von Ersterem distanziert sich diese Sendung eindeutig. Von den 60 Minuten Koch-Zeit wird zumeist nicht einmal eine Minute gezeigt, die Motivation der Kandidaten, sich an ihrem Gericht zu versuchen, wird maximal schwammig und oberflächlich angetastet und vor dem Fernseher ist es kaum bis gar nicht möglich, den Herstellungsprozess ansatzweise nachzuvollziehen. Stattdessen steht neben der Kandidatenvorstellung in erster Linie das Zusammenspiel der Juroren im Fokus - ihr erster Eindruck ebenso wie die detaillierte fachmännische Bewertung der kulinarischen Komposition, die Vermutung, welcher Koch-Phänotyp dahinterstecken könnte sowie die abschließende Begründung, warum sie vom Können des Kandidaten überzeugt sind oder eben auch nicht.

Mit dieser Fokussierung auf die Jury und deren Bewertungsprozess haben die Produzenten gewiss keine völlig falsche Entscheidung getroffen, stellt sich die Jury doch zugleich unterhaltsam wie kompetent dar. Ihre deutlichen und offenen Urteile sind erfrischend, in der Regel nachvollziehbar und sehr eloquent vorgetragen. Doch eine Problematik kann hier nicht überwunden werden: Die Distanz des Zuschauers zum Geschehen im (sehr ansprechend gestalteten, allerdings ohne Publikum etwas überdimensioniert wirkenden) Studio. «The Voice» schöpft einen erheblichen Teil seiner Spannung auch daraus, dass man vom Sessel aus mitbuzzern und sich somit quasi eine Art "virtuelles Team" aus Talenten erstellen kann. Dass man mit anderen Musikbegeisterten in Foren, Chats und sozialen Netzwerken über seine Lieblinge diskutieren kann. Dass man Nena manchmal einfach nur würgen könnte, wenn diese einen starken Sänger trotz emotionaler Ekstase gehen lässt, weil sie gerade nicht "die richtigen Signale" aus dem Universum von Riegel Sieben erhalten hat.

All dies ist hier unmöglich. Der Zuschauer hat keinerlei Möglichkeit, seine Meinung mit jener der Jury zu vergleichen - da er sich erst gar keine bilden kann. Somit bleibt er ein unbeteiligter Dritter, dem es schwer fällt, eine emotionale Bindung zu den Kandidaten aufzubauen. Der Rezensent erwischte sich beim Konsum beispielsweise mehrfach dabei, dass er sich für das jeweilige Talent fast überhaupt nicht interessierte, sondern lediglich der Dynamik innerhalb der Jury folgen wollte. Deshalb bleibt von den Personen, deren Weg man ja nun einmal immerhin noch fünf weitere Wochen lang beobachten soll, nicht viel mehr übrig als Eindrücke der Marke "ahja, den fanden alle gut", "der hat jetzt aber genervt" oder "die war ja mal ziemlich nervös".

Die grundsätzliche Dynamik der Show stimmt jedoch, es gibt keine überflüssigen Längen, die diesem Format wahrscheinlich final das Genick gebrochen hätten. Zweifeln darf man jedoch an der Entscheidung, die erste Folge gleich drei Stunden laufen zu lassen. So bleibt vom Einzelnen noch weniger in den Köpfen hängen, da sehr viele Kandidaten vorgestellt und auch meist recht fix abgehandelt werden und nach einer gewissen Zeit macht sich bereits ein leichtes Gefühl der Abnutzung breit. Das Grundprinzip des Blind Tasting ist stets dasselbe, die Abwechslung ergibt sich lediglich durch die verbale Interaktion zwischen Jury und Kandidaten. Das kann dann bedauerlicherweise keine drei Stunden Sendezeit tragen, weshalb der Konsument nach einer gewissen Zeit abschaltet - ob mental oder in Form eines Senderwechsels.

Insgesamt ist «The Taste» ein ambitioniertes Format, dem man die Mühe ansieht, ein etwas anderes Kochshow-Erlebnis dem Massenpublikum näher zu bringen. Der Unterhaltungsfaktor ist in erster Linie aufgrund einer starken Jury durchaus gegeben, reicht jedoch nicht, um drei Stunden Sendezeit zur Primetime zu füllen. Ob sich genügend Zuschauer finden werden, die den Weg des Formats und der darin agierenden Personen weiter verfolgen möchten, müssen die kommenden Wochen zeigen. Die Auftaktfolge jedenfalls ruft beim Rezensenten eine gar nicht einmal so weit entfernt liegende Erinnerung hervor: Auch «Fashion Hero» war ambitioniert, qualitativ ansprechend und stellte klar die Dynamik von Jury und Kandidaten in den Mittelpunkt, konnte den Zuschauer jedoch nicht ausreichend ins Formatgeschehen einbinden. Den Machern sei zu wünschen, dass es Tim Mälzer und Co. nicht ähnlich ergeht wie Claudia Schiffer.

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